Was nützt die Liebe in Gedanken

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Hier mal ein kleiner Filmtipp, imho verdient der einen extra Thread...

"Was nützt die Liebe in Gedanken" beschreibt nur einige wenige Tage im Leben von einigen Jugendlichen im Berlin der späten 20er. Paul und Günther sind gute Freunde, Pauli ist Autor, er schreibt in erster Linie Gedichte, Günther ist homosexuell, beide haben reiche Eltern, die aber so gut wie nie da sind.

Beide gründen einen Selbstmordclub, sie streifen mal wieder durch die Felder und reden über alles mögliche, ihnen kommt der Gedanke man könne nur einmal im Leben seiner wahren Liebe begegnen, udn nur dann könne man einmal wirklich glücklich sein, das Schicksal jedes Menschen sei es dann, diesem einen Moment nachzutrauern, aber niemehr zu erreichen, wenn die Liebe weg währe, gäbe es nichts was zu leben lohnt. Beide Gründen den Club mit der Absicht, sich umzubringen wenn es jemals soweit kommen sollte, das sie keine Liebe mehr empfinden würden, und keine Hoffnung mehr darauf hätten. Überhaupt seie die Liebe so schreiben sie auf, der einzige gute Grund zu sterben, oder eben, wenn es keine Liebe mehr gäbe.

günther ist verliebt in Hans. Hans hat allerdings eine affäre mit Günthers Schwester Hilde. Günther hofft nun hilde mit Paul anbandeln lassen zu können.

Dies gelingt auch, Paul verliebt sich in Hilde, doch sie will sich nicht binden. Sie ist generell eine Frau die ein völlig anderes Bild von Liebe hat als Paul, sie bleibt also weiter die Geliebte von Hans und flirtet mit vielen anderen Männern.

Alle Handlungsstränge fließen dann auf einer großen Party zusammen.

Der Film ist deswegen so "psychedelisch" weil ich nie einen Film gesehen habe der mich so mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle genommen hat. Von der ersten Szene an (die ist wirklich brilliant und fesselt einen sofort für den Film) versprüht der Film eine Melancholie die unglaublich ist. Das verbitterte Gesicht von Tobias Brühl, befragt über einen Abschiedsbrief direkt am Anfang von einem Polizisten, die verachtung in seiner Stimme und die mutlose verzweiflung in seinem Blick wenn er nur Antwortet: "Sie verstehen nichts")

Für mich eine ganz wichtige szene am Anfang, an der glaube ich schon die Leute sortiert werden in begeisterte, und total gelangweilte Zuschauer. der Film polarisiert nach meinen Erfahrungen in genau diese zwei Gruppen. Wer sich in die beiden Hauptcharaktere versetzen kann, in ihre andersartigkeit, ihre bedingungslose Leidenschaft für das Dasein, in ihre melancholie, in ihre abgeschiedenheit, jemand der Brühl in diesem Augenblick nichts von irgendwelchen "geständnissen" erzälen würde, jemand der "versteht", der findet hier eine wunderbare Charakterstudie über das Thema Selbstmord, Liebe, Suche nach echtem, großem, nach Leben. Wer das jedoch nicht kann, wer den film aus den Augen des Polizisten sieht, der hier erstmal eine große Schuld sieht und sich kümmern will das alles wieder "in Ordnung" kommt,wird enttäuscht, und wird kaum etwas anderes finden als einen zutiefst langweiligen, irgendwie melancholischen Film der viel zu wenig Text bietet...

Das ganze wird in unglaubliche Bilder verpackt, die beiden Freunde verkörpern diese leidenschaft und liebe zum Leben zweier Leute die unbedingt neue Erfahrungen suchen, verbunden mit totaler melancholie und lebensverneinung, permanent haben sie eine Waffe bei sich, treiben damit Späße, deuten an sie würden sich erschießen, um dann zu grinsen wenn der Schlagbolzen auf die doch leere Kammer trifft. Beide sind von der Gesellschaftsmoral doch in starkem Maße befreit, einem Schaffner der kurz davor ist sie beim schwarzfahren zu erwischen, zeigen sie die Waffe um ihn von der Kontrolle abzuhalten. Beide verkörpern auch die negative seite des Weges der "freien Geister", beide Wirken der normalen Welt völlig entrückt, sie sind schon so weit vom "normal" entfernt, das sie schon wieder halbwegs normal wirken können, wenn sie lust darauf haben.

