Erraphex hat geschrieben:
Ja. Hmm. Ich kann sehr gut nachfühlen was du sagst, aber: Gerade weil wir vieles nicht oder nie mit Sicherheit wissen und sprachlich vermitteln können entsprechen viele dieser Konzepte und Ideen der Natur eines Luftschlosses.
Für mich läuft die Entwicklung sehr radikal auf immer weniger Konzepte und Bilder und immer mehr auf das JETZT und damit nicht-denken hinaus. Das Leben findet nur im JETZT statt und das bedeutet für mich Spiritualität. Das Leben ist spirituell oder Spiritualität ist das Leben und es gibt keine Spiritualität ausserhalb dieses Lebens.
Konzepte und Bilder haben keine Bedeutung für unser Sein.
Konzepte und Bilder befriedigen den Wunsch nach Antworten auf die großen Fragen unserer Existenz. Was verspricht die Erfüllung des Wunsches? Sicherheit? Dieser Wunsch löst sich in Luft auf wenn wir uns dem Strom des Lebens hingebungsvoll anvertrauen. Der Strom ist das was fliesst. Was JETZT fliesst. Die subjektive Partizipation an der Schöpfung. Die Natur des Wunsches ist seine Orientierung in die Zukunft und das JETZT findet eben jetzt statt.
Es ist die Suche nach einem Luftschloss und die Suche endet mit dem Entweichen der Luft - oder sie endet nie.
Und es ist eine Illusion zu glauben alle Antworten auf alle Fragen finden zu können. Dieser Wunsch wird damit
nie Befriedigung erfahren. Und für was? Um etwas vermitteln zu wollen was nicht vermittelbar ist?
Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite diesem Wunsch zu folgen und Freude an dem intellektuellen Spiel zu finden und auf der anderen Seite die Haftung an diesen Bildern und Konzepten mit allen Nachteilen.
Ich verstehe genau, was du meinst. Nur ist mir aufgefallen, dass die praktische Umsetzung dieser Idee bei mir noch sehr sehr in den Kinderschuhen steckt. Ich fühle mich wie als wäre ich gerade ganz am Anfang meiner persönlichen Erkundungsreise: Ich weiß zwar rein intellektuell durch Wissensdurst und Austausch mit anderen Menschen, welche Eckpunkte dieser Reise ungefähr/eventuell auf mich zukommen werden und ein paar Meter habe ich ja auch schon zurückgelegt, aber was da vor mir liegt... Angst in dem Sinne ist das nicht, eher gesunder Respekt. Dieses Gefühl »Herrje, was ich da jetzt losgetreten habe muss ich auch bis zum bitteren Ende durchziehen, und wenn ich das in diesem Menschenleben nicht mehr schaffe«. So ein bischen wie der Moment, wo man in einer Achterbahn die erste Steigung hochgezogen wird.
gowiththeflo hat geschrieben:
In diesem Sinne lieber wunschlos glücklich!

