Alan Watts

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Ein Englischer Religionsphilosoph, http://en.wikipedia.org/wiki/Alan_Watts aufgrund seiner geschiedenen Ehe, als evanglischer Priester den Zen-Buddhismus vermehrt ausübend.
Bekannte sich später mit dem Werk 'Kosmologie der Freude' zu dem tiefgreifenden Nutzen psychedelischer Drogen, durch seine Beschreibung des Erlebens auf einen gut geschärften Intellekt. Er beschreibt als selbstständiges erleben in der Natur, des Denkens und seiner eigenen Beschreibungen aus Büchern des Zen, und gibt an, dass Psychedelia Mittel für Künstler, Denker und für die Wissenschaft sind.

Ich schätze seinen Taoismus und sein Wu-Wei, und lese gerade über den Geist des Zen, der er heute/siebzigern in der Flasche ist, was es ist und was wir davon haben.
Der Text ist eine LSD Rückblende, Das letzte Kapitel von 'Dies ist ES - Über Zen und spirituelle Erfahrung'
Sein erster Experiment war 1950 und das Buch erschien und nach eigener Angabe, geschrieben in einer kreativen Phase, 1967.

Außer nach dem Stein des Weisen, der einfachen Metall in Gold verwandeln sollte, suchte man in Europa als auch in Asien seit undenklichen Zeiten nach dem Elixier der Unsterblichkeit. Gefangen in leichtgläubigem Enthusiasmus starb so mancher chinesische Kaiser an den legendären, von Tao-Priestern zusammengekochten Präparaten aus pulversisiertem Jade, Tee, Ginseng und Edelmetallen. Aber genauso wie der Versuch, Blei in Gold zu verwandeln, in vielen Fällen ein chemischer Symbolismus für die geistige Verwandlung des Menschen an sich war. So war die Immortalität, die das Elixier verleihen sollte, nicht immer das buchstäbliche ewige Leben, sondern eher die Überführung des Bewusstseins in einen Zustand jenseits von Zeit. Moderne Wissenschaftler haen das Problem der Verwandlung von Blei in Gold gelöst, auch wenn der Prozess um einiges kostspieliger ist, als das Gold aus der erde zu graben. In den letzten Jahren ist es der modernen Chemie jedoch gelungen, ein, zwei Substanzen herzustellen, welche beanspruchen können, in einigen Fällen Bewusstseinszustände hervorzurufen, die kosmischem Bewusstsein in bemerkenswerter Weise ähnlich sind.
Viele Menschen werden von solchen Behauptungen tief aufgewühlt. Zum einen scheint mystische Erfahrung, wenn sie einfach aus der Flasche kommt, insgesamt zu leicht erlangbar und liegt damit in Reichweite für Leute, die nichts dazu getan haben, sie sich zu verdienen, die weder gefastet noch gebetet, noch Yoga praktiziert haben. Zum anderen scheint diese Behauptung zu implizieren, dass geistige Einsicht letzten Endes nichts weiter ist als eine Angelegenheit des chemischen Systems im eigenen Körper, die eine völlige Reduziereung des Geistigen aufs Materielle nach sich zieht. Dies sind ernsthafte Erwägungen, selbst wenn man überzeugt sein mag, dass man auf lange Sicht das Problem von „Geistigem“ und „Materiellem“ als in der semantischen Konfusion liegend finden wird.
Man sollte jedoch hervorheben, dass es in dem Gedanken, geistie Einsicht sei eine unverdiente Gabe göttlicher Gnade, häufig durch solch materielle oder sakramentale Mittel wie Taufwasser oder Brot oder Wein bei einer Messe gewährt, nichts Neues und Entwürigendes gibt. Der Priester, der kraft seines Amtes Brot und Wein in den Körper und das Blut Jesu verwandelt, ex opere operato, indem er nichts weiter tut, als die magische Formel des Letzen Abendmahls zu wiederholen, befindet sich in einer Situation, die der des Wissenschaftlers, der durch Wiederholung der richtigen chemischen Formel eines Experiments eine Umwandlung im Gehirn hervorrufen kann, nihct fundamental verschieden ist. Der relative Wert dieser beiden Vorgänge sollte nach ihren Wirkungen beurteilt werden. Es hat stets Menschen gegeben, bei denen die Sakramente der Taufe und Kommunion nicht zu „funktionieren“ schienen, deren Leben unverändert verderbt blieb. Desgleichen ist keine dieser bewußtseinsverändernden Substanzen in buchstäblichem Sinne mystische Erfahrung aus der Flasche. Viele derjendigen, die sie so erfahren, erleben lediglich ekstatische Momente, ohne irgendwelche Erkenntnis, oder gerade eine unliebsame Konfusion von sinnlich Wahrgenommenem und Eingebildetem. Bewusstseinszustände, die mystischer Erfahrung verwandt sind, entstehen nur bei gewissen einzelnen Personen und hängen dann noch einer beträchtlichen Konzentration und einer Anstrengung ab, das Bewusstsein in dieser oder jener Weise zu steuern und zu benutzen. Hier ist es ebenfalls von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, dass Ekstase lediglich ein Nebenprodukt der authentischen mystischen Erfahrung ist, eine Begeliterscheinung deren Essenz am besten als Erkenntnis beschrieben werden mag, in dem Sinne, wie dieser Begriff heutzutage inn der Psychiatrie verwendet wird.
Von einer derartigen chemischen Substanz könnte man vielleicht sagen, sie sei genauso ein Hilfsmittel für die sinnliche Wahrnehmung wie das Teleskop, das Mikroskop oder das Spektroskop, außer dass das Instrument in diesem Fall kein externes Objekt, sondern ein innerer Zustand des Nervensystems ist.

