THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Nachdem ich mittlerweile ausgiebig in den Genuß von Erfahrungsberichten dieser Community gekommen bin, habe ich mich entschlossen auch eine kleine Geschichte beizusteuern. Da ich momentan keine stark psychoaktiven Substanzen konsumiere, ist es eine "alte" Geschichte.


Eine alte Geschichte der Zeit

Es war einmal ein Junge von zarten 15 Jahren, der nach einigen sehr beeindruckenden Erfahrungen mit gerauchtem MaryJuana beschloss, es sei an der Zeit sich ein paar Plätzchen zu backen. Der einbrechende Winter, die grauen Berge und der entlaubte, dunkle Wald malten schon auf der Fahrt in den Nachbarort einen schaurig-wohligen Hintergrund für das bevorstehende Ereignis am warmen Ofen.
Kaum war ich bei meinem Kumpanen eingetroffen, die Plätzchen so liebe- wie gehaltvoll kreiert, standen wir vor einem auf den ersten Blick unlösbaren Problem: Der Ofen war kaputt. Doch nach kurzem Palaver entschieden wir, die Nachbarschaft um Hilfe zu bitten. So zogen wir munter mit einem Tablett voller Hanfkekse durch die Neubausiedlung; und schon beim dritten Versuch war uns das Glück hold: Eine freundlich, mütterliche Dame war geneigt unsere Kekse zu backen, ließ uns jedoch nicht ins Haus. So warteten wir im fahlen Licht des schwindenden Nachmittags auf unser Gebäck. Wohl machten wir uns ein wenig Sorgen, die Frau könnte uns um ein Paar Plätzchen Tribut für ihre Kinder erleichtern, die wir im Wohlzimmer hatten spielen sehen. Doch wir waren frohen Mutes, dass sie unsere, aus professioneller Warte betrachtet, völlig verkrüppelten Keksdinger ( wir fanden sie natürlich ausnahmslos großartig gelungen ) verschmähen würde...und genauso kam es auch.

Zurück im Haus des Freundes machten wir uns sogleich an die Vernichtung der herrlich warmen Freudenbringer...- und wurden grandios enttäuscht. Wir warteten eine Stunde und merkten beide überhaupt nichts; zudem hatten wir unseren gesamten Vorrat verbacken. Doch etwas viel mir auf: Mein Kollege hatte sich an den PC gesetzt, ich lauschte der Musik und sah ihm zu. Als ich mich gerade wieder über mangelnde Effekte beschweren wollte, fiel mein Blick auf die Uhr. Gefühlte 10 Minuten waren vergangen, doch der Zeitanzeiger behauptete, ich säße bereits seit über einer Stunde auf dem Sofa. Es war Zeit zu gehen... Ich begab mich also zurück zum Bahnhof, wo ich die vorletzte Bahn um Haaresbreite verpasste. Nach dem kurze Flash und dem Gedanken: "Ich bin also doch irgendwie druff!", machte mich die kalte Luft schnell wieder völlig klar, gleichzeitig wurde ich müde. Ich setzte mich auf eine Bank in einem Winkel und wartete auf die nächste und letzte Bahn, die in einer halben Stunde fahren sollte.

Doch die Zeit verwandelte sich in eine zähe Masse, von der Konsistenz her vielleicht am ehesten zu vergleichen mit dem Ankh, der durch Morpork fließt. Nach einigen Minuten, die auch Stunden hätte sein können, hörte ich Schritte, sehr nah, so dass ich erwartete im nächsten Augenblick jemanden um die Ecke kommen zu sehen. Doch die Schritte verklangen und es geschah nichts. Aufgrund der Beschaffenheit der Umgebung konnte die Person nur an mir vorbei oder umkehren; und die Schritte kamen auf mich zu und hörten dann auf, ohne sich zu entfernen. War er/sie einfach stehen geblieben? Ich stand auf und sah um die Ecke: Kein Mensch weit und breit. Zurück auf der Bank kam ich zu dem Schluss, halluziniert zu haben. Ich hatte bereits sehr denkwürdige THC-Erfahrungen gemacht, so dass ich den Gedanken akzeptieren konnte, bis auf den feinen Unterschied, dass ich bei früheren Erlebnissen immer völlig breit gewesen war. Diesmal jedoch fühlte ich mich so nüchtern wie nach einer kalten Dusche. Kaum hatte ich entschieden, dass es mir komplett gleichgültig war, weil mir inzwischen dermaßen kalt war, dass ich einfach nur nach Hause wollte, kam plötzlich jemand vorbei. Völlig geräuschlos, bis zu dem Moment wo ich ihn sah - von dem Moment an wo ich ihn erblickt hatte, waren seine Schritte ganz normal zu hören...Schockiert starrte ich dem Mann in seinem langen Wintermantel hinterher. Nach einem kurzen, angstvollen Moment wurde mir wieder bewusst, dass ich zum ersten Mal Haschisch oral konsumiert hatte und wohl doch ordentlich gescheppert war. Als ich sich der Vorgang dann allerdings noch zwei Mal auf identische Art und Weise wiederholte: Schritte, Stille, Nachsehen ohne Ergebniss, Setzen, mit der Halluzination abfinden...und genau in dem Moment des "Ist doch egal" kommt die Person vorbei, ohne akustische Ankündigung; bekam ich dann doch langsam Panik. Ich wollte einfach aufstehen und weglaufen, nach Hause laufen, doch inzwischen waren es tatsächlich nur noch wenige Minuten bis zum Eintreffen der Bahn.

