2CE - eine psychologische Tiefseefahrt

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Heyho,
Hier mal ein Bericht zu dem Trip, den ich letzten Abend erlebt habe. Ist höchst ausführlich geworden. Insgesamt handelt es sich um 15mg 2CE gezogen, was so in etwa die obere Schwelle von dem ist, was ich noch komfortabel erleben kann. Weitere Dosissteigerungen machen die Erfahrung körperlich zwar anstrengender, aber psychisch nicht unbedingt beeindruckender.

Ich ziehe die ersten 8mg um fünf nach neun. Das Zeug fährt gemütlich ein,
um circa zwanzig nach neun deutlicher Effekt beim Schreiben am Computer.
Ich schließe die Augen, weil ich den meditativen Zustand auskosten möchte.
Leichte CEV, dazu ein erhöhtes Vorstellungsvermögen. Sehr hypnotisch.
Ich ziehe weitere 7mg um halb zehn und verziehe mich auf das Sofa.
Dort setze ich meine Isolationskopfhörer auf und höre Marillions »Script For a Jester's Tear«. Meine Wahrnehmung ist bereits stark verändert, die CEV werden immer deutlicher.
»I'm loosing on the swings, I'm loosing on the roundabouts...«
Ein Lied über einen Musikfanatiker, der aus Neugierde seine Beziehung beendet, um zu wissen, wie sich die Leute wohl gefühlt haben müssen, als sie diese Lieder geschrieben haben. Ich erkenne mich plötzlich wieder: Bin ich doch selbst nicht selten der kühle, rationale Weltenbeobachter, der rücksichtslos und agressiv für seinen eigenen Erfahrungsschatz schonmal gerne anderen Leuten emotional über die Füße latscht... :denk:
Ich mache die Musik aus, als das Lied vorrüber ist. Zu überflüssig scheint mir diese Form der Zerstreuung. Ich lasse die Isolationskopfhörer auf und zieh mich tief in die Dunkelheit unter der Decke zurück. Gähnende Leere. Ein bischen banales Morphen und Wabbern bei geschlossenen Augen, etwas Fließen und ziehen bei offenen.
Was soll das? Da passiert nüscht. Das ist erz-langweilig. :nixplan:
Ich probiere es mit etwas Vorstellungskraft: Kleiner Raellear auf einem Fahrrad... Klappt. Tolles Rad. Schöne Fahrradtour durch Wald und Wiesen. Der Himmel ist in buntesten Farben verzerrt. ich sehe genau, wie jedes einzelne Ritzel am Kettenblatt in die Kette greift. Ein Wunderwerk menschlicher Baukunst... die perfekte Maschine. Wie einfach, aber doch hochkomplex.
Das Bild verschwindet wieder. Ich probiere es mit weniger spezifischer Vorstellung, da ich mich nicht durch Gedanken ablenken lassen möchte. Ich fange bei einfachen Mustern und geometrischen Formen an. Ist soweit ganz nett, erfordert aber auch viel geistige Arbeit und Anstrengung.
Auf einmal kommt völlig unerwartet ein weißes Pferd von unglaublicher Kraft und Stärke in das Bild galoppiert. :krass:
Quasi deus ex machina. Ich kenn das Pferd, war nicht das erste Mal, dass es mich aus Sinnkrisen der nutzlosen Langeweile mit purer Kraft gerausgezogen hat; ein beständiger Begleiter meiner früheren DXM-Erfahrungen, eigentlich todgeglaubt und zumindest lange nicht mehr gesehen. Ich setze mich auf's Pferd und ziehe los, in allerbester Furchur-unendliche-Geschichte-Manier. Das Vieh kann natürlich fliegen. Und so fliegen wir über Stock und Stein und ich krieg das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht. Ja da simmer dabei, datt is priiimaaa! :jepi:
Der Flug wird nach 10 Minuten auch zunehmend langweiliger, da mir selbst mir Pferd und unheimlich viel Kraft der Sinn dahinter nicht klarer wird. Also denk ich mir vielleicht reicht die Kraft ja, um mein Weib mit auf den Gaul zu packen... :idee:
Scheitert nach allen Regeln der Kunst. Jeglicher Versuch, sie auf das Pferd zu bekommen endet in fehlenden Gliedmaßen bei ihr. Der Gaul hat da auch absolut keinen Nerv drauf. Also steig ich wieder auf und fliege weiter, auch wenn ich mehr als traurig bin über das Ergebnis... Ich will nicht allein fliegen. :nene:
Und so fliege ich, und auf einmal taucht neben mir ein ebensogroßes schwarze Pferd mit meiner Lieben drauf auf. Wow. So läuft der Hase, das ist ja mal eine ganz andere Betrachtungsweise des ganzen Prinzips. :D
(Es folgt eine Sequenz höchster animalischer sexueller Ecstase, auf die ich nicht tiefer eingehen möchte :irre: )
Das Bild bleibt für circa 30 Minuten bestehen, dann verfliegt es langsam.
Es folgt ein weiteres Bild von ebenso beeindruckender Durchschlagsstärke:
Zwei Bäume stehen dicht beieinander. Die Wurzeln sind getrennt, aber die Stämme sind ineinander verdreht. Von dem ineinander verdrehtem Stamm aus bildet sich eine riesige Krone, die zu gleichen Teilen aus Ästen beider Bäume besteht.
Ich kann den Baum in Größe und Komplexität beliebig variieren lassen.

