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Re: nicht denken oder nicht-denken?

Verfasst: 12. April 2009, 10:40
von Erraphex
gowiththeflo hat geschrieben: -Kann man in der heutigen Gesellschaft als voll integrierter Bestandteil ohne Diskursivität überhaupt (problemlos) existieren? Immerhin besteht ja ein Großteil der unserer Gesellschaft immanenten Motivation daraus, Leistung (im Sinne von Wissen erarbeiten, verarbeiten und weitervermitteln) zu erbringen, was zwangsläufig mit der Diskursivität verbunden ist.
Das halte ich in dieser Gesellschaft für unmöglich.
gowiththeflo hat geschrieben: -Was (welche Situationen, Handlungen, Gewohnheiten) begünstigt Diskursivität? Ist sicherlich individuell, aber mich interessieren Erfahrungen. Welche Rolle können Psychedelika dabei spielen?
Ist diese Art zu Denken nicht der "übliche" Weg? Damit bedarf es ja keiner speziellen Förderung und genau das lässt die gegensätzliche Richtung interessanter erscheinen.
gowiththeflo hat geschrieben: -Wodurch lässt sich Diskursivität verringern? Abgesehen von achtsamer und aufmerksamer Meditationsübung sowie bewusstem Tun, fällt mir spontan nix ein. Welche Rolle können Psychedelika dabei spielen?
Das diskursive Denken ist ein Werkzeug unseres Geistes und kann als ein solches verwendet werden. Ich halte es damit weder für gut noch für schlecht - die Anwendung macht den Unterschied. Die bewusste Anwendung.

Angebracht halte ich dagegen die Grenzen des diskursiven Denkens zu erkennen die sehr schön in dem Zitat von Sakyong Mipham aufgezeigt wurden.

Aus diesem Grund sehe ich auch keine Veranlassung das diskursive Denken gezielt einzuschränken.

Es wird im Rahmen der Kultivierung der Stille von alleine auf einen (ausschließlich) produktiven Einsatz reduziert.

Re: nicht denken oder nicht-denken?

Verfasst: 12. April 2009, 22:26
von gowiththeflo
Erraphex hat geschrieben:
gowiththeflo hat geschrieben: -Was (welche Situationen, Handlungen, Gewohnheiten) begünstigt Diskursivität? Ist sicherlich individuell, aber mich interessieren Erfahrungen. Welche Rolle können Psychedelika dabei spielen?
Ist diese Art zu Denken nicht der "übliche" Weg? Damit bedarf es ja keiner speziellen Förderung und genau das lässt die gegensätzliche Richtung interessanter erscheinen.
Hmm, begünstigen war wohl der falsche Ausdruck, wie ich merke. Ich meinte es im Sinne von verursachen: Was verursacht Diskursivität? Denn gerade fördern wollte ich ja vermeiden. Nicht die produktive, sondern die, die uns unnötig ablenkt.

Allerdings hast Du mit Deiner darauffolgenden Antwort meine Fragen trotzdem bereits beantwortet.

Danke und Peace :)

Re: nicht denken oder nicht-denken?

Verfasst: 21. April 2009, 21:00
von Dr.Schuh
Erraphex hat geschrieben:
gowiththeflo hat geschrieben: -Kann man in der heutigen Gesellschaft als voll integrierter Bestandteil ohne Diskursivität überhaupt (problemlos) existieren? Immerhin besteht ja ein Großteil der unserer Gesellschaft immanenten Motivation daraus, Leistung (im Sinne von Wissen erarbeiten, verarbeiten und weitervermitteln) zu erbringen, was zwangsläufig mit der Diskursivität verbunden ist.
Das halte ich in dieser Gesellschaft für unmöglich.
gowiththeflo hat geschrieben: -Wodurch lässt sich Diskursivität verringern? Abgesehen von achtsamer und aufmerksamer Meditationsübung sowie bewusstem Tun, fällt mir spontan nix ein. Welche Rolle können Psychedelika dabei spielen?
Das diskursive Denken ist ein Werkzeug unseres Geistes und kann als ein solches verwendet werden. Ich halte es damit weder für gut noch für schlecht - die Anwendung macht den Unterschied. Die bewusste Anwendung.

Angebracht halte ich dagegen die Grenzen des diskursiven Denkens zu erkennen die sehr schön in dem Zitat von Sakyong Mipham aufgezeigt wurden.