Also stand ich auf, damit ich den Überblick behalten konnte und ich vor einer erneuten Wiederholung bewahrt bliebe. Als der Zug endlich vor mir stand und ich mich ins warme, helle Innere begab, kam die Breitheit wie ein Vorschlaghammer auf mich niedergefahren. Zum Glück befanden sich im ganzen Wagen nur vier weitere Leute, die nicht das geringste Interesse für mich zeigten. Sitzend, gegen das Fenster gelehnt, verfiel ich sofort in Trance. Ich hab keine Ahnung wohin mein Geist wanderte, aber es war weiter weg als jemals zuvor... Plötzlich erinnerte ich mich: Ich saß im Zug! ... langsam begann ich meine Umgebung wahrzunehmen, es war ein bischen, als wäre ich auf diesen Zugsitz teleportiert worden. Nach und nach erkannte ich die Dinge, als die, die sie waren: Polster, Türen, Aschenbecher, etc...Dann sah ich aus dem Fenster und erstarrte: Draußen fuhr der Wald vorbei!
Wie war das möglich? Hatte ich die Abfahrt verpasst? Und wenn ja, wo waren wir ? Oh mein Gott, war ich an meiner Station vorbeigefahren? Dies war der letze Zug...Ich hatte kein Geld und kein Telefon..wie sollte ich nach Hause kommen?

Doch dann bemerkte ich es: Es war vollkommen still und ich spürte keinerlei Geruckel. Wieder blickte ich aus dem Fenster. Draußen war der menschenleere Bahnhof, es hatte angefangen sanft zu schneien. Ein schizophrenes Gefühl spülte über mich hinweg: Riesige Erleichterung, enthusiastische Freude und grenzenlose Verwirrung. Während ich über dieses absurde Erleben nachdachte, schweifte mein Blick durchs Abteil und erneut schrak ich zusammen. Die Ruhe und die Bewegungslosigkeit waren dermaßen absolut...und keiner der anderen Menschen bewegte sich auch nur im geringsten. Ich starrte sie abwechselnd an und wartete und wartete, hoffte mit aller Kraft auf die kleinste Regung: ein Zucken des Armes oder auch nur ein Blinzeln hätte gereicht mich zu erlösen. Doch...Nichts. Die Erkenntnis überrollte mich wie ein gigantischer Felsen:
DIE ZEIT STAND STILL!
Ich musste auf der Stelle irgendetwas unternehmen um nicht völlig wahnsinnig zu werden und beschloss aufzustehen und einen dieser Menschen anzusprechen, zur Not auch zu berühren; und in dem Moment, in dem ich mich erhob, drehte einer der Geisterfahrer ganz sachte den Kopf. Wieder überkam mich dieser unfassbare Gefühlsmix, um eine Komponente reicher als zuvor: Dankbarkeit. Die Zeit lief weiter.............................
Ich ließ mich zurücksinken und der Zug fuhr los: Nach Hause, endlich nach Hause.

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Tau-f-risch hat geschrieben:Wohl machten wir uns ein wenig Sorgen, die Frau könnte uns um ein Paar Plätzchen Tribut für ihre Kinder erleichtern, die wir im Wohlzimmer hatten spielen sehen. Doch wir waren frohen Mutes, dass sie unsere, aus professioneller Warte betrachtet, völlig verkrüppelten Keksdinger ( wir fanden sie natürlich ausnahmslos großartig gelungen ) verschmähen würde...und genauso kam es auch.
:rofl:

Schöne Geschichte. Liest sich wie ein denkwürdiges Erlebnis. ;)


peace


mao
Take pain as a game.

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Ich hatte es geade editiert. ;) Keine Ahnung. :lol: Das ist es ja. Aufjedenfall was 'Behandlungsbedürftiges'.

Schizophren ist aber imho auch das, auf das man diesen Stempel aufdrückt. Und dann ist es das. Vondaher wär ich vorsichtig mit diesem Stempel.

