P.M. Magazin 06/2008
Psychologie
Wie der Wille uns beherrscht - und wir ihn!
Jeder kennt die Situation. Wir naschen, obwohl wir fasten wollen. Wir rauchen, obwohl es uns umbringt. Wir denken »Nein« und sagen »Ja«. Warum tun wir oft, was wir gar nicht wollen? Haben Wissenschaftler recht, die uns als Sklaven unseres Gehirns sehen?
So viel ist gewiss: Suresh Joachim hat Ausdauer und Willensstärke. Er zeigte sie, als er 76 Stunden auf einem Bein stand und die aufsteigenden Schmerzen ignorierte. Er bekräftigte sie, als er in jeder von 1000 aufeinanderfolgenden Stunden ein Stück rannte – Tag und Nacht, sechs Wochen lang, über fast 4000 Kilometer. Er bewies sie abermals, als er einen 4,5 Kilogramm schweren Stein 130 Kilometer weit im Kreis trug. Der inzwischen 39-jährige Tamile aus Sri Lanka ist an Hartnäckigkeit kaum zu überbieten: Er will Geld sammeln für sein privates Kinderhilfswerk – und um Interesse dafür zu wecken, möchte er 150 Eintragungen in das Guinness-Buch der Weltrekorde erreichen. Mit purer Willensstärke hat er es geschafft, aus einer aussichtslosen Startposition heraus weltweite Aufmerksamkeit zu erregen. Auch anderen Menschen gelingt mit Willensstärke Erstaunliches: Alexander der Große eroberte mit einer vergleichsweise winzigen Streitmacht Asien, Mahatma Gandhi vertrieb mit der Macht seines Willens die Engländer aus Indien. Mutter Teresa spann mit Beharrlichkeit aus dem Nichts ein globales Hilfswerk. Unbeugsamer Wille lässt Beinamputierte zu Sprintern werden, ermöglicht Bergsteigern, aus der Todeszone wiederzukehren, peitscht Tour-de-France-Fahrer über die höchsten Pässe. Mit Willenskraft pumpt sich Arnold Schwarzenegger zum Mister Universum auf, schafft der Tellerwäscher den Weg zum Millionär und schlägt sich auch der mittelmäßige Boxer Rocky, gespielt von Sylvester Stallone, bis ganz nach oben durch. Solche Geschichten faszinieren uns, denn sie versprechen: Auch wir könnten es schaffen – wenn wir nur wollen. Doch so simpel ist die Lage nicht. Die Helden wären keine Helden, wenn ihre Aufgabe so einfach wäre. Im Alltag machen nämlich viele eine ernüchternde Erfahrung: Der Wille ist da, aber er schwächelt schon auf den ersten Metern. Viele, die zu Silvester der Zigarette abschwören, beginnen schon zu Neujahr wieder zu rauchen. Wie kommt das? Wieso kann der Wille des einen Berge versetzen, während der Wille des anderen nicht mal reicht, den Glimmstängel liegen zu lassen? Je mehr man sich mit dem Willen beschäftigt, desto unübersichtlicher wird das scheinbar einfache Phänomen. Der Wille begleitet uns ein Leben lang: vom ersten Schrei des Neugeborenen bis zum letzten Willen auf dem Sterbebett. Doch sind wir nur begrenzt Herr im eigenen Haus. Schon der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer hat erkannt: »Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.«
