LSD - Der Zerfall aller Ordnung

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Ich werde mal nach und nach meine Tripberichte von 1995 - 2005 rauskramen und posten. Nicht immer sind sie abgeschlossen, wie auch der folgende. Das ich damals sehr begeistert war von LSD, merkt man den Berichten an. Ich will das jetzt nicht weiter kommentieren :)


1996

der zerfall aller ordnung


Dies sollte meine letzte Reise werden. So hatte ich es mir auf jeden Fall vorgenommen (und dabei war es erst der Anfang!!). Irgendwie hatte ich das Gefühl, so ziemlich alles erfahren zu haben, was mir LSD als bewußtseinserweiternde Droge bieten kann. Ich hatte fremde Welten geschaut, Verwandlungen vollzogen, Antworten auf Fragen erhalten. Doch noch einmal wollte ich mit dieser Substanz arbeiten, noch einmal wollte ich abtauchen in die Tiefen des Kosmos und einfach nur sein.

G, K und A sollten an dieser Sitzung teilnehmen. Es war Freitag Nachmittag. Das Haus war präpariert: das Wohnzimmer hatten wir mit Decken ausgelegt, so daß man sich jederzeit auf den Boden legen konnte, die Küche wurde zum Sammelpunkt erklärt –dort hatten wir auch eine Videokamera installiert- und das obere Zimmer stand jedem offen, der sich zurückziehen wollte. Ich hatte eine Kassette mit Musik zum Hochkommen präpariert. Sie fing mit den Beatles an, gefolgt von Jimi Hendrix, Pink Floyd, Portishead und den Doors. Sie dauerte genau eine Stunde und sollte den Anfang erleichtern.

Um kurz nach vier nahmen wir ziemlich aufgeregt jeder einen ¾ Hofmann (1996 – die waren höllisch stark!), die höchste Dosierung, die wir jemals ausprobiert hatten. Das Wohnzimmer war verdunkelt und jeder hatte eine gemütliche Stelle für sich gefunden. Ich lag auf dem Boden zwischen den Boxen. Nach nur zwanzig Minuten merkte ich die ersten Anzeichen einer Veränderung. Die Musik von Jimi Hendrix wurde klarer und räumlicher, schien von überall her zu kommen. Alles um mich rum fing an zu verschwimmen, sich aufzulösen. Doch der Höhepunkt war noch längst nicht erreicht. „Shine on you crazy diamond“ war wunderschön, doch mir fiel auf, daß es nicht mehr so farbig wie bei den letzten Malen war. Vielleicht lag das daran, daß das LSD jetzt schon über ein Jahr alt war. Beim Intro des Liedes kam wieder das Gefühl der Schönheit, der Erhabenheit auf. Die Musik bildete Kristalle im Kopf, Energie durchströmte den Körper. Diese eiskalten, überscharfen Kristalle, die sich Kaleidoskopartig bilden und stetig verändern, sind eines der vielen optischen Erlebnisse, die man am Anfang einer LSD Reise hat. Der Kristall ist äußerst räumlich und ist verbunden mit einem bestimmten Geschmacks- und Gefühlsempfinden. Alle akustischen Reize werden völlig anders als sonst wahrgenommen. Sie erhalten eine neue Bedeutung und sind für die Formgebung der Kristalle mitverantwortlich.

Bei Portishead hatten wir allerdings den Gipfel erreicht, denn G stöhnte, daß er es nicht mehr ertragen könne. Doch wir hörten weiter, litten mit der Sängerin, spürten die Emotionen, die von dieser Musik ausging in all ihrer Vielfalt. Es war gewaltig. Alles fing an miteinander zu verschmelzen. Es machte keinen Unterschied mehr, ob man die Augen geöffnet oder geschlossen hatte. Eine neue Realität war geschaffen, um ein vielfaches Intensiver als die, in der wir sonst lebten. Hören, Sehen, Fühlen, Denken – alles bildete eine universelle Einheit, die ohne Grenzen auskam. Wir konnten nur noch auf dem Boden liegen und mit ausgebreiteten Armen in diesen Strom eintauchen. Doch wir merkten alle, daß dieses Mal viel stärker war als die anderen Sitzungen. Es war zu heftig und wir verfielen in eine Art Panik. Ohne das wir es so richtig gemerkt hatten, hatte sich unser Ich komplett aufgelöst. Zwar hatten wir uns äußerlich nicht verändert, innerlich aber war alles Feste verschwunden, die Übergänge waren fließend. Jeder war Teil eines Ganzen. Alles war eins. Ich war das Haus mit all seinen Gegenständen und seiner Geschichte. Ich war die Zeit, die Musik, ich war alles, alles war ich. Nur das, was ich ursprünglich war, das gab es in seinen festen Grenzen nicht mehr. Und genau das machte mir sehr große Angst. Ich merkte, daß auch die anderen nervös waren.