Aus diesem Grund sehe ich auch keine Veranlassung das diskursive Denken gezielt einzuschränken.

Es wird im Rahmen der Kultivierung der Stille von alleine auf einen (ausschließlich) produktiven Einsatz reduziert.
Ich möchte dazu gerne etwas loswerden.

Gerade auf meinem letzten Trip hatte ich ernsthaft das dumpfe Gefühl, dass ich meinen Fortschritt durch das Ziehenlassen und auch das teils regelrecht gewaltsame Abwürgen und Loslassen/Wegschlagen eines jeden Gedankens in den letzten Jahren langsam zum erliegen bringe, und wollte dazu schon nen eigenen Fred eröffnen.

'Nicht-Denken' war in den letzten Jahren meiner Ausbildung DAS Thema, so kann ich fast ausschließen, dass es sich hierbei wieder um einen 'Flyer'-Trick handelt, um mich nur doch wieder ins Denken zu stürzen...dafür habich das zu weit entwickelt. Ich kann mitlerweile Nicht-Denken. Wann ich will. Aber von der Haltung vorallem auf Trip nicht denken zu dürfen mache ich mich dieser Tage nun wieder frei. "Denken ist ein Wekrzeug unseres Geistes und kann auch so eingesetzt werden." Ohne Anhaftung, ohne Zwang....und dann ist es wohl völlig in Ordnung.

Ich habe es jedoch zu einer Maxime, zu einem obersten Gebot, ja beinah zur Doktrin gemacht, und gelange nun zu der Überzeugung, damit mitlerweile einen kleinen Fehler zu begehen. Die angesprochene Inkompatiblität zu dieser Gesellschaft und Kultur ist für mich ein großes Thema. Ich fühle mich hier oft falsch, leide unter der Kultur, und sehne mich manchmal nach einem einfacheren, ursprünglicheren Leben irgendwo anders.

Mein nächster Trip wird nun bald folgen, um exakt diese Problematik anzugehen. Bewusstes, diskursives Denken, rationale Problemanalyse, Reflexion und Lösungsansätze sollen das Thema werden. Ich glaube ich muss mich auch einmal wieder bewusst(!) abwenden von der reinen Wahrnehmung, die ich gelernt habe, die mir viel gibt und gegeben hat, und mir dabei im Klaren sein, das richtige zu tun, und mich nicht zwangsläufig dabei verstricken zu müssen...

...und so weiterhin lebensfähig in dieser Kultur bleiben.

Ich habe das Gefühl an einem Punkt angelangt zu sein, andem es wieder Zeit wird zu Denken. Meine Wahrnehmung habich entwickelt, und es ist wunderschön wahrzunehmen, ohne dass die Gedanken abstrahieren und filtern, und es war ein langer weg bis hierhin. Aber es bringt mich eben nicht mehr weiter, habe ich das Gefühl. Und das schlimmste was einem passieren kann ist imho - auch im Himmel auf Erden - Stagnation.

Ich danke euch für diesen Post, Erraphex und flo. :bow: Der kam wie gerufen.


Nicht-Denken und Stille waren meine obersten Ziele, denen sich alles unterzuordnen hatte. Ich weiß nicht ob das so sein musste. Erst jetzt werde ich wohl das Denken wie ein Werkzeug gebrauchen können, ohne mit ihm verhaftet zu sein.

Gruß
Schuh

Re: nicht denken oder nicht-denken?

Verfasst: 22. April 2009, 11:23
von gowiththeflo
Vorweg möchte ich sagen, dass meine Erfahrung so ziemlich dieselbe ist wie Deine, Dr. Schuh (ohne jetzt auf Einzelheiten eingehen zu wollen). :)

Hatte am Ostermontag einen Trip bei wunderbarstem Sonnenschein und generell glänzenden Bedingungen. Zentrales Thema war Denken / Nicht-Denken.