Alle diese Instrumente sind gleichermaßen zwecklos, ohne dass ein gewisses Training an ihnen vollführt wurde, ohne ausreichende Vorbereitung, nicht nur in Handhabung, sondern auch was das spezielle Forschungsgebiet betrifft.
Diese Überlegungen allein reichen beinhae schon aus, um zu zeigen, dass der Gebrauch obengenannter Substanzen eine geistige Erkenntnis nicght auf eine bloße Angelegenheit körperlicher Chemie reduziert. Doch sollte hinzugefügt werden, dass selbst wenn wir gewisse Ereignisse mit chemischen Formeln beschreiben können, dies gerade nicht bedeutet, diese Vorkommnisse seien rein chemischer Art. Die chemische Beschreibung geistiger Erfahrung hat nicht mehr Sinn und ist ebenso begrenzt wie etwa die chemische Beschreibung eines wertvollen Gemäldes. Es ist so einfach, eine chemische Analyse der Farben herzustellen, und für Künstler und Museumsleute gleichermaßen gibt es Grund genug, das auch zu tun. Es mag sogar im Bereich des Möglichen liegen, eine chemische Formulierung aller Vorgänge zu erarbeiten, die in einem Künstler während der Arbeit auftreten, ihn entscheidend beeinflussen. Das wäre aber unglaublich kompliziert, und genauso gut könnte man dieselben Vorgänge in einer anderen als der chemischen Sprache weitaus genauer beschreiben und weiter vermitteln. Am besten sollten wir u ns darauf einigen, dass ein bestimmter Vorgang nur dann chemisch ist, wenn die chemische Formel das beste Mittel darstellt, ihn zu beschreiben. Analog dazu schaffen einige, als Psychedelika bekannte chemische Substanzen in ähnlicher Weise die Voraussetzung für mystische Erkenntnisse, wie sie gut bereitet Farben und Pinsel für herausragende Gemälde, ein sorgfältig konstruiertes Piano für gute Musik schaffen. Sie machen es einfacher, aber sie vollbringen das Werk natürlich nicht von selbst.
Zwei der Substanzen, die am geeignetsten sind, einen veränderten Bewusstseinszustand herbeizuführen, der mystischer Erfahrung förderlich ist, sind Meskalin un Lysergsäurediäthylamid (LSD). Ersteres ist eine synthetische Formulierung der aktiven Bestandteile des Peyote-Katkus, letzteres eine rein synthetische Substanz aus der Indol-Gruppe, welche ihrer Wirkungen bei selbst so winzigen Mengen wie 25 Mikrogramm zeigt. Die spezifischen Wirkungen dieser Substanzen lassen sich nur schwer mit ausreichender Klarheit bestimmen,und, soweit bis heute bekannt, scheinen sie durch Herabsetzen jener Hemmungsmechanismen zu operieren, welche normalerweise eine Art Auslesefilter unseres Bewußtseins darstellen. Gewisse Psychiater, die überängstlich der von der Gesellschaft anerkannten Wahrnehmung der Realität anhängen – mehr oder weniger einer Welt anhängen, wie sie sich an einem trüben Montagmorgen darbietet, an dem es regnet -, stufen diese Substanzen als Halluzinogene ein, die toxische Effekte schizoiden oder psychotischen Charakters erzeugen. Ich fürchte, das ist reines Geschwafel: eine Art autoritäres Gedröhn der Missbilligung. Keine der beiden Substanzen ist suchterzeugend wie Heroin oder Opium, und es konnte niemals nachgewiesen werden, dass sie irgendwann schädliche Effekte erzeugten, es sei denn, die Experimentatoren waren von vornherein irgendwie ernsthaft gestört. Es heißt von einer falschen Voraussetzung ausgehen, die jene Substanzen hervorgerufenen Veränderungen des Bewußtseins als Halluzinationen zu bezeichnen, denn manche der ungewöhnlichen Dinge, die man fühlt und sieht, mögen nicht unwirklicher sein als die ungewohnten Formen, die man durch ein Mikoskop wahrnehmen kann. Wir wissen es nicht. Es bedeutet ebenso von einer falschen Voraussetzung ausgehen, bezeichnet man ihre Wirkung als toxisch, was giftig heißen mag, es sei denn, das Wort darf auch im Zusammenhang mit der Wirkung von Vitaminen und Proteinen verwendet werden. Eine solche Sprache ist abschätzend, nicht in irgendeinem wissenschaftlichen Sinn beschreibend.
Vor etwas mehr als zwei Jahren (1958) wurde ich von einer psychiatrischen Forschungsgruppe gebeten, 100 Mikrogramm LSD einzunehmen, um herauszufinden ob es etwas Vergleichbares mit mystischer Erfahrung produzieren würde. Ich lehnte ab, und soweit ich mich erinnern kann, lag der Grund darin, dass ich bis dahin noch nicht gelernt hatte, wie ich unter Einfluß von LSD meine Untersuchungen anstellen sollte. Statt dessen schien es, als sei meinen Sinnen ein kaleidoskopischer Charakter übergezogen worden (und dies ist nichts als eine Metapher), welcher die ganze Welt in hinreißender Weise verkomplizierte, als wäre ich ein Teil einer vieldimensionaler Arabeske. Die Farben wurden so lebendig, dass Blumen , Blätter und Gewebe von innen beleuchtet schienen, Die Zugallsmuster von Grashalmen schienen derart ausgesucht arrangiert zu sein, ohne jedoch eine Verzerrung der Sehkraft zu verursachen. Tinten- oder sumi-Malerei chinesischer und japanischer Künstler erscheinen bald wie eine dreidimensionale Fotografie, und alles, was gewöhnlich als irrelevante Details in Sprache, Verhalten und Erscheinungsform abgetan wird, scheint auf undefinierbare Weise höchst bedeutngsgeladen. Mit geschlossenen Augen Musik zu hören, bedeutete eine einzigartige Wahrnehmung von Mustern aus tanzenden Juwelen, wirbelnden Mosaiken, aus dem Flechtwerk gotischer Fenster und abstrakten Bildern. An einem Punkt schein alles außergewöhnlich heiter und belustigend, vor allem die Gesten und Bewegungen der Leute, die ihren alltäglichen Geschäften nachgingen. Ganz normale Bemerkungen schienen mit Doppel- und Vierfachbedeutungen widerzuhallen, und das Rollenspiel derjenigen um mich herum ließ sich nicht nur ungewöhnlich rasch entdecken, sondern implizierte darüber hinaus verborgene Verhaltensformen, die den offenkundigen Absichten entweder zuwiderliefen oder sie ergänzten. Kurz gesagt, der auslesende oder auswählende Apparat unserer normalen interpretativen Abwägung von Erfahrung war teilweise ausgeschaltet, mit dem Resultat, dass ich wahrscheinlich die Empfindung von Bedeutung oder tieferem Sinn auf ungefähr alles projizierte. Das ganze Experiment war äußerst unterhaltsam und interessant, aber nicht annähernd so wie jede mystische Erfahrung, die ich vorher gemacht hatte.
Es verging ein ganzes Jahr, bis ich wieder einmal LSD probierte, diesmal auf die Anfrage eines anderen Forscherteams hin. Von da an wiederholte ich das Experiment fünfmal, mit Dosierungen, die von 75 bis 100 Mikrogramm reichten. Mein Eindruck ist, dass solche Experimente tiefgehend und in dem Maße lohnend sind, dass ich das Äußerste tue, um Veränderungen, was die Wahrnehmung und das Auswahltreffen angeht, so deutlich und ausführlich wie möglich zu beschreiben, normalerweise mit Hilfe eines Tonbandgerätes. Eine Stück-umStück-Beschreibung jedes einzelnen Experiments zu geben, könnte klinisch interessant sein, was mich aber hier interessiert, ist eine philosophische Diskussion einiger der Höhepunkte und der wiederkehrenden Themen meiner Erfahrungen. Die Psychiatrie ist sich noch nicht schlüssig geworden, ob LSD im Rahmen einer Therapie nutzbringend sein könnte oder nicht; ich selbst neige zu diesem Zeitpunkt dazu, dass die hauptsächliche Anwendung von LSD nur sekundär von therapeutischem Nutzen sein wird und primär als ein Hilfsmittel für den kreativen Künstler, Denker oder Wissenschaftler. Nebenbei sollte ich bemerken, dass die menschliche und natürliche Umgebung, in der diese Experimente durchgeführt werden, von größter Wichtigkeit ist, und dass von der Benutzung von LSD in Krankenhäusern, mit Gruppen von Ärzten, die klinische Fragen auf die Versuchsperson loslassen, aufs lebhafteste abgeraten werden muss. Der überwachende Arzt sollte eine menschliche Haltung an den Tag legen und jegliches defensive Dramatisieren wissenschaftlicher Objektivität und medizinischer Autorität fallenlassen und das Experiment in einer Umgebung natürlicher oder künstlerischer Schönheit durchführen.