Allein die Existenz von Werbung beweist, wie erfolgreich der Wille des Menschen von außen gelenkt wird. Zudem entsteht der größte Teil unseres Willens unkontrollierbar im Unterbewussten. Unsere Organe funktionieren autonom; müssten wir sie per Willenskraft auf Kurs halten, wären wir bald am Ende. Selbst beim Sprechen kontrolliert unser Wille nur den ungefähren Inhalt des Gesagten. Wie sich dieser in korrekte Wortfolgen und in die richtigen Zungenbewegungen übersetzt, entscheiden Mechanismen, die sich unserem Bewusstsein entziehen. So bruchstückhaft der Wille unser Handeln kontrolliert, so wichtig ist er für unser Gefühl von individueller Autonomie: Nur wenn wir unserem eigenen Willen folgen können, gewinnen wir den Eindruck, frei zu sein. Andersherum brauchen wir den Willen, um mit Freiheit umgehen zu können: Müssen wir in einer offenen Situation Entscheidungen fällen, weist uns allein der Wille den Weg. Jedoch werden Wille und Freiheit zu Gegensätzen, sobald sich Willensstärke ins Extrem steigert: Jeder, der seinem Ziel gänzlich unbeirrt folgt, wird zum Sklaven seines Willens. In seinen vorhersagbaren Handlungen gleicht er einem Roboter und ist unfreier als jeder Gefangene. Doch einen gemeinsamen Nenner scheint es zu geben: Alle Menschen haben den Eindruck, in ihren Willensentscheidungen frei zu sein. Wenn wir zwischen Glühwein und Würstchen, zwischen Tatort und Sportschau wählen, dann sind wir zugleich sicher, dass wir immer auch hätten anders entscheiden können. So überzeugt sind wir von dieser Freiheit, dass wir uns sogar über vergangene Fehlentscheidungen grämen. Doch gerade diese zentrale Überzeugung wird jetzt von Hirnforschern angezweifelt. Sie behaupten: Unser freier Wille ist eine Illusion, in Wirklichkeit werden ALLE unsere Entscheidungen vom Gehirn selbstständig gefällt. Erst im Nachhinein deklariert unser Bewusstsein einige dieser Entscheidungen als freie Willensentscheidungen – einfach damit wir uns besser fühlen. »Freier Wille beseitigt den Erklärungsnotstand, warum wir etwas getan haben. Es ist eine nachträglich aufgesetzte Illusion, um unser Handeln zu legitimieren, das auf einer Zwangsläufi gkeit der stammesgeschichtlichen und individualgeschichtlichen Faktoren beruht«, behauptet der Biologe Franz Wuketits. Sein Kollege, der Bremer Neurologe Gerhard Roth, fasst es kürzer zusammen: »Sprache dient in erster Linie der Rechtfertigung des eigenen Verhaltens.« Was die Wissenschaftler damit meinen, erkennt man plakativ an Versuchen mit posthypnotischer Suggestion. Dabei erteilt der Versuchsleiter den Probanden unter Hypnose Aufträge, die sie nach dem Aufwachen ausführen sollen: etwa auf ein Fingerschnipsen des Versuchsleiters hin die Tür öffnen. Nach der Rückkehr zum Normalbewusstsein fühlen sich die Versuchspersonen entspannt und können sich nicht an Aufträge erinnern. Mitten im lockeren Geplauder schnipst dann der Versuchsleiter mit dem Finger. Unverzüglich steht die Versuchsperson auf, öffnet die Tür und schaut hinaus. Fragt man sie nach den Gründen, folgen abenteuerliche Konstrukte: »Ich hatte ein Geräusch gehört «, »Mir war warm« oder »Ich wollte kontrollieren, ob die Tür quietscht«. Der Mensch, so scheint es, hat keine Schwierigkeiten, sich nachträglich einen Willen herbeizulügen.