Bei A war es ganz schlimm, er lief aufgeregt auf und ab und sprach völlig unverständliches Zeug. Gleichzeitig war ihm eine große Hilflosigkeit anzumerken. Auch K konnte ich nicht mehr verstehen, von G ganz zu schweigen. Wir waren vollständig voneinander isoliert. Jeder versuchte sich in seinem eigenen Universum zurechtzufinden. Verzweifelt redeten wir alle gleichzeitig, versuchten uns irgendwie zu verstehen. Doch es gelang nicht! Für kurze Augenblicke gab es so etwas wie eine gemeinsame Ebene, doch das dauerte nur Sekundenbruchteile. Plötzlich hatten wir alle eine gemeinsame Halluzination, doch ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was es genau war. Wir gaben alle Versuche auf, miteinander zu kommunizieren, und A legte eine neue CD ein, was sich als sehr gute Idee herausstellen sollte. Es war ganz langsame elektronische Musik, minimalistisch. Ich lag auf dem Boden und merkte, wie mit der Musik alles reduziert, alles „heruntergefahren“ wurde. Ich konnte sehen, wie in meinem Gehirn Elektronen zwischen den Synapsen hin- und hersprangen. Ich befand mich auf einer tiefen Reise zu den kleinsten atomaren Einheiten. Es war gewaltig. Für eine Ewigkeit gab es nur noch das, meine Umgebung hatte sich aufgelöst, war nicht existent. Ich glaube, es war die tiefste Reise, die ich je unternommen habe. Aber sie war so gewaltig, das ich mich nur an einzelne Bilder erinnern kann. Vielleicht ist das auch gut so.

Irgendwann war die Musik zu Ende, langsam kam jeder wieder zu sich. Doch die Wirkung des LSD hatte um keinen Deut nachgelassen. Also beschlossen wir in die Küche zu gehen. Wir setzten uns an den Tisch, redeten völlig durcheinander, keiner hörte dem anderen zu. Dort schaute ich auch das erste Mal auf eine Uhr – es war erst sechs! Dies brachte mich völlig aus der Fassung, hatte ich doch geglaubt, daß Jahre vergangen waren...

Alles fühlte sich ganz seltsam an, die Haut war überempfindlich, ich presste einen Kronkorken an meine Handfläche, ein Kribbeln wie elektrischer Strom durchfuhr meinen ganzen Körper. Auch die Haut im Gesicht fühlte sich ungewohnt an. Irgendwie war es sehr fröhlich in der Küche, jeder redete für sich alleine. Es war die absolute Isolation und gleichzeitig eine Gemeinschaft. In der Küche war zudem noch eine Videokamera installiert. Wir filmten einige Momente aus der kosmischen Reise. Dies stellte sich als sehr gute Idee heraus, da wir alle der Meinung waren, daß wir uns zwar jetzt in einem immer noch nicht-alltäglichen Zustand befänden, aber wenn wir uns das Band später anschauen würden, würden wir alle relativ normal wirken und das sein, was wir immer sind: A, G, K und ich. Wir definierten also über die Kamera unsere Persönlichkeit. Die Gespräche waren im Allgemeinen weniger tief sondern mehr lustiger Natur. Und das war sehr wichtig, anders hätten wir die immer noch andauernde Panik über unseren Identitätsverlust nicht überspielen können.

Irgendwann hatte ich dann ein etwas längeres Gespräch mit G im Zimmer meines Bruders. Wir unterhielten uns über das eigene Ich und wie es sich definiert. Ist es etwas festes, oder etwas fließendes? Kann man sich daran klammern, oder gibt es keine Sicherheit. Was bedeutet Ich? Diese Fragen konnten wir leider nicht zufriedenstellend lösen, aber wir hatten einen sehr deutlichen Eindruck davon, was eine fließendes Ich bedeutet. Und es erschreckte uns sehr, denn Sicherheit konnte uns diese Erkenntnis in diesem Moment nicht geben. Wir gingen wieder in die Küche und unterhielten uns mit den andern. Irgendwann gelang es mir dann, die anderen davon zu überzeugen, den Doors Film zu sehen, was sich im Nachhinein als ziemlich gute Idee erwies. Ich litt mit Jim Morisson, erfaßte und durchlebte seine Probleme und seinen Wahnsinn gekoppelt mit Genialität. G hatte gegen Ende des Films Tränen in den Augen. Auch er war erschlagen von den emotionalen Eindrücken, die der Film vermittelte. Es war ziemlich anstrengend, sich immer auf den Film zu konzentrieren, da die optischen Veränderungen immer noch sehr ausgeprägt waren und das Bild stetig pulsierte und sich veränderte. Oft konnten wir nicht sagen, ob wir eine Halluzination oder den tatsächlichen Film sahen. Ohne es zu merken erdeten wir uns mit den Doors. Danach ging es uns ausgesprochen gut. Zwar waren wir alle nachdenklich, aber sehr mit unserem augenblicklichen Zustand im Einklang.

Irgendwann hatte ich die Idee, das Pink Floyd Video zu sehen. Da wir uns mitten auf dem Höhepunkt unserer psychedelischen Sitzung befanden, hielt ich es für einen wunderbaren Einfall. Die Optik war wirklich spektakulär: alles verfloß ineinander, Film, Realität, Gedanken und Gefühle. Alles war eins und konnte nicht mehr in seinen Einzelgliedern wahrgenommen werden. Dabei hatte K eine sehr starke Halluzination: ich hatte ihm einmal erzählt, daß bei einem LSD-Erlebnis oft Geschehnisse in Form eines Comics wahrgenommen werden. Als bei dem Pink Floyd Video Computeranimationen gezeigt wurden, dachte K nun, daß dies ihm nur von seinem Gehirn vorgegaukelt wird. Er war also dementsprechend beeindruckt.

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