Könnte hierher passen: Ein Plädoyer für die Ehe.
http://www.arnretzer.de/?download=PH_04 ... 20_24.pdf
Ein schöner Text mit vielen tollen Passagen und inhaltlich überhaupt <3.
"Sich einen dauerhaften Partner aussuchen heißt, sich ein paar dauerhafte Probleme aussuchen. Die Art des Umgangs mit Konflikten und Problemen wird zur entscheidenden Dimension. Einigermaßen glückliche Paare versuchen, ihren Schwierigkeiten nicht durch Verletzungen und Verächtlichmachungen zu begegnen, sondern mit Humor, Ablenkung, Zuneigung und Respekt. Eine Lösung ist damit nicht automatisch verbunden, wobei gesagt werden muss: Die Lösung von Problemen in Paarbeziehungen und auch in Paartherapien wird vermutlich stark überschätzt oder ist sogar eine Illusion. Es kommt letztlich nicht darauf an, sich zu
vertragen, sondern sich zu
ertragen, ein Arrangement, das man auch als resignative Reife bezeichnen kann."
"Statt sich die vielleicht schweren, aber bei genauer Auswahl erfüllbaren Versprechungen zu machen, verspricht man sich oft lieber etwas so Nebensächliches wie das Glück und wird dabei untröstlich unglücklich, zumindest miteinander. Denn miteinander glücklich sein ist nicht leicht. Man wird heute ständig aufgefordert, seines Glückes Schmied zu sein und etwas aus sich, seinem Leben und auch seinem Eheleben zu machen. Diese Aufforderungen zur autonomen, selbstbestimmten Gestaltung seines Lebens, seines Ehelebens oder seiner sexuellen Verwirklichung bürden der Ehe und den daran Beteiligten die Last der Totalverantwortlichkeit auf. Jedes Scheitern, jedes Misslingen muss man sich dabei als eigenes lebensethisches Versagen, als Selbstmanagementfehler anlasten.
Ehepaare sind von Ratgebern und therapeutischen Hilfsangeboten umzingelt, die zur autonomen Beziehungsgestaltung nötigen. Dadurch verfehlen sie eine Lebens- und Ehekunst, die dem Menschen angemessen ist, und sie sitzen stattdessen der Illusion unbedingter Selbstmächtigkeit auf, die vergessen machen will, dass Leben auch und vor allem geschieht und nur gelegentlich gestaltet wird, das Eheleben ohnehin. Vielleicht ist ja auch gerade der Versuch, das Wunder herstellen zu wollen, dem Wunder abträglich. Auch wenn man das Glück nicht zur Zielgröße seiner Ehe machen sollte, gehört zu einer Ehe wohl auch ein gehöriges Maß an Glück dazu."
"Das Wunder der Ehe steht quer zum Zeitgeist. Unmittelbarkeit, Kurzfristigkeit, Gleichzeitigkeit und Schnelligkeit sind die hohen Werte der Gegenwart. Wie anachronistisch, hoffnungslos überholt, ja geradezu anstößig abweichend muss da die auf Mittelbarkeit, Langfristigkeit, Verlangsamung und Stabilität setzende Ehe wirken. Kein Wunder also, dass sie als Wunder erscheint.
Wer an ihr festhält, selbst dann noch, wenn neue und verbesserte Versionen auf dem Markt sind, oder nicht wenigstens ein entsprechendes
upgrading vornimmt, läuft Gefahr, als „nicht normal“ angesehen und entsprechend behandelt zu werden.
Warum sollte man sich mit zeitaufwendigen Reparaturaufgaben belasten, wenn das nicht funktionierende Teil in wenigen Augenblicken ausgewechselt oder weggeworfen werden kann? Da die Verpflichtungen von heute den Möglichkeiten von morgen im Weg stehen, sollte man sie möglichst leicht und locker gestalten, um morgen den Schaden gering zu halten. Aus Verpflichtungen vom Typ „Bis dass der Tod euch scheidet“ werden deshalb heute oft Verträge, die „unter dem Vorbehalt befriedigender Ergebnisse“ und orientiert am Nutzen abgeschlossen und jederzeit einseitig gebrochen werden können. Partnerschaften und Ehen werden wie Dinge behandelt und wahrgenommen, die man konsumieren kann, man behandelt sie nach denselben Kriterien wie alle anderen Konsumgegenstände."