Ich entscheide mich, mal wieder etwas Musik aufzulegen. Dieses Mal Grobschnitts »Rockpommel's Land«. Ein absoluter Klassiker der psychedellischen Szene. In der Geschichte geht es grob um einen zehnjährigen Jungen, der auf dem Rücken eines Marabus die Welt erkundet. Und so erkunden wir auf unseren Pferden (die mittlerweile zu Tauben mutiert sind, weil die besser fliegen können) »Rockpommel's Land«.
Ich sehe ein großes Meer vor mir. Ich erinnere mich an C.G. Jungs Wassermetapher und werfe mich von der Taube in die tosenden Fluten, um mal etwas von der Kraft des Unterbewussten zu erfahren. Bilder aus tiefster Kindheit dringen hoch.
Frühe Kindheitserinnerungen von hoher Intensität. Allesamt emotional sehr stark besetzt, aber kein ´Dreck' dabei. Ich suche nach dunklen Stellen, nach schlecht ausgeleuchteten Ecken. Aber mir will nichts fieses einfallen. Nur Erfahrungen und Erinnerungen, die mich zu dem gemacht haben, was ich nun bin. Sie sind das Wurzelwerk des Baumes... Die Platte ist zuende, ich lege Pink Floyds Wish you Where Here auf. Wundervoller Sound für den langsam ausklingenden Trip.
Nach dieser Scheibe noch Peter Gabriels Up gehört, was mit seiner intensiven und extremen Atmosphäre den Trip nochmal eine unerwartete Intensität verlieh. Bilder des Garten Edens, des Todes, der Geburt, des Paradises und der großen, wundervollen Zukunft dringen zu mir durch. eine sehr biblische Bildsprache, was mich als eigentlichen Nichtchristen etwas überraschte. Hier spiegelt sich wohl meine evangelische Früherziehung wieder. ;)
Schließlich schaue ich noch Casino (ein toller Film. Hat, wie die meisten Scorsese-Produktionen auch eine sehr sehr religiöse Bildsprache!) und schlafe schließlich gegen halb Drei friedlich ein.