Ich sagte vorher, dass mein erstes Experiment den allgemeinen Eindruck hinterließ, dass der „Mechanismus“, mit dem wir unsere Sinnes-Daten filtern, um dann nur einige davon als wesentlich auszuwählen, teilweise ausgeschaltet worden war. In der Folge spürte ich, dass jenes besondere Gefühl, welches wir mit „dem Bedeutungsvollen“ assoziieren, unterschiedslos auf alles projiziert wurde und dann auf eine Art und Weise rationalisiert, die auf einem unabhängigen Beobachter höchst lächerlich wirken musste – es sei denn, dass die Versuchsperson vielleicht ungewöhnlich clever beim Rationalisieren wäre. Der Philosoph jedoch kann nicht daran vorbeigehen, dass unsere Auswahl einiger Sinnes-Daten als bedeutungsvoll und andere als bedeutungslos, stets im Zusammenhang mit besonderen Absichten steht – mit der Absicht zu überleben, mit der Suche nach bestimmten Vergünstige, nach einem Ziel oder was sonst es immer sein mag. Aber bei jedem Experiment mit LSD war einer der ersten Effekte, die wahrnehmen konnte, eine tiefe Entspannung, verbunden mit der Aufgabe irgendwelcher Absichten und Ziele, welches mich an das Tao-Spirchwort erinnert, dass „wenn Absticht benutzt wurde, um Absichtslosigkeit zu erreichen, wurde die Sache schon begriffen“. Anders gesagt, ich fühlte mich mit aller verfügbaren Zeit ausgestattet, frei, um mich zu blicken, als lebte ich in der Ewigkeit, ohne auch nur ein einziges Problem lösen zu müssen. Und gerade aus diesem Grund kamen mir zu Zeit des Experiments die geschäftigen und zielgerichteteten Handlungen der anderen so komisch vor, wurde es doch augenfällig, dass, in dem sie sich Ziele setzen, welche immer in der Zeit liegen, im „Morgen, welches niemals kommen wird“, ihnen der kick des Lebendig-Seins völlig abging.
Wenn nun die Auswahl unserer Sinnes-Eindrücke, unserer Sinnes-Daten bezüglich eines bestimmten Vorhabens nicht organisiert ist, müssen sämtliche Details der sichtbaren Welt gleichermaßen bedeutungsvoll oder bedeutungslos erscheinen. Logisch genug sind dies zwei Wege, um dasselbe auszudrücken, aber das überwiegende Gefühl meiner LSD-Erfahrungen ist, dass alle Aspekte der Welt eher bedeutungsvoll denn bedeutungslos werden. Das heißt nicht, dass sie Bedeutung erlangen im Sinne von Zeichen, weil sie auf etwas anderes hinweisen, sondern dass alle Dinge entscheidende Dinge zu sein scheinen. Ihre bloße Existenz, oder besser ihre derzeitige Gestalt, scheint perfekt zu sein, etwas zu Ende Geführtes oder eine Erfüllung, ohne die geringste Notwendigkeit einer Rechtfertigung. Blumen blühen nicht, um Samen zu produzieren, noch keimen Samen, um Blumen hervorzubringen. Jede Phase des Vorgans – Samenkorn, Keim, Knospe, Blume, Frucht – mag als das Ziel angesehen werden. Ein Huhn ist die eine Möglichkeit des Eis, weitere Eier zu produzieren. In unserer normalen Erfahrungswelt findet etwas ähnliches in Musik und Tanz statt, wo das Wesentliche in jedem einzelnen Moment ihres Sich-Entfaltens liegt und nicht bloß im zeitlich Ablauf der Aufführung.
Eine solche Übersetzung alltäglicher Erfahrung in etwas, was in seiner Natur mit Musik gleichgesetzt werden kann, stand jeweils am Anfang und gab den vorherrschenden Unterton bei allen meinen Experimenten an. LSD schaltet den selektiven Prozess aber nicht durch einfaches Stecker-aus-der-Dose-Ziehen aus; genauer gesagt zeigt es die Relativität unserer gewöhnlichen Bewertung von Sinnes-Daten damit auf, dass es andere Bewertungen vorschlägt. LSD offeriert dem Verstand, seine sensorischen Eindrücke in neuen Mustern zu organisieren. Während meines zweiten Experiments stellte ich beispielsweise fest, dass alle sich wiederholenden Formen – Blätter an einem Stiel, Bücher im Regal, Fensterkreuze – mir die Wahrnehmung des Doppel- oder gar Vielfachsehens vermittelten, als seien die zweiten, dritten und vierten Blätter am Stiel Spiegelungen der ersten Blätter. Als ich das erwähnte, streckte der überwachende Artz einen Finger in die Höhe, um herauszufinden ob ich ihn doppelt sah. Einen Augenblick schien es auch so zu sein, plötzlich wurde mir aber bewusst, dass das zweite Bild aus einem feinen Streifen Zigarrenrauch stand, welcher an seinem Finger vorüberzog, und auf den mein Bewusstsein Glanzpunkt und Umriss eines zweiten Fingers projiziert hatte. Als ich mich dann auf diese Wahrnehmung des Verdoppelns oder Wiederholens von Bildern konzentrierte, schien es plötzlich so, als bestünde das ganze Blickfeld aus einer transparenten Flüssigkeit in konzentrischen Kreisen, als hätte man einen Stein in einen Teich geworfen. Die normalen Bilder der Dinge, die mich umgaben, wurden durch dieses Muster nicht verzerrt. Sie blieben so, wie sie immer waren, aber meine Aufmerksamkeit richtete sich auf Glanzpunkte, Linien und Schatten, die in das Muster, die Struktur passten und ließ andere, die nicht hineinpassten, in relative Bedeutungslosigkeit sinken. Sobald ich dieser Projektion jedoch gewahr wurde, schien es, als hätte jemand eine ganze Hand voll Kieselsteine in den optischen Raum geworfen und die Oberfläche mit konzentrischen Kreisen gekräuselt, die sich in allen Richtungen überschnitten, so dass jeder sichtbare Punkt in einem Schnittpunkt von Kreisen lag. Das optische Feld schien tatsächlich eine gekörnte Struktur zu haben wie ein zur Reproduktion auf eine Leinwand geworfenes Foto, nur dass die Anordnung des Korns nicht gradlinig, sondern kreisförmig war. Auf diese Weise passte jedes Detail genau ins Muster, und das Sehfeld wurde, wie ein Gemälde von Seurat, pointilliert.
Diese Empfindung des Wahrnehmung war eine ganze Reihe von Fragen auf. Projizierte mein Verstand in gebieterischer Weise seine eigene geometrische Struktur auf die Welt, „halluzinierte“ er eine Struktur in Dingen, welche eigentlich gar nicht vorhanden ist? Oder ist das, was wir die „wahre“ Struktur der Dinge nennen, einfach eine angelernte Projektion oder Halluzination, in die wir uns gemeinsam teilen? Oder wurde ich mir des tatsächlich vorhandenen Korns der Stäbchen und Zäpfchen in meiner Netzhaut bewusst, da selbst eine Halluzination irgendeine greifbare Basis im Nervensystem haben muss? Bei einer anderen Gelegenheit betrachtete ich eine Handvoll Sand aus allernächster Nähe, und als mir klar wurde, dass ich meinen Blick nicht vollkommen scharf einstellen konnte, nahm ich jedes Detail wahr, jede Artikulation meiner Augen, wie sie das Bild zerfaserten – und dies war gewiss die Wahrnehmung eines einzelnen Sandkorns oder eine Verzerrung in den Augen selbst.
Der allgemeine Eindruck, den diese optischen Wahrnehmungen hinterlassen, ist der, dass die Augen, ohne das normale Blickfeld zu verlieren, scheinbar zu Mikroskopen geworden sind, und dass die Struktur des Sehfelds unendlich reich und komplex ist. Ich weiß nicht, ob dies ein tatsächliches Bewusstsein von der Vielzahl der Nervenenden in der Netzhaut ist, oder schließlich in den Fingern, da dasselbe körnige Gefühl vom Tastsinn übernommen wurde. Der Effekt aber, dies sei so oder könne so sein, ist gleichermaßen das Zurück-Lenken der Sinne auf sich selbst und somit das Realisieren, dass das Die-Außenwelt-Sehen auch das Die-Augen-Sehen ist. Mit anderen Worten, mir wurde die Tatsache bewusst, dass das, was ich in der Außenwelt als Formen, Farben und Strukturen bezeichne, auch Zustände meines eigenen Nervensystems darstellen, das heißt meiner selbst. Kenne ich sie, kenne ich mich auch selbst. Das Seltsame an dieser offensichtlichen Wahrnehmung mei9ner eigenen Sinne war, dass es mir nicht so vorkam, als inspizierte ich von außen, aus einer gewissen Distanz, als seien sie Objekte. Ich kann nur sagen, dass das Bewusstsein um Korn oder Struktur in den Sinne das Bewusstsein von Bewusstsein zu sein schien. Daraus folgte, dass die Distanz oder Trennung zwischen mir und meinen Sinnen auf der einen und die Außenwelt auf der anderen Seite sich aufzuheben schien. Ich war nicht länger der für sich stehende Beobachter, der kleine Mann im Kopf, der Wahrnehmungen erlebte. Ich war Wahrnehmungen, und das in einem Maß, dass von mir, dem betrachtenden Ego, nichts übriggeblieben war außer den langen Ketten aufeinander folgender Wahrnehmungen, die passierten – nicht mir, sondern einfach passierten – Augenblick um Augenblick, eine nach der anderen.
Zu den Wahrnehmungen werden, im Gegensatz zum Sie-Erleben, löst den erstaunlichen Eindruck von Freisein,m von Entspannt sein aus. Denn es impliziert, dass Erfahrung nicht irgend etwas ist, in welchem man gefangen ist oder durch das man umgeschubst wird, oder gegen das man sich kämpferisch zur Wehr setzen muss. Die traditionelle Dualität von Subjekt und Objekt, Wissendem und Gewusstem, Fühlendem und Gefühltem, wird in eine Polarität umgewandelt: Der Wissende und das Gewusste werden die Pole, Bezeichnungen oder Phasen eines einzelnen Ereignisses, welches passiert, nicht mir oder aus mir heraus, sondern von allein. Der erfahrende und die Erfahrung werden zu einem einzelnen, sich stets verändernden, sich selbst umformenden Prozess, komplett und in jedem Moment erfüllt von seinem Sich-Entfalten und von einer unendlichen Komplexität und Finesse. Es ist nicht, wie das Betrachten zu sein, sondern wie eine spiralförmig emporsteigende Arabeske aus Rauchmustern in der Luft zu sein, Tinte in Wasser getropft zu sein oder eine sich tanzend wiegende Schlange zu sein, die sich mit allen Körperteilen gleichzeitig zu bewegen scheint. Dies mag auch eine durch „Drogen herbeigeführte Halluzination“ sein, es korrespondiert jedenfalls genau mit dem, was Dewey und Bentley die ausführende Beziehung zwischen dem Organismus und seiner Umgebung nannten. Das bedeutet, all unser Handeln, all unsere Erfahrungen entstehen wechselseitig aus dem Organismus und aus der Umgebung zu gleicher Zeit. Die Sonne lässt die Augen Licht sehen, aber die Sonne ist auch Licht, weil es Augen gibt. Unter der Hypnose sozialer Konditionierung fühlen wir uns von den Dingen unserer physikalischen Umgebung normalerweise deutlich getrennt, eher betrachten wir sie, als dass wir uns ihnen zugehörig fühlen. Dennoch ignorieren wir, filtern wir auf diese Weise die Physikalische Tatsache unserer völligen gegenseitigen Abhängigkeit mit der Natur aus. Wir sind aber so in sie eingebaut wie unsere Zellen und Moleküle in uns eingebaut, eingeschlossen sind. Unsere Missachtung und Unterdrückung dieser Wechselbeziehung weist all jenen neuen Wissenschaften, wie der Ökologie, eine besonders dringende Aufgabe zu, nämlich sich mit dem Zusammenspiel von Organismen und deren Umgebung zu befassen und uns vor unkundigem Eingreifen ins Gleichgewicht der Natur zu warnen.
