[DOBFLY] Soviel Schönheit

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Dieser Trip steht in einer Reihe mit zwei anderen Trips, die ich bereits vor längerer Zeit absolviert habe und die auf interessante Art und Weise inhaltliche Überschneidungen mit dem Erlebten von gestern zeigen:
Der erste Trip ist mein erster LSD-Trip mit 17 gewesen. Dort gab es, neben vielen anderen Szenen, auch eine, in der ich zu Fuß auf weitem Felde an einen Ort gelangen bin, der eine Art Schloß oder sowas enthielt. Dieses Schloß wurde bewacht von einigen Rittern und ähnlichen Kreaturen. Neugierig und jung-naiv, wie ich nun einmal damals unterwegs war, hab ich auf die Wachmannschaft geschissen und wollte trotzdem in's Schloss maschieren. Nun, die Speerspitzen der Bewaffnung der Ritter war ein sehr überzeugendes, sich sogar in physischem Schmerz manifestierende Erfahrung. Ich hab natürlich das alte 'I own my fear so it doesn't own me'-Spiel gespielt, also immer wieder mit Anlauf rein in's Getümmel, aber die Barriere schien an diesem Tag nicht zu überwinden. Ich gab dann irgendwann auf und widmete mich anderen Details des Trips, aber ein stechendes Gefühl im unteren Bauchbereich blieb zurück, auch wenn es nach dem Trip langsam wieder in's Unterbewusste gelangt ist.
Der zweite Trip ist eine Pilz/DXM-Kombo ein Jahr später gewesen. Wieder wandere ich über Hügel und Landschaften, wieder gelange ich an einem Ort, an dem ein Schloss steht und iweder will ich rein. Dieses Mal gibt es keine Wachmannschaft, aber die Tür ist trotzdem gut verschlossen und selbst mit Anlauf ist das Schloss nicht zu knacken. Wieder gebe ich genervt auf und widme mich anderen Dingen.

Der Bromotrip gestern knüpfte nahtlos an dieser Ausgangssituation an. Zwischen den beiden Trips oben habe ich einige Male getrippt und es tauchte die Schlossthematik nicht auf. Zwischen dem Pilz- und dem Bromotrip habe ich sehr oft und intensiv getrippt und die Thematik kam ebenso nicht vor. Mein Setting vor dieser Erfahrung war emotional extrem aufgewühlt und unruhig. ich weiß kein idealer Zeitpunkt für so ein Vorhaben, aber auf der anderen Seite will man ja auch ein bischen mit den inneren Mächten und Zweifeln spielen, also 'when in doubt, double the dose'. :D
Es fing damit an, dass das Bromo bereits nach einer Stunde sehr spürbar einfuhr. Ich behaupte, nach außen hin eine ordentliche Ruhe zu besitzen, aber im inneren war ich ein brodelnder Vulkan. Ich begann, meinem Kollegen auf dem Weg zum nächsten Supermarkt meine halbe Familienstory runterzuerzählen. Völlig frei und enthemmt, als gäbe es nichts böses auf der Welt.
Im Supermarkt viel es mir bereits sehr schwer, noch den Faden zu behalten. Zuviele Eindrücke und Sehnsüchte blubberten in mir herauf, als dass ich mich auf das Einkaufen von Fressalien konzentrieren konnte. Wir wanderten zurück zur Bude von einem Kollegen, wo wir den weiteren Trip verbringen wollten.
Dort angekommen haben wir den Film 2001 reingeschoben und uns auf das Bett gesetzt. Bereits nach kurzer Zeit wurde die Situation sehr anstrengend für mich. Krämpfe und Zuckungen am ganzen Körper. Ich begann, mich zu winden und zu drehen. Mir kam schlagartig der Gedanke, dass ich eventuell die falsche Bromo-Lösung angerührt habe und statt 800uq 8mg konsumiert habe. Vollkommene Angst und Panik. Der Effekt steigerte sich in unerträgliche Höhen und seit der Einnahme waren gerade einmal 3 Stunden vergangen. Ich kannte Bromo; der wesentlich interessante Teil sollte erst in den nächsten 6 Stunden stattfinden.
Innerlich hörte ich ein starkes Rauschen und mein Blickfeld wurde immer wieder von tiefen Vibrationen erschüttert. Wie bei einem Fernseher, der schlechten Empfang hat und wo jemand immer mal wieder auf die Glotze schlägt, damit sich die Situation irgendwie verbessert.
Ich dachte mir, dass kann es jetzt nun wirklich nicht sein. Ich sehnte mich nach etwas Ruhe. Den Krankenwagen rufen, Benzos konsumieren, IRGENDWAS DAMIT DAS AUFHÖRT!