Ich musste bei dem Film sehr oft an Camus denken, was er über den Selbstmord schrieb, bei den meisten Menschen ist es keine rationale Entscheidung, getroffen aus groll gegen das LEben an sich (Cioran, Autor von so Büchern wie: "Vom Nachteil geboren zu sein" hat sich nicht umgebracht, udn Schopenhauer predigte seine Weltverneinung von der gut gedeckten Tafel aus), nein es muss irgendwas dazukommen, irgendeine auslöser der das Fass zum überlaufen bringt, sensible Charaktere die dann an soetwas wie einer enttäuschten Liebe zugrunde gehen können. Auch hier erkennt man, das es keine teenager sind, die sich wegen irgendeiner liebelei umbringen, sondern man erkennt zwei verzweifelt suchende, für die die Liebe und die Sinnliche Hingabe an das Leben, wohl schlicht der letzte Rettungsanker zu sein scheinen, der letzte Versuch doch einen PLatz für sich zu finden. Der Film versetzt einen in eine ungeheuer existenzielle Stimmung, das Kierkegaardsche "ins Leben geworfen" steht hier permanent im Raum, beide wirken stets wirr, unstet, verloren, ins Leben geworfen ohne jemals darum gebeten zu haben und ohne eine gebrauchsanweisung mitbekommen zu haben.

Die Athmosphäre ist jedennfalls unschlagbar, der Film hat mich wahrlich Sprachlos zurückgelassen, ich habe ihn mir dann nochmal angeschaut, ließ mich jeden Moment in dem ich mich jemals gedanklich mit dem selbstmord auseinandergesetzt habe neu durchleben, naja das liegt hinter mir, aber genau jene Rolle ist auch dem irgendwie limitierten Daniel Brühl wie auf den Leib geschneidert, ich habe den Film zu erste mit einigen anderen Leuten gesehen, wir haben danach erstmal ne viertelstunde nur geschwiegen und dann kam s zu ganz zaghaften langsamen ruhigen Diskussionen über das Thema Selbstmord, Liebe usw. usf.

Der film ist wirklich wahnsinnig anregend und löst unheimlich viel in einem aus, ich denke mehr als jeder andere Film den ich bisher gesehen habe.

Klare Kaufempfehlung.

http://www.amazon.de/Was-n%C3%BCtzt-die ... 275&sr=8-1
„Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!“

Re: Was nützt die Liebe in Gedanken

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Ein großer Film mit einem großen Daniel Brühl; ich mag ihn seit "Das weiße Rauschen" (http://de.wikipedia.org/wiki/Das_weisse_Rauschen) (kennt vermutlich jeder hier). Damals war ich sehr beeindruckt von ihm und kaufen musste ich die DVD auch umgehend. Danach kam dann sowas wie "Goodbye Lenin" (http://de.wikipedia.org/wiki/Good_Bye,_Lenin!), den ich als relativ schwach empfand, aber glücklicherweise auch "Ein Freund von mir" (http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Freund_von_mir). Äh, nuja, Thema verfehlt. :pfeif:

Mich hat der Film auch sehr gefesselt, aber ich glaube, dass es gerade bei dieser Art Film ziemlich drauf ankommt, in welcher Stimmung er einen erwischt. Das Besondere ist aber sicherlich, dass er auf einer wahren Begebenheit beruht. Achja, ein Film, den ich ähnlich beeindruckend fand (obgleich er auch eine etwas andere Thematik beinhaltete, aber ebenfalls auf einer wahren Geschichte beruht): Heavenly Creatures. Mit einer sehr tollen und ganz jungen Kate Winslet.


[Sieht was unschick aus, aber lässt sich wohl nicht (mehr) anders gestalten...]
Zuletzt geändert von Aitsch_Gee am 27. Juli 2009, 21:55, insgesamt 1-mal geändert.

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