Die Wahrnehmung, dass Ereignisse sich ganz von selbst zutragen und dass nichts sie sich zutragen macht und dass sie nichts und niemandem passieren, ist jedes mal ein Hauptmerkmal meiner Experimente mit LSD gewesen. Es kann sein dass LSD mir einfach eine lebendige Realisation meiner eigenen Philosophie vor Augen führte, obwohl es Momente gab, wo die Erfahrung eine Modifikation meines bisherigen Denkens suggerierte.* (Ich habe verschiedentlich darauf hingewiesen, etwa in „The Way of Zen“, dass die „reale Welt“ eher kompakt denn abstrakt ist, und das folglich die begrifflichen Ordnungsstrukturen, die Muster der Kategorisieerung und der Logi, welche der menschliche Geist auf die Natur projiziert, irgendwie weniger real sind. Bei verschiedenen Gelegenheiten aber suggerierte LSD eine fundamentale Identität von wahrgenommenen und begrifflichen Gegenständen, von Konkretem und Absraktem. Schließlich sind unsere Gehirne und die in ihnen vorgegebenen Muster selbst Bauteile des konkreten, physikalischen Universums, und somit sind unsere Abstraktionen genauso Formen der Natur wie die Struktur von Kristallen oder der systematische Aufbau von Farnen.)
Aber ebenso wie die Wahrnehmung der Polarität von Subjekt und Objekt durch die transaktionale Philosophie von Dewey und Bentley bestätigt wird, ist die Wahrnehmung der Ereignisse, die sich „von selbst“ zutragen oder passieren, so wie man erwartet, eine wahrzunehmen, die gänzlich aus ununterbrochen ablaufenden Prozessen besteht. Nun ist die Wissenschaftssprache in zunehmendem Maße eine Sprache von Prozessen – mehr eine Beschreibung von Ereignissen, Beziehungen, Wirkungen und Formen als eine Beschreibung von Dingen und Substanzen. Die so beschriebene Welt ist eher eine Welt von Aktionen als von Agierenden, eher von Verben als von Substantiven, die sich gegen die landläufige Anschauung richtet, dass eine Aktion, eine Handlung, das Verhalten irgendeines Dinges ist, ein festes Gebilde aus „Zeug“. Aber die landläufige Anschauung, Aktion sei stets das Wirken eines Agierenden, ist so tief verwurzelt, so eng mit unserem Gefühl für Ordnung und Sicherheit verknüpft, dass eine dem entgegengesetzte Weltschau ernsthafte Verwirrung stiften kann. Ohne sichtbar Agierende scheint es, als kämen Aktionen von irgendwoher , als wären sie unabhängig von jedem Ursprung, und auf den ersten Blick kann diese Spontanität alarmieren wirken. Während eines Experiments kam es mir vor, als gäbe, jedes mal wenn ich versuchte meinen (metaphorischen) Fuß auf festen Boden zu setzen, der Boden nach und als stürze ich in leeren Raum. Ich konnte keinen substantiellen Ausgangspunkt finden, von dem aus ich etwas hätte unternehmen können: mein Wille glich einer Laune, und meine Vergangenheit, als eine kausal konditionierte Kraft, hatte sich in dünne Luft aufgelöst. Es gab nichts als die gegenwärtige Anordnung der Ereignisse, die sich abspulten. Eine Zeitlang fühlte ich mich in einer unendlichen Leere verloren, verängstigt, durch und durch verunsichert. Jedoch gewähnte ich mich allmählich an dieses Gefühl, so sonderbar es auch war. Da war einfach ein Muster aus Aktion, aus Vorgängen, und dies war im selben Augenblick das Universum und ich selbst, und außerhalb war nichts, weder Vertrauen noch Misstrauen. Und der Gedanke eines Sich-selbst-Vertrauens oder -Misstrauens schien völlig bedeutungslos, genauso wie es keine Möglichkeit gibt, dass ein Finger seine eigene Fingerkuppe berührt.
Denkt man darüber nach, so scheint es nicht unsinnig, die Welt aus dieser Sicht zu betrachten. Der Agierende, der hinter der Aktion Stehende, ist selbst Aktion. Wenn man sagen kann, eine Matte mattet, dann kann man ebenfalls sagen, eine Katze katzt. Wir müssen dabei gar nicht fragen, wer oder was „katzt“, wie wir auch nicht fragen müssen, was der Grundstoff, die Grundsubstanz ist, aus der die Welt geformt ist – denn es gibt keine Möglichkeit, diese Substanz zu beschreiben, außer in Hinsicht auf Form, Struktur, Ordnung und Wirkung. Die Welt ist nicht geformt, als sei sie ein Klumpen Lehm gewesen, die sich den gestaltenden Händen eines Töpfers überließ; die Welt ist Form, oder besser, Formung, da es sich bei genauerem Hinsehen erweist, dass jede Substanz ein eng gewirktes Muster ist, eine eng gewirkte Struktur. Die fixe Idee, dass jedes Muster, jede Form aus einem Grundstoff bestehen muss, welcher in sich selbst formlos ist, basiert auf einer oberflächlichen Analogie zwischen natürlicher Formung und Manufaktur, als wären Sterne und Gestein aus etwas gemacht, wie ein Tischler Möbel aus Holz macht. Folglich ist das, was wir als Agierende hinter einer Aktion sehen, ganz einfach der frühere oder relativ konstante Zustand derselben Aktion: Wenn ein Mann rennt, so haben wir ein „Mannen-Rennen“ im Gegensatz zu einfachem „Mannen“. Darüber hinaus ist es nichts als eine schwerfällige Bequemlichkeit zu sagen, gegenwärtige Ereignisse seien durch vergangene Ereignisse verursacht oder in Bewegung gesetzt worden, da wir, genauso genommen, über frühere und spätere Phasen derselben Ereignisse sprechen. Wir können Regelmäßigkeiten von Rhythmus und Muster im Ablauf eines Ereignisses festlegen und damit zukünftige Anordnungen vorhersagen, aber früheren Phasen eines Ereignisses „pushen“ seine gegenwärtigen oder zukünftigen Phasen nicht, als seien sie eine Reihe von auf den Kopf gestellten Dominosteinen, die, stößt man den ersten Stein um, nacheinander alle umkippen. Die umgefallenen Dominosteine liegen, wohin sie gefallen sind, aber vergangene Ereignisse verlieren sich in der Gegenwart, was nur eine weitere Möglichkeit bietet zu sagen, die Welt sei eine sich selbst-bewegende Struktur, der man, erinnert man sich an sukzessiven zustände, eine bestimmte Ordnung nachweisen kann. Ihre Bewegung, ihre Energie sind jetzt Resultate aus sich selbst und nicht aus der Befangenheit, die hinter ihr in die Gefilde der Erinnerung fallen, wie das Kielwasser sich von einem Schiff entfernt.
Fragen wir nach dem „Warum“ dieser sich bewegenden Struktur, versuchen wir die Frage gewöhnlich in Hinsicht auf ihren ursprünglichen, in der Vergangenheit liegenden Impuls oder in Hinsicht auf ihr in der Zukunft liegendes Ziel zu beantworten. Mir war seit langer Zeit klargeworden, dass wenn es in jedem Sinn, in jedem Gefühl einen Grund für die Existenz der Welt gibt, es in der Gegenwart gesucht werden muss, wie man die Ursache für das Kielwasser eines Schiffes in der Maschine suchen muss. Ich habe bereits erwähnt, dass LSD mein Bewusstsein besonderem Maße auf den musikalischen oder tänzerischen Charakter der Welt hinweist, indem es meine Aufmerksamkeit auf ihr gegenwärtiges Dahintreiben lenkt und darauf, das als endgültigen Grund oder als endgültige Absicht zu sehen. Doch konnte ich auch sehen, dass die Gegenwart aus ihrem Inneren aufsteigt und das mit einer Energie, welche um vieles größer ist als simpler Überschwang.
Eines dieser Experimente wurde spät in der Nacht durchgeführt. Etwa fünf oder sechs Stunden nach Beginn musste der überwachende Arzt nach Hause, und ich blieb allein im Garten. Diese Phase des Experiments ist für mich immer die gewinnbringendste, was Erkenntnis oder Einsichten angeht, dann, wenn einige der ungewöhnlicheren, bizarren Wahrnehmungs-Effekte vorüber sind. Der Garten bestand aus einem von Büschen und hohen Bäumen – Pinien und Eukalyptus – umgrenzten Rasenstück; auf der einen Seite stand das Haus, dessen Lampen den Garten in helles Licht tauchten. Als ich auf dem Rasen stand, fiel mir auf, dass die rauen Stellen, dort wo der Grasbewuchs spärlich, zertreten oder von Unkraut durchsetzt war, nicht länger als Schönheitsfehler störten. Zufällig verstreut über die Rasenfläche, schienen diese Stellen ein geordnetes Muster zu bilden, und verliehen dem Ganzen die Struktur von samtenem Damast, die rauen Stellen bildeten dabei die Teile, wo die samtene Oberfläche abgeschnitten war. Aus reiner Freude begann ich auf diesem Zauberteppich zu tanzen, und durch die dünnen Sohlen meiner Mokassins konnte ich spüren, wie der Boden unter meinen Füßen lebendig wurde, mich mit der Erde, den Bäumen und dem Himmel in einer Weise verband, dass ich mit allem, was mich umgab, eins zu werden schien.