Die Frage ist nun: Tun wir das auch in Alltagssituationen? Fällen sich Entscheidungen ohne unser bewusstes Zutun, und wir erfi nden anschließend einen passenden Willen dazu? Genau so ist es, meinen die Hirnforscher! Sie beziehen sich dabei auf ein bahnbrechendes Experiment, das der amerikanische Psychologe Benjamin Libet Anfang der 1980er Jahre startete. Seine Versuchspersonen sollten darin eine Taste betätigen – zu einem von ihnen selbst frei gewählten Zeitpunkt. Zugleich sollten sie sich merken, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Handlungsentschluss gefällt hatten. Um diesen Zeitpunkt präzise feststellen zu können, stand den Versuchspersonen eine schnell laufende Uhr zur Verfügung, deren Zeiger in 2,56 Sekunden eine volle Umdrehung machte. Das erste Teilergebnis der Versuche entsprach den Erwartungen: Der Willensentschluss geht der Fingerbewegung voraus, und zwar um etwa 200 Millisekunden. Umso erstaunlicher das zweite Teilergebnis: Noch vor dem bewussten Entschluss gibt es eine elektrische Welle, die durch das Gehirn läuft! 350 Millisekunden ehe wir etwas entscheiden, hat das Gehirn bereits die Signale losgeschickt, die zur Fingerbewegung führen. Für Professor Wolf Singer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt, ist die Bedeutung dieser Versuche eindeutig: »Bei der Erforschung von Gehirnen fi ndet man nirgendwo einen freien Willen oder eine eigene Verantwortung. Wir sollten aufhören, von Freiheit zu reden.« Nach seiner Auffassung sind wir durch unser Gehirn determinierte Maschinen. Gezielt stellt er unser Rechtssystem infrage: Wie soll man von Schuld sprechen, wenn wir keine freien Willensentscheidungen fällen? Kann man einen Mörder bestrafen, der nie eine Alternative hatte, als das zu tun, was er schließlich getan hat? Sehr wohl solle man den Mörder bestrafen, meint hingegen Benjamin Libet. Er sieht durch seine Messungen den freien Willen des Menschen keineswegs widerlegt. Vielmehr hat er beobachtet, dass die elektrische Welle, die sich schon vor dem Willensentschluss im Gehirn zeigt, nicht notwendig zu einer Handlung führt. Daraus schloss er, dass unser freier Wille eine bereits angelaufene Handlung durchaus unterbinden kann, wenn sie uns nicht passt. Der Wille wäre danach so etwas wie ein Aufpasser: Das Unterbewusste generiert zahllose Handlungsvorlagen, und unser Wille lässt nur diejenigen durch, die uns als angemessen erscheinen. Deshalb, so Libet, seien auch die Zehn Gebote des Christentums als Verbote formuliert: »Du sollst nicht ...« Demnach wusste schon die Bibel von der Vetomacht des Willens.
Die Schwierigkeiten mit dem Willen reichen noch tiefer: Niemand kann seine Auffassung des Willens beweisen. Die Deterministen nicht, und auch nicht diejenigen, die an den freien Willen glauben. Die Deterministen bringen zwar plausible Argumente, warum der Wille des Menschen unfrei ist, aber wenn es zum Schwur kommt, müssen auch sie passen: Keiner hat je TATSÄCHLICH die Entscheidungen eines x-beliebigen Menschen vorhergesagt. Erst das wäre der Beweis, dass Willensfreiheit nicht existiert. Auch die Befürworter des freien Willens bleiben den Beweis schuldig. Noch nie konnte jemand belegen, dass seine Willensentscheidung frei war – einfach, weil sich noch nie eine Situation exakt wiederholt hat. Im Universum ist jeder Moment einzigartig, und der Glaube, wir könnten uns auch anders entscheiden, ist ebenso unbewiesen wie sein Gegenteil. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Die meisten Hirnforscher, die den Willen erkunden, untersuchen einfachste Wahlentscheidungen. So sollen Versuchspersonen zwischen rechtem und linkem Schalter wählen oder, wie bei Libet, nur den Zeitpunkt bestimmen, zu dem sie eine geplante Handlung ausführen. Zugrunde liegende Idee ist, dass sich komplexe Willenentscheidungen aus vielen solcher kleinen Entscheidungen zusammensetzen. Ob das wirklich so ist, bleibt zweifelhaft. Schwierigere Willensentscheidungen können sich schließlich über Wochen, gar Jahre hinstrecken. Seinen Willen zu verfolgen ist eine unübersichtliche Angelegenheit: »Willen ist eine Konfi guration komplexer psychischer Prozesse, die die Umsetzung einer Absicht auch angesichts von Zielkonflikten, externen Versuchungen oder anderen Schwierigkeiten unterstützen«, erklärt die Psychologin Johanna Hartung von der Universität Düsseldorf. Insbesondere muss das zu verfolgende Ziel von konkurrierenden Handlungen abgeschirmt werden: durch penible Kontrolle der Aufmerksamkeit, der Emotionen und der Motivation. Welche Gehirnprozesse da hineinspielen, ist heute noch nicht zu überblicken. Wie fragil der Wille des Menschen ist, zeigt sich an einem