Ja, das ist auch wieder so ein Ding. Gibt es nicht einen gewissen Grad der Kenntnis, ganz unabhängig von Bücherwissen und theoretischen Gedankenkonstrukten, der das Selbstverständnis erhöht und dabei mehr befreit als einschränkt? Zuviel Wissen verengt den Horizont, das glaube ich auch. Aber die Selbsterkenntnis, das Verständnis der eigenen Persönlichkeit; die Frage, warum ich nun einmal der geworden bin, der ichnun gerade bin... Verdienen es diese Fragen beantwortet zu werden oder ist das auch nur intellektuelle Zerstreuung?
Mir hat die Diskussion meiner inneren Konflikte bisher auf der einen Seite sehr viel gebracht; der Aha-Effekt ist nicht zu leugnen. Aber ich glaube auch, dass man dadurch auf der anderen Seite schnell wieder nur mit dem Diskutieren und weniger mit dem Erfahren beschäftigt ist... Das Spiel spielt sich doch irgendwann genauso wie die anderen, nur auf einer neuen Bewusstseinsebene. Vielleicht ist diese Phase aber auch einfach vorbereitend, um seinen eigenen emotionalen Rucksack korrekt für die anstehenden Erlebnisse zu packen. Was ist eure Meinung dazu?
Erraphex hat geschrieben:
Gleichwohl finde ich es von Zeit zu Zeit auch spannend mich über dieses und jenes aus diesem Bereich auch auszutauschen. Hier im Forum, in anderen Foren und auch privat.
Den Unterschied macht imho die Art und Weise wie damit umgegangen wird und bei mir wurde es wie bei gowiththeflo zum Selbstläufer. Ohne das ich mir darüber bewusst war. Auf der rationalen Ebene argumentierte ich sogar, dass es ja nur ein Spiel, eine Freizeitbeschäftigung, eine intellektuelle Herausforderng für mich war und das ich das Spiel jederzeit sein lassen könnte.
Das war aber nicht der Fall.
Ich stelle sehr oft in letzter Zeit fest, dass es im Prinzip ein Selbstläufer ist. Nur
weiß ich das in dem Moment dann auch. Ich stelle einfach plötzlich fest, dass ich wieder in alte Verhaltensmuster verfalle. Das passiert auf intellektueller, aber auch auf ganz praktischer sozialer Ebene.
Ich werde mir dabei nur selbst einfach viel bewusster und gewinne eine neue Distanz zu meinem Handeln.
gowiththeflo hat geschrieben:
Genau so habe ich auch argumentiert. Und auf manchen psychedelischen Reisen sagte ich mir irgendwann noch: Lass es sein! Doch ich wollte nicht hören... und ruck zuck ist man verwirrt.
Der Irrsinn daran ist gewesen, dass ich das Spiel spielte, obwohl mir bewusst war, dass es meinen Geist fragmentiert. Das heißt, eigentlich wollte ich es nicht, aber ich geriet immer wieder unbemerkt hinein und dann folgten einem Gedanken weitere Gedanken und man denkt sich irgendwo rein, vergisst dabei glatt, dass man es eigentlich garnicht wollte, verstrickt sich und kommt da garnicht mehr so leicht heraus. Irgendwo ist das schon ein hinterhältiges Spielchen, weil erst spielt man es freiwillig unter dem Vorwand, etwas intellektuell oder spielerisch zu erkunden, doch urplötzlich verliert man den Faden und wird vom Jäger zum Gejagten. Das wurde mir schon öfter bewusst, aber noch nie so deutlich, wie im Moment, wenn ich mein Verhalten rückblickend analysiere.
Darf ich fragen, auf welchen Substanzen dir diese Form der Erfahrung zuteil geworden ist? Klingt für mich sehr nach einem der klassischen großen Psychedellika (LSD oder Psilocybin). Um solche Konstrukte zu erkennen und zu entlarven sind es meiner Meinung nach nicht die richtigen Werkzeuge. Eher verstärken sie noch die Verwirrung und die Überforderung, die man im Umgang mit ihnen eh schon erfährt.
Ich denke, dass es sich dabei um ein sehr hartnäckiges Gewohnheitsmuster handelt, dessen Macht man nicht unterschätzen und sich stets bewusst sein sollte. In der Meditation bzw. im nicht denken sehe ich eine hervorragende Möglichkeit, dieses Muster zu erkennen und Schritt für Schritt aufzubrechen.
Übung macht den Meister!

Volle Zustimmung. Ich versuche auch, mich an der Hartnäckigkeit der Muster und Konstruke nicht aufzuhängen... Sie sind da und Teil meiner Existenz wie alles andere, was mein Bewusstsein formt. Warum leugnen?
Die Wahrnehmung und das Wissen darum bei gleichzeitig ausreichender Distanz um eben nicht darin gefangen zu sein klingt mir wie der Weg, den ich wählen will um damit umzugehen. Das ist ganz sicher nicht einfach, und es wird nicht einfacher indem man Zeile für Zeile darüber sinniert.

Also hast du vollkommen Recht, Übung macht den Meister.
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"