Indem ich aufblickte, sah ich, dass die Sterne in dasselbe Rot, Grün und Blau getaucht waren, welches man in irisierendem Glas sehen kann, und über sie hinweg zog ein einzelner Lichtpunkt, ein Düsenflugzeug, das es unendlich viel Zeit kostete, über den Himmel zu streichen. Gleichzeitig erschienen Bäume, Büsche und Blumen wie lebendige Edelsteine, von innen heraus beleuchtet wie komplizierteste Strukturen aus Jade, Alabaster oder Korallen, und doch atmeten sie, trieben sie mit demselben Leben dahin wie ich. Jede Pflanze wurde zu einer Art musikalischer Äußerung, einem Spiel von Variationen über ein Thema das sich von den Hauptästen durch die Zweige und Triebe, in die Blätter, die Adern der Blätter bis in das feine Kapillarsystem zwischen den Blattadern wiederholte. Jeder neue Ausbruch von Wachstum in jedem beliebigen Punkt wiederholte und verstärkte das ursprüngliche Muster mit zunehmender Komplexität und Wonne, am Ende in einer Blüte triumphierend.
Nach meiner Beschreibung wird es aussehen, als hätte der Garten eine exotische Atmosphäre besessen, wie die Edelsteingärten in den Arabischen Nächten oder wie Szenen aus persischen Miniaturen. Dies fesselte mich zu jener Zeit, und ich begann mich zu fragen, warum uns die leuchtend artikulierten Landschaften jener Miniaturen wie auch viele der chinesischen und japanischen Landschaftsbilder exotisch vorkommen. Hielten diese Künstler das fest, was sie unter dem Einfluss von Drogen gesehen hatten? Ich war über das Leben und die Techniken fernöstlicher Maler aber ausreichend informiert, um dies zu bezweifeln. Ich fragte mich auch, ob das, was ich sah, „unter dem Einfluss von Drogen stand“. Mit anderen Worten: bestand die Wirkung von LSD auf mein Nervensystem in dem zusätzlichen Einbau eines chemischen Filters, der alles, was meine Sinne wahrnehmen konnten, in eine übernatürliche Lieblichkeit verzerrte? Oder bestand der ganze Effekt von LSD eher darin, gewisse Hemmungen meines Verstandes, meiner Sinne abzubauen und mich in die Lage zu versetzen, Dinge so zu sehen, wie sie uns erscheinen würden, wären wir nicht chronisch unterdrückt? Über die exakte neurologische Wirkung von LSD ist wenig bekannt, was man aber weiß, suggeriert letztere Möglichkeit. Wenn das so ist, ist es möglich dass unsere Kunstformen aus anderen Kulturen exotisch vorkommen – das heißt ungewöhnlich bezaubernd -, weil wir die Welt mit den Augen des Künstlers sehen, dessen Unterdrücktsein anders geartet ist als das unsere. Die geistige Blockierung, die ihre Weltsicht beeinflusst, mag nicht mit der unsrigen einhergehen, so dass wir in ihren Darstellungen des Lebens Gefilde sehen, die wir normalerweise ignorieren. Ich neige zu einer Lösung in diese Richtung, habe ich doch Zeiten erlebt, da ich die Welt ohne das Zutun von LSD aus solch einem magischen Blickwinkel heraus betrachten konnte, und es waren Momente, in denen ich mich innerlich vollkommen entspannt fühlten, in denen alle meine Sinne den Umweltweinflüssen offen und ungeschützt preisgegeben waren.
Indem ich wahrnahm – nicht, dass ich unter dem Einfluss einer Droge stand, sondern mich ungewöhnlich tief der Realität öffnen konnte, versuchte ich die Bedeutung, den inneren Charakter der tanzenden Strukturen zu ergründen, die mich, den Garten und die nächtliche Himmelskuppel mit den leuchtenden Sternen ausmachten. Völlig unvermittelt eröffnete sich mir, dass das Ganze ein Liebesspiel war, in dem Liebe alles heißen konnte, was das Wort Liebe an Bedeutungen umfasst, vom Rot erfrischender Wonnen, über das Grün menschlicher Zuneigung, bis zum Violett göttlicher Barmherzigkeit, von Freuds Libido bis hin zu Dantes „Liebe, die die Sonne und andere Sterne bewegt“. Es gab so viele Farben, die alle von einem einzelnen weißen Licht ausgingen und noch mehr, diese einzelnen Lichtquelle war nicht nur Liebe, wie wir sie für gewöhnlich begreifen: es war auch Intelligenz, nicht nur Eros und Agape, sondern auch Logos. Ich konnte erkennen, dass der komplizierte Aufbau der Pflanzen wie auch meines eigenen Nervensystems, gleich Symphonien sich verästelnder Komplexität, nicht bloß Manifestationen von Intelligenz waren – als sei Intelligenz und Liebe in sich selbst Substanz und formlose Kraft. Es war eher so, dass die Struktur in sich Intelligenz ist, Liebe ist, und dies irgendwie trotz all ihrer äußerlich stupiden und grausamen Verzerrungen.
Es gibt wahrscheinlich keine Möglichkeit, solche Einsichten objektiv zu verifizieren. Diese Welt bedeutet für den Liebe, der sie liebevoll behandelt, selbst wenn sie ihn quält und zerstört, und auf Bewusstseinsebene, auf denen es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Ego und er Welt gibt, können Leiden nicht als böswillige Absicht empfunden werden, die einem von jemandem aufgezwungen wird. In demselben logischen Licht gesehen mag es scheinen, dass es ohne die Trennung zwischen dem Selbst und anderen gar keine Liebe geben kann. Dies könnte zutreffen, wenn Individualität und Universalität formal sich ausschließende Gegensätze wären, das heißt, wenn die Untrennbarkeit vom Selbst und anderen bedeutete, dass jede individuelle Differenzierung unwirklich wäre. Aber bei einer zentralistischen oder nicht dualistischen Sicht der Welt, die ich beschrieben habe, verhält es sich nicht so. Individuelle Unterschiede drücken Einheit aus, wie Äste, Blätter und Blüten derselben Pflanze; wie die Liebe zwischen den einzelnen Teilen für die Vergegenwärtigung ihrer grundsätzlichen Abhängigkeit voneinander steht.
Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, LSD in Zuständen großen physischen oder seelischen Schmerzes einzusetzen, und deshalb mögen meine Erkundungen um das Problem des Unangenehmen unter dem Einfluss von LSD etwas oberflächlich erscheinen. Ein einz9iges Mal geschah es, dass ich während einem der Experimente in einem akuten Angstzustand geriet, aber mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen LSD höchst alarmierende und unangenehme psychische Zustände ausgelöst hat. Mehr als einmal habe ich auf LSD solche Zustände herbeizuführen versucht, indem ich Bilder betrachtetet, die einem durchaus Gänsehaut über den Rücken jagen können – die Fresswerkzeuge von Spinnen und Insekten oder die Widerhaken und Stacheln giftiger Fische. Doch weckten die Bilder eher meinen Sinn für Schönheit, für Begeisterung, denn unsere normale Projektion von Böswilligkeit auf diese Kreaturen war vollständig ausgeblendet, so weit, dass ihre Zerstörungswerkzeuge nicht bedrohender aussahen als die blitzenden Zähne einer hübschen Frau. Bei einer anderen Gelegenheit betrachtete ich eine ganz Zeitlang Van Eycks „Das jüngste Gericht“, welches bestimmt eines der abscheulichsten Produkte menschlicher Phantasie darstellt. Die Höllenszene wird von der Figur des Todes beherrscht, eines Skeletts, unter dessen fledermausartigen Flügeln sich eine kreischende Ansammlung von Menschen windet, an denen Schlangen nagen, die sie, wie Würmer in einem Apfel, durchdringen. Eine der seltsamsten Wirkungen von LSD besteht darin, dass es stillen Bildern die Illusion von Bewegung verleiht, dass in diesem Fall etwa Leben in das Bild kam, und die ganzen ineinander verschlungenen Körperteile und die Schlangen sich vor meinen Augen zu winden und zu krümmen begannen.* (Mit Hilfe eine Seeigelskellets fand ich später die Ursache dieser Wirkung heraus. All die kleinen purpurnen Teilchen des Skeletts, die sich heraus wölbten, schienen sich zu winden, und nicht nur vor meinen Augen, sondern auch unter meinen Fingern. Als ich auf dieses Phänomen näher einging, fand ich heraus, dass mein Augen, in dem Moment, wo sie über die Oberfläche des Seeigels schweiften, die Intensität der Farbgebung zu verändern schienen – eine Intensität, die je nach Schattenbildung zu- oder abnahm. Blieben die Augen unbewegt auf eine Stelle gerichtet, änderte sich nichts. Bewegung oder scheinbare Bewegung der Schatten schienen nun das Objekt, welches den Schatten wirft – in diesem Fall die Wölbungen auf dem Seeigelskelett-, in Bewegung zu versetzen. Auf dem Van-Eyck-Gemälde gab es eine ähnliche Veränderung, ein Heller- und ein Dunklerwerden der Schatten, die der Künstler gemalt hatte, woraus dieselbe Illusion von Bewegung resultierte.)