Fazit: Sehr sehr sehr anstrengende Erfahrung, aber unwarscheinlich wertvoll. Die Deutung fällt mir ziemlich einfach (vorallem, nachdem ich noch einmal heute morgen Jungs Archetypen studiert habe, ergibt es ziemlich einwandfrei Sinn):
1. Das weiße Pferd vermag meine psychische, physische, übergeordnete Energiequelle sein. Durchaus rational und maskulin motiviert... Unheimlich kraftvoll, durchschaubar, simpel.
2. Das schwarze Pferd ist die Animakomponente. Leidenschaftlich, unberechenbar, ewig präsent, oft versteckt. Die Vereinigung beider Energieflüße ist die zentrale Aufgabe meiner Existenz, that's for sure.
3. Dualität. So wie man 2 Energieflüße hat, so wird man ewig auch zwischen zwei Polen hin und herwandern. Da ist dieser Baum, der in sich verzwirbelt aus zwei Elementen ein starkes neues entstehen lässt. Verschiedene Wurzeln, gemeinsame Krone.
4. Liebe ist so ein Prozess, bei dem doch das Geben das zentrale Element sein sollte. Es geht nicht um das, was man bekommt, sondern um das, was man weitergeben kann... Sehr reinigende Erkenntnis, weil ich jahrelang genau das Gegenteil gelebt habe.
5. Religion ist garnichts schlechtes, Spiritualität kann man auch atheistisch leben. Die Bibel ist eigentlich ein ziemlich cooles Buch. Gibt dem ratlosen Wanderer doch irgendwie eine Art Landkarte, mit der man sich in dieser Welt nach tollen Idealen einen Weg suchen kann.
Nicht mein Fall, aber ich werde mich hüten, je wieder so etwas wie spirituelle Arroganz gegen Anderspraktizierende zu üben.
6. Fantasie rockt! Es geht nicht darum, was jetzt wirklch am Ende des Regenbogens liegt, sondern darum, was man denkt, was da sein könnte. Und wenn es nur in der Vorstellung existiert, so existiert es ja dennoch. Die Dinge sind nur so magisch, wie man sie selbst empfindet.
Deswegen gibt es abschließend noch ein Bild vom Marabu und dem kleinen Jungen (in ihm habe ich doch meine eigene Kindheit wiederentdeckt :)):
Bild


Wenn noch jemand Ergänzungen und Verbesserungsvorschläge hat, immer her damit. :)
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"

Re: 2CE - eine psychologische Tiefseefahrt

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Vielen Dank für diesen sehr schönen Tripbericht. :2daumen: Macht weiterhin den Eindruck einer sehr gelungenen Interpretation der Erfahrung!
raellear hat geschrieben:
4. Liebe ist so ein Prozess, bei dem doch das Geben das zentrale Element sein sollte. Es geht nicht um das, was man bekommt, sondern um das, was man weitergeben kann... Sehr reinigende Erkenntnis, weil ich jahrelang genau das Gegenteil gelebt habe.
5. Religion ist garnichts schlechtes, Spiritualität kann man auch atheistisch leben. Die Bibel ist eigentlich ein ziemlich cooles Buch. Gibt dem ratlosen Wanderer doch irgendwie eine Art Landkarte, mit der man sich in dieser Welt nach tollen Idealen einen Weg suchen kann.
Nicht mein Fall, aber ich werde mich hüten, je wieder so etwas wie spirituelle Arroganz gegen Anderspraktizierende zu üben.
6. Fantasie rockt! Es geht nicht darum, was jetzt wirklch am Ende des Regenbogens liegt, sondern darum, was man denkt, was da sein könnte. Und wenn es nur in der Vorstellung existiert, so existiert es ja dennoch. Die Dinge sind nur so magisch, wie man sie selbst empfindet.
Vor allem diese drei Einsichten sind wunderbar. :herzen:
happiness is the absence of resistance

Re: 2CE - eine psychologische Tiefseefahrt

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Sehr schön. Danke.
Solche wunderbaren Berichten freuen mich und zeigen mir immer wieder, welch tiefe Einsichten Menschen diesen Erfahrungen zu verdanken haben.

Viele Grße,
Phönix
"Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, so erschiene dem Menschen alles, wie es ist: unendlich. Denn der Mensch hat sich selbst eingesperrt, so dass er alle Dinge nur durch die engen Ritzen seiner Höhle sieht.“
(William Blake)

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