Erzähl einem indianischen Medizinman doch mal, er habe garkeinen Kontakt zu den Ahnen, sondern sei schizophren. Da fragt der dich auch "Schi-Watt??".. :strubbel:

Gruß
Schuh
~ Resting in Peace ~

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Mot dem Stempel wäre ich auch vorsichtig. Aber das Wort schitophren als eine "neutrale" Beschreibung zu verwenden finde ich völlig in Ordnung. Ich denke jeder kennt das Gefühl, sehr intentensiv sich nicht mehr als Einheit zu empfinden, sondern sich aus vielen Fragmenten zusammengesetzt die sich anfühlen wie eine Vielzahl von Persönlichkeiten. Ich fühle mich in solchen Zuständen definitiv nicht behandlungsbedürftig.
"Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, so erschiene dem Menschen alles, wie es ist: unendlich. Denn der Mensch hat sich selbst eingesperrt, so dass er alle Dinge nur durch die engen Ritzen seiner Höhle sieht.“
(William Blake)

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Ich erlebe das Wort "schizophren" nicht als neutral. Das ist imho stark wertend, und negativ konnotiert. :nixplan:

'Fragmentiert' oder whatever ist da weitaus neutraler, imho. (Insofern die Beschreibung einer Sache überhaupt neutral sein kann.)

Wieso also ausgerechnet dieses Wort (und damit die Vorstellung die sich dahinter im allgemeinen verbirgt) wählen, wenn man die Wahl hat?

Gruß
Schuh
~ Resting in Peace ~

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Dr.Schuh hat geschrieben:Wieso also ausgerechnet dieses Wort (und damit die Vorstellung die sich dahinter verbirgt) wählen
Die Frage ist doch vielmehr: Warum denn nicht?
Ich habe ebenfalls keine Berührungsängste; für mich ist dieses Wort auch nicht übermäßig negativ besetzt. :nixplan: Es beschreibt einen Zustand. Oder das, was man dafür hält, in diesem Moment. Nicht mehr und nicht weniger.
Nicht? :)

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Stellt sich die Frage, wer hier schlußendlich denn wirklich stempelt ;)

Vielleicht lehnt sich der Gebrauch des Wortes schizophren hier an die Onomatopoesie an, nur, dass kein Klang nachempfunden oder -gemalt werden soll, sondern ein Gefühl ... vielleicht also Emotionomatopoesie ^^

Der Bericht gefällt mir gut. Du hast eine klare und doch schöne Art zu schreiben und zu formulieren, Tau-f-risch.
My bubble -- my rules

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Um auf Schuh`s Ausgangsfrage zurückzukommen:
Dr.Schuh hat geschrieben:Wozu dieses Etikett?
Im private Chat hat sich für mich erst verstandesmäßig erklärt, warum ich das Wort intuitiv verwendet habe, wobei es nicht als Etikett sondern adjektivisch gebraucht wird btw. ( also nicht um eine "Stempel-Assoziation" hervorzurufen, sondern um Etwas detallierter zu beschreiben): Weil das Gesamtgefühl trotz der eindeutig postiven Bestandteile mies war - und eben sehr zerissen / gespalten.
Vielleicht am anschaulichsten mit dem Gefühl zu vergleichen, dass man hat, wenn man mit fieser Grippe durch die Kante tigert, weil sich gewisse Erledigungen nicht verschieben lassen, in der Bahn nach Hause dann nen Fieber-/ Kreisischub oder ähnliches kriegt: Der Moment in dem dieser dann abebbt. Von der Grundstimmung dieses Gefühl: So "puah krass, bloß schnell heim ins Bett." Dazu dann noch diese extrem psychedelischen Halluzinationen und die Aufspaltung in ganz klar abgegrenzte Emotionskomponeten...also auch nach reiflicher Überlegung fällt mir da jetzt kein besseres Adjektiv für ein. Aber behandlungsbedürftig fühlte ich mich in dem Moment auf keinen Fall - ganz im Gegenteil: Wollte nur meine Ruhe und meine Bettdecke.
anima hat geschrieben:Emotionomatopoesie
- hat was find ich; Onomatopoesie ist eines dieser Wörter, von denen ich mich im Deutschunterricht strikt geweigert habe, sie zu lernen. ;) So kommt es also wieder... :2daumen:

Re: THC Oral - Eine alte Geschichte der Zeit

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Nagut... wenns schizophren™ war, dann wars halt so.
Tau-F-risch hat geschrieben: Aber behandlungsbedürftig fühlte ich mich in dem Moment auf keinen Fall.
Das heißt ja nicht unbedingt was. :fies: :panik: :lol: ;)
anima hat geschrieben:Stellt sich die Frage, wer hier schlußendlich denn wirklich stempelt ;)
;)

*flüster* ..Wer nicht?

Entscheidend ist eben imho eher, wie bewusst man es tut.

Gruß
Schuh
~ Resting in Peace ~

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