Die visuelle Wahrnehmung in diesem Moment unterscheidete sich nicht im Ansatz von dem einer tiefen dissoziativen Erfahrung. Wenn auf einmal bei geschlossenen Augen überall weißes Licht reinkriselt und man in ebendiesem Licht aufzugehen scheint. Nur empfand ich das als garnicht schön, sondern war erfüllt von Todesangst, die Angst, wahnsinnig zu werden, die Angst, andere Menschen zu verletzen, zu enttäuschen, meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden und so weiter und so fort.
Und das witzige ist: Ich wusste, durch meine bisherigen psychedellischen Erfahrungen, wie unnötig diese Furcht eigentlich war. Aber rationales Wissen nutzt absolut nichts, wenn man nicht auch die Eier hat, den Inhalt angemessen umzusetzen.
Und so saß ich da und kam mir vor wie der letzte Tölpel. Die Geister, die ich beschworen hatte, wollten mich nun nichtmehr loslassen. Ich zog ein bischen N2O, um vielleicht sowas wie einen substanzinduzierten Durchbruch herbeizuführen. Nichts da. Für kurze Zeit waren Angst und Verstörung zwar nicht so präsent wie zuvor, aber es half nichts am Grundproblem.

Ich musste mich fallenlassen. Die krampfende Hand musste sich öffnen. Irgendwie. Ich dachte über Dinge nach, die mich in letzter Zeit wirklich beschäftigten. Auf einmal sah ich, wie sich meine Anima vor mir aufbäumte. Ich wollte ihr Folgen, aber dennoch war Furcht präsent. ich ließ es trotzdem zu. Ihre Gesicht war wohlbekannt. Hinab ging es. Tief in den Strudel menschlicher Existenz. Ich sah undefinierte, erzpsychedellische Bilder. So, wie sie bei 2001 auch gegen Ende zu sehen sind. Es überstieg das typische Fraktalgeschredder und Sterne sehen auf LSD, wie ich es bisher erfahren habe, um Welten.
Es war unfassbar tief und fundamental, eine nicht zu stoppende Macht auf dem Weg in's Zentrum meines Hirns. Ich rauschte noch tiefer hinab. Dunkelheit umgab micht, ich sah zelluläre Ursprungszustände. Zellteilung auf niedrigstem Niveau: Flüssigkeit, Er-Füllung, Auflösung. Leben entsteht, Leben zerfällt. Der Mutterleib, der Fötus, das Sternenkiind. Die Quelle unserer Existenz, das Ende unserer Existenz. Meine Anima: Zwölf verschiedene Körper, alle sternförmig um ihr Gesicht im solaren Zentrum angeordnet. Eine unglaubliche Wärme.
Absolute Schönheit und Erhabenheit um mich herum. Rosen ranken, Blumen öffnen sich, Blüten vergehen wieder. Ein Schloß im Hintergrund, die Tür ist offen.

Soviel Schönheit. Magischer Glanz, intensives Verlangen, absolute Erfahrung. Die Unruhe hat sich aufgelöst, ihr wich ein Gefühl vollkommener Entspannung und innerer Ausgeglichenheit. Ein mulmiges Gefühl der Unsicherheit blieb: Darf ich soviel Schönheit überhaupt ertragen?
Ich sehe wieder die telepathischen Ursprungsnetze der Existenz. Zwischen Menschen. Ich sehe den Menschen, wie er zusammenlebt, wenn alle inneren Vorstellungen über das, was die Realität vielleicht sien könnte, abgebaut sind. Absolute Liebe und Einblick darin, wie die 'Dinge nun einmal sind'. Nichts ist schöner als die Realität. Unendlich.
Energie an allen Ecken und Kanten. Es tropft von der Zimmerdecke, von den Fingern, von den Sternen. Draußen gewittert es extrem. Es regnet. Wir haben das Fenster aufgemacht. Blitze zucken.
Magie. Ich habe reichlich davon beschworen. Mir wird wieder mulmig. Darf ich das?
Nach der 12-Stunden-Marke wurde in 2-Stunden-Schritten noch circa 810mg DXM nachgeworfen. Keine besonder Veränderung des Tripgeschehens festzustellen, nur eine extreme Intensivierung verbunden mit noch mehr Magie und Glanz. Sehr dexuntypisch noch dazu.
Ich glaub, ich bin verliebt. :herzen:

Zur Intensität bleibt zu sagen, dass mir das insgesamt trotz des Durchbruches etwas zuviel des Guten war. Ich kann das Erlebte zwar einigermaßen einordnen und verarbeiten, aber so etwas intensives ist mir wirklch schon lange lange nicht mehr wiederfahren.