Unter normalen Bedingungen würde einem solch ein Anblick unheimlich vorkommen, jetzt aber widmete ich ihm mein ganzes intensives, vor einem Rätsel stehendes Interesse, bis mir der Gedanke kam, „Demon est deus inversus – der Teufel ist die Umkehrung von Gott – also stellen wir das Bild einmal auf den Kopf“. Gesagt, getan, und auf einmal musste ich herzlich lachen, denn die Szene offenbarte sich unverzüglich als ein leeres Drama, eine Art geistiger Vogelscheuche, die einem Teil der Profanisierung des Geheimnisses durch einen Unwissenden bewahren sollte. Der Ausdruck von Agonie auf den Gesichtern der Verdammten schien offensichtlich „aufgesetzt“, und das Gesicht des Todes, der große Schädel im Mittelpunkt des Gemäldes, reduzierte sich auf das, was ein Totenschädel eigentlich ist – eine leere Schale – und warum der ganze Schrecken, wenn nichts mehr drin ist?
Natürlich sah ich die ekklesiastische Hölle für das stehen, was sie ist. Auf der einen Seite gibt es den Anspruch, dass man sozialer Autorität unter keinen Umständen entfliehen kann, weil es nach dem Tod eine Art Polizei gibt, die eines jeden Kriminellen habhaft werden kann und wird. Auf der anderen Seite ist sie wie ein „Durchgang verboten“-Schild, das den Unaufrichtigen und den Unreifen entmutigen soll, Einsichten zu gewinnen, mit denen er Missbrauch treiben könnte. Ein Baby wird in einen Laufstall gesteckt, damit es nicht an die Streichhölzer kann oder nicht die Treppe hinunterstürzt; obwohl der Laufstall das Baby aber in seiner Bewegung einschränken soll, sind die Eltern natürlich stolz, wenn das Kind gut wächst und eines Tages hinausklettern kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Erwachsenen, der nur dann wirklich moralische Handlungen vollziehen kann, wenn seine Motivation nicht mehr die Angst vor der Hölle ist, das heißt, wenn er in das Gute (groß geschrieben) hineinwächst, das jenseits von Gut und Böse liegt, das, anders gesagt, nicht dem System von Belohnung und Bestrafung folgend handelt. Dies entspricht präzise der Natur der Welt, wenn man sie als eine sich selbst bewegende Aktion versteht, welche Vergangenes aufgibt, anstatt sich von Vergangenen motivieren zu lassen.
Darüber hinaus entsprach die Wahrnehmung der leeren Drohung des Totenschädels gewiss dem Erkennen der Tatsache, dass die Angst vor dem Tod, im Gegensatz zur Angst vor dem Sterben eines der unbegründeten Luftbilder ist, die uns echte Probleme bereiten können. Weil es völlig unmöglich ist, sich sein eigenes persönliches Abwesendsein vorzustellen, füllen wir die Leere in unseren Köpfen mit Schreckgespinsten, etwa in ewiger Dunkelheit lebendig begraben zu sein. Wenn der Tod nicht weiter ist als das Ende des Bewusstseinsstroms, gibt es gewiss nichts zum Fürchten. Gleichzeitig wird mir allerdings klar, dass es für das Überleben des Todes klare Beweise gibt, etwa in einigen wenigen unerklärlichen und medialen Kommunikationen und Erinnerungen an vorangegangene Leben. Diese rechne ich, reichlich vage natürlich, einem feiner verästelten Kommunikationsnetz zu, einer Wechselbeziehung im Muster des Lebens, die wir normalerweise nicht wahrnehmen können. Denn wenn Formen sich wiederholen, wenn sich die Struktur Zweige tragender Bäume in der Form der Wasserläufe in einem Wüstenstrich widerspiegelt, wäre es gar nicht so verwunderlich, würde eine so verwickelte Struktur wie das menschliche Nervensystem Anordnungen wiederholen, die im Bewusstsein als wirkliche Erinnerungen an weit entfernte Zeiten auftauchen. Ich persönlich glaube, dass wir den Tod nicht als individuelles Erinnerungs-System transzendieren, sondern nur so weit, als unsere Identität dem totalen Weltprozess entspricht, im Gegensatz zum leicht erkennbaren separaten Organismus.
Wie bereits gesagt, erfährt man dieses Gefühl, der ganze Prozess zu sein, unter Einfluss von LSD ziemlich häufig, und bei mir tauchte es oft aus einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, des engen Beieinanderliegen von Gegensätzen auf. Linie und Figur und Grund, Subjekt und Objekt erscheinen dort als vollständig korrelativ wie auch untereinander austauschbar. Irgendwann kommt es einem dann so vor, als gäbe es in der Natur gar keine Linien mehr: es gibt nur die Begrenzungen von Ebenen, Begrenzungen, die schließlich die Ebene selbst erst ausmachen. Im nächsten Augenblick entdeckt man, wenn man die Struktur dieser Ebenen genauer betrachtet, dass sei aus nichts anderem als einem dichten Flechtwerk von Linienmustern bestehen. Es kann plötzlich realisierte, dass seine Umrisse ihm „gehörten“ und in den Raum hinein explodierten. Aber dann sah ich auf einmal, dass dieselbe Form den „Inrissen“ des Himmels entsprach, des Raums der im Baum implodierte. Jedes Ziehen wird als Stoßen wahrgenommen, jedes Stoßen als Ziehen; genauso wie wenn man mit der Hand ein Spinnrad dreht. Stößt oder zieht man?
Die formenden Sinne gehören zum Raum, in dem sie sich ausdehnen, und das ist nicht im geringsten ein Phantasieprodukt, denkt man nur an die Beschaffenheit von Magnetfeldern oder, sagen wir, an die Dynamik eines sich in Wasser ausbreitenden Tintentropfens. Das Konzept verbaler Gedanken ist so schwerfällig, dass wir dazu neigen nur einen Aspekt einer Beziehung auf einmal zu überdenken. Wir wechseln unsere Sehweise einer beliebigen Form als zu einer Figur zugehörig oder einem Hintergrund zugehörig, etwa wie im Bild zweier Profile als schwarzer Silhouette, die im Begriff sind, sich zu küssen. Die weiße Fläche dazwischen sieht wie ein Abendmahlskelch aus, aber es ist äußerst schwierig, das Küssen und den Kelch gleichzeitig zu sehen. Unter Einfluss von LSD scheint man diese Fähigkeit gleichzeitig aufs lebhafteste zu erlangen und damit der gegenseitigen Beziehung zwischen der eigenen Gestalt und Handlung und der umgebenden Welt gewahr zu werden. Beide scheinen sich gleichzeitig zu formen und zu bestimmen, Explosion und Implosion finden gleichzeitig und in perfekter Harmonie statt und erzeugen das Gefühl, dass das eigentliche Selbst beides ist. Diese Identität ist auf jeder Ebene der Umgebung spürbar – die physikalische Welt der Sterne und des Alls, Gestein und Pflanzen, die Alltagswelt des Menschen und die in Kunst und Literatur, Musik und Konversation idealisierte Welt. Dies alles sind Felder, die aufs intimste mit der eigenen Existenz, mit dem eigenen Verhalten Wechselbeziehung stehen, so dass der „Ursprung“ von Aktion in beidem gleichzeitig liegt, sie in einem einzigen Akt miteinander verschmelzen. Aus diesem Grund kann LSD, wenn es innerhalb einer kleinen Gruppe gemeinsam eingenommen wird, eine tiefe eucharistische Erfahrung vermitteln, welche die Teilnehmenden in einem engen Kreis extrem warmer und intimer Freundschaft zusammenschließen kann.
Insgesamt habe ich das Gefühl, dass sich alle meine Experimente mit dieser erstaunlichen chemischen Substanz gelohnt haben, mich zu Kreativität stimuliert und mir vor allem einen Hinweis darum gegeben haben, dass „es zwischen Himmel und Erde mehr gibt als du dir in deiner Philosophie hättest träumen lassen“. Nur ein einziges Mal habe ich Schreckliches, das Gefühl erlebt, dem Wahnsinn nahe zu sein, und selbst dann hat die Einsicht die ich vermittelt bekam, den Einsatz gelohnt. Doch reichte es immerhin aus, mich zu überzeugen, dass die wahllose Benutzung dieses alchemistischen Erzeugnisses äußerst gefährlich sein könnte, und die Frage tauchte in mir auf, wer in unserer Gesellschaft wohl die Kompetenz haben könnte, über den Gebrauch von LSD zu entscheiden. Natürlich gilt dies in noch größerem Maße für jene anderen Mächte der Wissenschaft, wie zum Beispiel die Atomenergie; wenn eine Sache aber erst einmal bekannt ist, gibt es keine wirkliche Möglichkeit, sie unter Verschluss zu halten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, 1960, liegt die Kontrolle über LSD in den Händen von Psychiatern; und selbst wenn es skrupellose und psychotische Psychiater gibt, scheint mir dies eine zuverlässigere Ausübung von Kontrolle ALS DIE DER Polizei j- die gar keine Kontrolle im eigentlichen Sinn ist, sondern ein uneffektives Unterdrücken, das die tatsächliche Kontrolle den Mächten des organisierten Verbrechens zuspielt.
Insgesamt fühlen wir uns zur Anwendung gefährlicher Mittel berechtigt, wenn wir begreifen können, dass die Wahrscheinlichkeit verheerender Ereignisse niedrig ist. Ein völlig narrensicheres und abgesichertes Leben ist einfach nicht lebenswert, weil es die völlige Abschaffung von Freiheit zur Folge hätte. Es geschieht auf der Grundlage der perfekt rationalen Prinzipien des Glücksspiels, dass wir Luft- und Autoreisen, die elektrischen Anlagen imn Haushalt sowie alle anderen gefährlichen Instrumente der Zivilisation rechtfertigen. Bis heute ist der Katastrophenkatalog der Unglücke, die sich unter Einfluss von LSD ereigneten, klein, und es gibt keinerlei Anzeichen, dass LSD suchterzeugend oder anderweitig gesundheitsschädlich ist. Natürlich ist es immer möglich in psychische Abhängigkeit von Stimuli zu geraten, die aber kein Verlangen, keine Sucht etablieren, die man physiologisch beschreiben könnte. Persönlich bin ich nicht gerade ein Beispiel phänomenaler Willenskraft, aber ich weiß, dass ich keinerlei Neigung verspüre, LSD genauso wie Tabak oder Alkohol zu benutzen. Im Gegenteil, jede meiner Erfahrungen mit LSD war so ertragreich, dass ich ein paar Monate verdauen musste, um es erneut zu versuchen. Darüber hinaus weiß ich, dass ich die Anwendung von LSD instinktiv ablehne, wenn ich mich nicht in einer Verfassung, in einer Bereitschaft fühle, mit der man sich auf die Einnahme eines Sakraments vorbereitet, und ich weiß, dass die Erfahrung sich nur lohnt, wenn ich meine kritischen und intellektuellen Fähigkeiten wachhalten kann.
Allgemein wird angenommen, dass zwischen Intuition und Intellekt, zwischen Dichtung und Logik, zwischen Geist und Vernunft eine tiefgehende Unvereinbarkeit besteht. Das Aufregendste bei meinen Experimenten mit LSD war, dass diese vorher im Gegensatz zueinander stehenden Bereiche sich jetzt ergänzten und sich gegenseitig befruchteten und damit eine Lebensweise suggerierten, in der der Mensch nicht länger ein verkörpertes Paradox aus Engel und Tier, aus Vernunft, die den Instinkt bekämpft, sondern ein wunderbares Zugsamentreffen ist, in dem Eros und Logo eins sind.