Unfallpatienten aus dem 19. Jahrhundert. Der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage verunglückte am 13. September 1848, als er mit einer Eisenstange eine Sprengladung festklopfen wollte. Der Sprengstoff detonierte vorzeitig, die Eisenstange schoss unter seinem linken Auge in den Kopf, durchstieß den vorderen Teil des Gehirns und durchbrach von unten die Schädeldecke. Dennoch, Gage kam nach wenigen Minuten wieder zu Bewusstsein, überlebte eine 45-minütige Fahrt zum Arzt, genas erstaunlich schnell und behielt anscheinend keine gravierenden Schäden zurück – abgesehen vom zerstörten linken Auge. Erst nach und nach wurde deutlich, dass die Persönlichkeit des Arbeiters durch den Unfall schwer gelitten hatte. Galt er vorher als zuverlässiger und besonnener Kamerad, so erschien er nun wie ausgewechselt: Er entwickelte keine brauchbaren Zukunftspläne, hielt sich nicht an gesellschaftliche Regeln und war nicht länger in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es war, als wäre mit dem Unfall die Basis seiner Willensentscheidungen zerstört worden. Was diese Basis war, begriff der portugiesische Psychiater Antonio R. Damasio, als er einem Patienten mit ganz ähnlichen Symptomen begegnete. »Elliot«, wie er ihn nannte, war an einem Hirntumor erkrankt und hatte von der Operation eine Schädigung des Frontalhirns zurückbehalten – an derselben Stelle, an der auch das Gehirn von Phineas Gage durch die Eisenstange zerstört worden war. Auffallenderweise entwickelte Elliot ganz ähnliche Symptome wie Gage.
War Elliot vorher ein erfolgreicher Geschäftsmann mit stabilem Familienleben, so zerfi el sein Leben nach der Operation. Äußerlich schien es Elliot an nichts zu fehlen: Er besaß einen gesunden Körper, Verstand und Sinnesorgane funktionierten, in Intelligenztests erreichte er nach wie vor die volle Punktzahl. Dennoch fehlte etwas Wesentliches: Er war unfähig, die einfachsten Entscheidungen zu treffen. Morgens schon musste seine Frau ihn aus dem Haus scheuchen; sollte er Unterlagen sortieren, verlor er sich in das Lesen einzelner Schriftstücke, an einfachen Entscheidungen blieb er hängen. Einmal verbrachte er einen ganzen Nachmittag mit der Frage, ob er seine Unterlagen nach Ort oder nach Datum sortieren solle. Bald hatte er seinen Job verloren, kurz darauf zerbrach seine Ehe. Im Gespräch mit dem Patienten fi el Damasio auf, dass Elliot keine Gefühlsregungen zeigte. Elliot selbst berichtete, dass ihn Dinge kaltließen, die ihn früher emotional intensiv berührt hätten. Offensichtlich hat die Fähigkeit, Emotionen zu empfi nden, etwas mit unserer Fähigkeit zu tun, Willensentscheidungen zu fällen. Bei allem, was uns zustößt, erkannte Damasio, speichert unser Körper eine positive oder eine negative Erinnerung ab. Diese gespeicherten Körperreaktionen nannte er »somatische Marker«. Stehen wir vor einer vergleichbaren Entscheidung, ruft unser Körper die gespeicherten Marker ab und gibt uns eine Orientierung, wie die Situation zu bewerten ist – ob wir sie suchen oder meiden sollen. Fällt die Wahrnehmung der somatischen Marker aus, werden wir orientierungslos wie Gage und Elliot. »Emotionen sind kein Luxus«, so Damasio, »sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf.« Das erklärt, warum so viele Menschen gegen ihren erklärten Willen handeln. Auf der Verstandesebene haben sie einen klaren Willen (»Ich will abnehmen«), aber die Marker signalisieren: »Schokolade! Lecker! Supergefühl!« Aus demselben Grunde können sich viele Menschen schlecht von anderen abgrenzen. Die »Abgrenzung« ist negativ besetzt, sie erzeugt ein Gefühl des Alleinseins, des Ausgeschlossenseins. Deshalb ist es kein Wunder, wenn der bewusste Entschluss, sich in Zukunft besser abzugrenzen, fehlschlägt. Es gibt aber Möglichkeiten, die eigene Willensstärke zu verbessern. So lassen sich die Marker, die man aufruft, absichtlich verändern: Konzentriert man sich beim Versuch, sich besser abzugrenzen, nicht auf die emotional negative »Abgrenzung «, sondern auf die positiv besetzte »Freiheit«, die man erreichen möchte, so ist alles viel einfacher. Der Zusammenhang zwischen unserem Willen und den im Körper gespeicherten Erinnerungen ist auch die Grundlage von Meditationstechniken wie Vipassana. Diese 2500 Jahre alte buddhististische Technik geht davon aus, dass menschliches Leiden untrennbar mit dem Wollen verknüpft ist: Wir leiden entweder, weil wir nicht bekommen, was wir wollen, oder weil wir ertragen müssen, was wir verabscheuen. Um das Leiden zu überwinden, so die Lehre, taugt es nicht, am Außen zu arbeiten – denn wenn man das eine Problem überwunden hat, steht gleich das nächste vor der Tür.