Ein beeindruckender Effekt hat sich im Kern der Erfahrung breitgemacht: Ich transzendierte meinen Körper für einen sehr kurzen Moment, sah ihn von oben und habe zeitgleich das Gefühl gehabt, einzuschlafen, ohne das Bewusstsein zu verlieren. So ein bischen wie das bei'm Einschlafen abends im Bett schonmal passieren kann. War nur ein kurzer Moment, aber so etwas habe ich auch noch nicht erlebt.
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"

Re: [DOBFLY] Soviel Schönheit

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"Was sollen wir also wohl gar von dem glauben, dem es zuteil würde, das Schöne selbst, lauter, rein und unvermischt zu erblicken und nicht verunreinigt mit Fleische und Farben und allem übrigen irdischen Tande, sondern der das Göttlichschöne selbst in seiner ureigenen Gestalt zu erschauen vermöchte? Meinst du wohl, sprach sie, daß das Leben eines Menschen gering erscheinen könnte, der dorthin blickt und mit ihm umgeht?"
zitat aus PLATONs symposion...
:pfeif:

Re: [DOBFLY] Soviel Schönheit

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Soviel Schönheit. Magischer Glanz, intensives Verlangen, absolute Erfahrung. Die Unruhe hat sich aufgelöst, ihr wich ein Gefühl vollkommener Entspannung und innerer Ausgeglichenheit. Ein mulmiges Gefühl der Unsicherheit blieb: Darf ich soviel Schönheit überhaupt ertragen?
Faszinierend, sowas hab ich mich auch schon ein paar mal gefragt und war überrascht, welche dämlichen Denkmuster uns prägen. Aufgewachsen in einer Welt, in der man ein Sünder ist, bescheiden und klein leben sollte, um sich nicht auf hohen Flügen die Flügel zu verbrennen und zu fallen.

Sehr schön beschreiben und hoffe, du kannst das erlebteverarbeiten.

:bow:
"Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, so erschiene dem Menschen alles, wie es ist: unendlich. Denn der Mensch hat sich selbst eingesperrt, so dass er alle Dinge nur durch die engen Ritzen seiner Höhle sieht.“
(William Blake)

Re: [DOBFLY] Soviel Schönheit

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Phönix hat geschrieben: Faszinierend, sowas hab ich mich auch schon ein paar mal gefragt und war überrascht, welche dämlichen Denkmuster uns prägen. Aufgewachsen in einer Welt, in der man ein Sünder ist, bescheiden und klein leben sollte, um sich nicht auf hohen Flügen die Flügel zu verbrennen und zu fallen.
Da kommen wohl die Christen in uns durch... Ich kann mir schon denken, warum das so ist, wie das so ist. :D

Sehr schön beschreiben und hoffe, du kannst das erlebteverarbeiten.
Mao hat geschrieben:Toller Tripbericht Raellar.
Ich hoffe du kannst etwas von dieser Erfahrung in den Alltag mitnehmen. :)
Danke euch beiden, die Zeit wird's zeigen wie es um die Integration steht. :)
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"

Re: [DOBFLY] Soviel Schönheit

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Sehr schöner Bericht. :)
raellear hat geschrieben:Ein beeindruckender Effekt hat sich im Kern der Erfahrung breitgemacht: Ich transzendierte meinen Körper für einen sehr kurzen Moment, sah ihn von oben und habe zeitgleich das Gefühl gehabt, einzuschlafen, ohne das Bewusstsein zu verlieren.
Solche Erfahrungen hatte ich in der Pubertät und Anfang der 20er phasenweise recht oft. Dazu kamen bereits erlebte Situationen, die ich von oben unbeteiligt erneut nacherlebt habe, mich selbst als Akteur beobachtet habe. Ihm hier ähnlich:
Bild


;)

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