Re: Alan Watts

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Faszinierender, wenn auch langer Text... Habe mir ne Zeit lang sehr gerne die Aufzeichnungen von (Uni?-)Vorlesungen von von Alan Watts auf Youtube angehört, mitlerweile habe ich oftmals das Gefühl mir doch recht gut vorstellen zu können, was zu verschiedenen Themen kommt.

Was ihn wohl ähnlich stark beschäftigt hat wie mich ist das Gefühl, als lebendiger Organismus in einem mit Gas und Magma gefüllten Ball in einem weitestgehend leblosen Universum ziemlich allein zu sein... Eine Lösung, die er dafür anbietet, ist, dass es ohne Bewusstsein kein wahrnehmbares Universum gibt, und mein Körper eine Heimat dieses Bewusstseins bildet. Wirklich Trost zu spenden vermag diese Vorstellung nicht, bzw. hab ich wahrscheinlich noch nicht den Schlüssel in Form von Worten oder Gedanken gefunden, der das "Problem" auf der Ebene, auf der ich hier eine Art Loch empfinde zu lösen.

Die Analogie Hostie/Wein-LSD als Möglichkeit gewisse Erlebnisse herbeizuführen finde ich sehr passend, kommt halt wahrscheinlich bei den Skeptikern nicht an, da man um sie zu verstehen schon die Fähigkeit braucht, sich von anerzogenen Glaubenssystemen zu lösen. Wenn man etwas nicht hinterfragen will, schafft man es wahrscheinlich immer, sich gegen Argumente abzuschirmen, wie bei einem Schlüssel, der hinter dem Schloss liegt, für das man den Schlüssel bräuchte... Komisch, dass es (einem) manchmal doch passiert.