Was wirklich hilft, ist zu lernen, wie sich das Wollen manifestiert: als Körpersignal nämlich, als somatischer Marker. Je genauer man diese Signale wahrzunehmen lernt, desto durchsichtiger werden die Entscheidungen, die man fällt. Erfreuliche Dinge rufen nämlich ein sehr angenehmes Körpergefühl hervor, Unerfreuliche ein abstoßendes. Um sich davon zu lösen, trainieren die Vipassana-Schüler, die somatischen Marker wahrzunehmen, ohne auf sie zu reagieren. Nach einiger Zeit der Übung öffnet sich dann der Weg zum befreiten Handeln: Der Übende kommt in die Lage, unabhängig von seinen inneren Markern tätig zu werden. Der Weg zur wirklichen Freiheit des Willens ist offen. Wie diese Freiheit aussehen kann, zeigt das Beispiel eines Mannes, der mit Buddhismus nichts zu tun hatte. Der jüdische Psychiater Viktor Frankl kam durch die Nazis ins KZ. »Dort verlor ich alles«, erinnerte sich Frankl später, »außer der letzten der menschlichen Freiheiten: der Freiheit, unter allen äußeren Bedingungen seinen eigenen Weg auszuwählen.« Frankl wurde seiner Menschenwürde beraubt, gefoltert und musste erleben, wie fast seine ganze Familie in den Gaskammern umkam. Eines Tages, als er nackt und allein in einem Raum war, begriff er, was seine letzte Freiheit war, die ihm auch die Nazis nicht nehmen konnten: Er konnte sich selbst entscheiden, wie sich all das auf ihn auswirken würde. Zwischen dem, was ihm widerfuhr, dem Reiz, und seiner Reaktion darauf lag seine Freiheit! Frankl hatte so etwas wie den Wesenskern des Willens erblickt. Inmitten des Lagerlebens projizierte Frankl sich von nun an in andere Umgebungen. So imaginierte er zum Beispiel, wie er nach seiner Befreiung Studenten unterrichten würde. Geistig versetzte er sich in den Hörsaal und vermittelte ihnen genau jene Lektionen, die er während seiner KZ-Haft gelernt hatte. Schließlich gewann Frankl mehr innere Freiheit als seine Aufseher. Er wurde zu einer Inspiration für die Menschen, selbst für einige der Wärter. Er half anderen, Würde in ihrem Gefangensein zu fi nden. Mitten im Vernichtungslager verwirklichte Frankl einen fundamentalen Grundsatz: Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Willensfreiheit des Menschen. Wir, denen solche Bedingungen zum Glück erspart bleiben, können von ihm eines lernen: Unser Wille ist viel freier, als wir es uns je vorstellen können.
Autor(in): Nicolai Schirawski
Zu dem Herrn Frankl fällt mir jetzt so einiges von C.C. ein
, aber da ich mal wieder keine Zeit habe.....