Die klare, eindeutige Quintessenz dieser Erfahrung war, dass man das Denken zu jeder Zeit sein lassen kann, man es sich aber auch jederzeit zum Verbündeten machen kann, es produktiv nutzen und nähren kann. Mehrmals eröffnete sich mir diese Situation: Ich sah ein Problem / einen Sachverhalt, den ich mit diskursivem Denken erörtern könnte. Dabei stand mir offen, ob ich dies nun tue und mich ablenken lasse, oder ob ich alles so einfach lasse, wie es in dem Moment ist und den Gedanken weiterfließen lasse. Durch die regelmäßige Übung mithilfe der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit die Diskursivität zu durchschneiden, wählte ich jedesmal diesen Weg, da dieser zur ursprünglichen Klarheit und Ruhe des Geistes führt. Und so war es auch: Es war einer der ruhigsten, klarsten und einfachsten Trips, die ich mir selbst bescherte. Mir wurde klar, wie einfach das Leben ist, wenn man alles so lässt, wie es ist, ohne Urteil, ohne wenn und aber.

Dadurch, dass ich mich nicht mit Gedanken beschäftigte, war ich gänzlich flexibel und offen für den Augenblick. Jedesmal konnte ich entscheiden, ob ich diesen Augenblick nähre, indem ich Gedanken nachgehe und diese gegebenenfalls äußere, oder ob ich mich einfach nicht aktiv damit bechäftige und alles fließen lasse. Es ist ein proaktives Spiel. Diese Art der Selbstbestimmung und Souveränität habe ich ganz klar der Achtsamkeitsübung zu verdanken, weil ich dadurch die Stärke und Stabilität des Geistes so zu kultivieren gelernt habe, dass er mir gehorcht. Dieses Gehorchen war vorher ein ständiges (meist unbewusstes) Wegrennen und Flüchten vor der Stille und Vielfalt des Augenblicks. Oftmals versuchte ich in der Stille des Augenblicks neue Gedanken und damit eine potenzielle Handlung selbst zu induzieren und selbst das Geschehen voranzutreiben. Nun ist mir klar, das dies völlig widernatürlich ist. Denn dies ist Ablenkung (vom Augenblick, von einem Gespräch, von der Ruhe, Musik...). Dies verursacht Unachtsamkeit. Man beginnt zu träumen. Man hält fest. Durch dieses zwanghafte, unnatürliche verschließt man sich dem natürlichen Fließen der unendlichen Möglichkeiten. Wenn ich einen Augenblick nicht nähre und bearbeite, entfaltet sich im natürlichen Fluss der nächste, sofern man das vorhergehende nicht festhält und komplett loslässt. Egal wie fesselnd ein Gedanke ist, man hat die Freiheit, diesen sofort loszulassen und komplett neu zu beginnen. Man braucht sich nur in die Stille zu entspannen und offen zu sein. Das Leben kann so einfach sein, wenn man den Geist so kultiviert, dass er in jedem Augenblick ein Verbündeter ist.

Deshalb halte ich die Übung für essenziell. Man muss zunächst lernen, seinen Geist zu verstehen, indem man mit dem Denken experimentiert: Verstehen wie er funktioniert, lernen wie und wann Gedanken entstehen, wann sie enden, wie man Gedanken weiterfließen lässt, wie Denken zur Ablenkung führt, wie durch diskursives Denken Gefühle entstehen können, wie man mittels Denken Gefühle zerlegen kann, wie man das Denken durchschneidet, wie man zur Ruhe kommt und sich im Augenblick gründet, wie man Stärke und Stabilität kultiviert. Wenn man weiß, wie der Geist funktioniert, kann man beginnen, sein Denken und seine Gefühle produktiv zu nutzen, statt von ihnen beherrscht zu werden. Zunächst geht man auf Distanz, um sie später zu wichtigen Verbündeten zu machen. Eine Zeit lang meinte ich auch, dass ich jegliches Denken unterbinden müsste. Das ist absoluter Käse und wird niemals funktionieren. Man kann nur den Umgang damit üben und üben und üben. Dann läuft scheinbar alles darauf hinaus, so einfach zu sein, wie es tatsächlich ist.

LSD scheit in diesem Zusammenhang ein wunderbares verbündetes Psychedelikum zu sein. :herzen:

Re: nicht denken oder nicht-denken?

Verfasst: 22. April 2009, 23:23
von getintoit
woah. supergeniale beiträge die es verdienen mal in ruhe von mir gelesen (und durchdacht *g*) zu werden.
grad nur etwas quergelesen und hier ist ja alles voll mit inspirativem input.

möchte nur eins schnell noch hervorheben ->
Eulenspiegel hat geschrieben:Imho kann die Stille gar nicht überbewertet werden. :king:
word.