So Paradoxen kommen ja bei Watts auch sehr gerne vor... sich anstrengen, sich nicht anzustrengen, das richtige Konzept um mit dem Denken aufzuhören, leider spielt all das auch in meinem Leben eine große Rolle... Wenn es keine Rolle spielen würde, warum sollte man sich mit solchen Dingen auseinandersetzen?
Bei einer anderen Gelegenheit betrachtete ich eine Handvoll Sand aus allernächster Nähe, und als mir klar wurde, dass ich meinen Blick nicht vollkommen scharf einstellen konnte, nahm ich jedes Detail wahr, jede Artikulation meiner Augen, wie sie das Bild zerfaserten – und dies war gewiss die Wahrnehmung eines einzelnen Sandkorns oder eine Verzerrung in den Augen selbst.
Das finde ich auch immer interessant. Sind diese buntenpunkte, die man oftmals auf Psychedelika sieht und aus denen sich die Welt bzw. die Visionen zusammenzusetzen scheinen sozusagen die kleinsten Punkte die man sehen kann und wenn ja, werden sie durch das Gehirn begrenzt oder sogar durch die Stäbchen und Zapfen im Auge? Gibts vielleicht sogar nen Zusammenhang zu dem weißen Licht, nach dem Motto "Alle möglichen Punkte werden maximal getriggert" und in wie fern lässt sich ähnliches auf Ohren, Nase, Haut, Zunge übertragen? Auch diese sozusagen x-beliebigen Mittelpunkte der Wahrnehmungen decken sich mit Berichten von Bekannten und irgendwie auch mit eigenen Wahrnehmungen (aber mir fällts irgendwie leichter in Trance zu fallen und sozusagen wegzutreten/ im Nichts zu stehen als mich auf etwas zu konzentrieren*)

Was Subjekt und Objekt verbindet ist die Wahrnehmung selber... bzw. steht sie wahrscheinlich auch zeitlich vor Subjekt und Objekt... Will sagen, bevor mir einfällt, dass es mich und meine Umwelt geben könnte, habe ich erstmal etwas wahrgenommen, dass ich so bezeichne.
Während eines Experiments kam es mir vor, als gäbe, jedes mal wenn ich versuchte meinen (metaphorischen) Fuß auf festen Boden zu setzen, der Boden nach und als stürze ich in leeren Raum. Ich konnte keinen substantiellen Ausgangspunkt finden, von dem aus ich etwas hätte unternehmen können: mein Wille glich einer Laune, und meine Vergangenheit, als eine kausal konditionierte Kraft, hatte sich in dünne Luft aufgelöst.
Ein Zustand, der sich bei mir irgendwie dauerhaft manifestiert hat. Wie soll man sich nur entscheiden, wenn man jedes Ergebnis, das eine Entscheidung bringt beliebig bewerten kann? Irgendwie wird mir bei der "Beantwortung" dieser Frage auch klarer, was kontrollierte Torheit sein könnte...
Wenn man sagen kann, eine Matte mattet, dann kann man ebenfalls sagen, eine Katze katzt
Auch so ein typischer Watts-Gedanke. Irgendwie versteh ich immer nicht, auf was er da raus will. Ob man jetzt sagt: "Da, die Katze!" oder ob katzt (es bewusst weggelassen) oder katzig, ich seh da nicht wirklich den Unterschied. Wahrscheinlich war "Vulgärmaterialismus", wie das ein Freund von mir mal nannte in den 60er Jahren einfach verbreiteter. :nixplan: Aus heutiger Sicht kommt mir der Unterschied recht willkürlich vor...
Als ich auf dem Rasen stand, fiel mir auf, dass die rauen Stellen, dort wo der Grasbewuchs spärlich, zertreten oder von Unkraut durchsetzt war, nicht länger als Schönheitsfehler störten. Zufällig verstreut über die Rasenfläche, schienen diese Stellen ein geordnetes Muster zu bilden, und verliehen dem Ganzen die Struktur von samtenem Damast, die rauen Stellen bildeten dabei die Teile, wo die samtene Oberfläche abgeschnitten war.
Beim Versuch die Deutung meiner Wahrnehmungen zu ändern konnte ich auch (ohne irgendwelche Substanzen) die tollsten Sachen auf einer dreckigen Wand erkennen. Oder auf MXE die Raufasertapete anschauen, da spielen sich auf einmal Geschichten ab, man glaubt es kaum. Aber aus der Deutung ergeben sich doch wieder die wildesten Sachen, die für mich, bezogen auf mein tägliches Leben einfach unwahr sind (im Sinne von nicht anwendbar**). Mir scheint, Psychedelika eröffnen zwar die Möglichkeit, das zu sehen, was ist, aber gleichzeitig laufen die Konzepte und Phantasien auch noch mehr Amok als sonst. Vielleicht werden sie ja so unglaubwürdig, weil sie so willkürlich und übertrieben werden? :king:
Völlig unvermittelt eröffnete sich mir, dass das Ganze ein Liebesspiel war, in dem Liebe alles heißen konnte, was das Wort Liebe an Bedeutungen umfasst, vom Rot erfrischender Wonnen, über das Grün menschlicher Zuneigung, bis zum Violett göttlicher Barmherzigkeit, von Freuds Libido bis hin zu Dantes „Liebe, die die Sonne und andere Sterne bewegt“.
Hat mir gerade sehr geholfen, ein paar Türen einzutreten, danke!
Darüber hinaus entsprach die Wahrnehmung der leeren Drohung des Totenschädels gewiss dem Erkennen der Tatsache, dass die Angst vor dem Tod, im Gegensatz zur Angst vor dem Sterben eines der unbegründeten Luftbilder ist, die uns echte Probleme bereiten können.
Ja, wer hat schon Angst vor dem Tod? Aber was ist mit der Art zu sterben? Die Angst vor der Nichtexistenz ist schon sinnlos, wenn auch biologisch wahrscheinlich ein recht bedeutender Teil von mir/uns. Aber was ist mit der Angst vor Schmerz, psychisch und physisch? Ich habe schon lange keine Angst vor dem Tod mehr, aber Schmerz ist so real und am liebsten würde man ihm immer aus dem Weg gehe, obwohl das oftmals das unvernünftigste ist und zum Tod führt...
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, 1960, liegt die Kontrolle über LSD in den Händen von Psychiatern; und selbst wenn es skrupellose und psychotische Psychiater gibt, scheint mir dies eine zuverlässigere Ausübung von Kontrolle ALS DIE DER Polizei j- die gar keine Kontrolle im eigentlichen Sinn ist, sondern ein uneffektives Unterdrücken, das die tatsächliche Kontrolle den Mächten des organisierten Verbrechens zuspielt.
Polizei und organisiertes Verbrechen sind ja eh irgendwie zwei Pole des Versuches mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt Macht über andere Menschen auszuüben, das eine ist Teil einer etablierte, sich selbst legitimierenden, berechenbaren Ordnung, die andere Ordnung ist eher brüchig und willkürlich. Und ich traue mich wetten, dass es selbst den Leuten, die Macht durchsetzen, im Grunde lieber wäre, darauf zu verzichten, bzw. in immer indirektere, angenehmere Formen zu übersetzen, wenn man Macht als sowas wie ein Naturgesetz sehen will... Sry, weiß auch nicht was ich damit sagen will... Einfach dieses Gefühl der Freiheit und Losgelöstheit und andererseits die Kräfte die genau für das Gegenteil stehen und nicht wollen, das Menschen sowas erleben. Wie Yin und Yang, vielleicht nur ne Frage der Balance?

*was irgendwie interessant ist im Bezug auf die Frage, was es so alles für Arten gibt sein Bewusstsein zu verwenden und wie man die Systematisieren könnte.

**oder ich versuchs nicht genug sie anzuwenden, aber eigentlich versuch ichs schon ziemlich...

und ich weiß, dass die Erfahrung sich nur lohnt, wenn ich meine kritischen und intellektuellen Fähigkeiten wachhalten kann.
Ach wie schön und wie wahr...

Ist fast unmöglich auf alle Aspekte des Textes einzugehen, trotzdem danke fürs posten... ich fühle mich von Alan Watts immer so persönlich angesprochen, nur auf den ersten Blick werden hier Konzepte und Fakten vermittelt. :irre:

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