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von Yagé
@ mojo
Sehe ich übrigens ähnlich. Wenn man einmal in die Versuchung kommt, täglich zu rauchen, geht sehr schnell der Zauber verloren. Man gewöhnt sich an die Wirkung, kann sie besser einschätzen; der Rausch kommt nicht mehr so unerwartet, man weiß, worauf man sich einlässt, weiß, wie man reagiert und kann planen, was man die Zeit über tut.
Die extreme Träge, die man oft am darauffolgenden Tag empfunden hat, relativiert sich weitgehend. Man weiß, damit umzugehen - wird nach einiger Zeit auch etwas aktiver. Aber aus meiner Sicht schränkt ein träglicher Cannabiskonsum schon ein. Mir fallen anstehende Entscheidungen schwerer, ich vertröste mich gelegentlich, nicht regelmäßig, auf den Abend, an dem ich es mir wieder "gemütlich" machen kann.
Außerdem erscheinen abendliche Tätigkeiten wie Lesen, Fernsehen, Musik hören oder Schreiben bedeutend langweiliger ohne Cannabis. So treibt man sich immer wieder in die Versuchung. Auf der anderen Seite sind die Zustände, auch bei täglichem Konsum, sehr angenehm. Wie bereits erwähnt, weiß man, woran man ist. Auch das Verweilen unter anderen Menschen, das Telefonieren oder Reden mit nicht wissenden nüchternen Personen wird zunehmend unproblematisch.
Mir ist dabei aufgefallen, dass ich, sofern ich konsequent bin und mich dazu überwinde, sehr gut auf Cannabis verzichten kann. Erscheinungen einer Sucht habe ich nicht. Nur die unterschwellige Sehnsucht nach gesteigertem Genuss. Nach Nahrung, Musik, Filmen, Serien... oder auch Gesprächen, Gedanken, Geschriebenen...
Auf die Frage, was mir Cannabis gebracht hat, würde ich heute antworten:
Sehr viele wunderschöne Momente, die ich zwar größtenteils vergessen habe, welche mir aber zumindest emotional noch gegenwärtig sind. Ich erinnere mich gerne daran, mit welcher Intensität ich mitunter Natur, Tiere und Menschen gespürt habe; welche Glücksgefühle ich an der Sonne erlebt habe; welch tiefsinnige Gespräche ich darauf führte; wie tief ich in Filme hinein dringen konnte und zu einem nie geahnten Verständnis aufstieg.
Ebenso wie Musik. Wunderschöne, selektive Klänge. Elektronische Musik verwandelt sich im Geiste zu einer Erlebniswelt. Man taucht ein, in die Atmosphäre, in die Tiefe und genießt vollkommen neue, noch nie gehörte Klänge in längst bekannter Musik.
Einsichten habe ich ebenfalls gewonnen. Jedoch erscheint mir das Potential, nachhaltig Dinge zu ändern, sehr gering zu sein. Vielmehr ist es eine Möglichkeit intellektuell zu entspannen - nicht so stumpf wie Alkohol, nicht so anstrengend wie klassische Psychedelika, nicht so verführerisch und suchterregend wie Opioide; sondern von allem Etwas.
Im Nachhinein möchte ich es nicht missen. Aber es hat auch seine Schattenseiten. Diese sind aber im Vergleich zur Verteufelung der Medien, zur angeblichen Gefahr und zu ähnlich, mitunter leichter erhältlichen Drogen, sehr gering. Aus diesem Grund kann ich auch die weite Verbreitung durchaus verstehen und erachte es für mich als bedeutend angenehmer und wertvoller als beispielsweise Alkohol.
Die Realität ist Spiegelbild der Seele; wird nun das Innere verzerrt, so verschieben sich auch die Wesenszüge der Wirklichkeit.