Psychoanalyse mit Psycholytika (4.Psycholysesitzung von 15)

1
Psychoanalyse mit Psychodysleptika (Psycholysesitzungen)

Einleitung und Besprechung zur 4. von insgesamt 15 Sitzungen

Es liefen in dieser Sitzung zwei Phasen ab, die erste direkt während der Sitzung, mit dem Thema: „Anspruch und Entwertung“. Die zweite Phase lief später allein zu hause, wo ich noch ziemlich „geladen“ hatte; da war mehr das Thema: „Selbstakzeptierung und psychosomatische Verquickungen“

Es war die erste und leider einzige Sitzung mit LSD. Ich habe nicht erfahren und habe damals auch nicht nachgefragt, warum es die einzige blieb. Ich vermute, dass X entweder das LSD ausgegangen war, oder er sich mit dem teilweise raketenartig wirkenden LSD vielleicht doch etwas unsicher fühlte. Es wirkte bei mir jedenfalls erst langsam und dann nach wenigen Stunden doch sehr schnell und vor allem mühelos, insofern deutlich anders als Mescalin oder gar TMA-2.

Ich habe immer wieder feststellen müssen, ob auf sonstigen Trips alleine oder mit Freunden, oder in der analytischen Psycholyse-Situation, dass (Pseudo-) Halluzinationen und starke sinnliche Eindrücke, auch körperliche Sensationen, bei mir als ein Teil der Abwehr gegen die Wirkung des Mittels erscheinen. Das Mittel „strebt“ danach, mich zu einem einheitlichen Erleben meiner selbst zu bringen (natürlich „strebe“ ich hier (?), das Mittel verhilft mir – oder zwingt mich - zu der notwendigen Lockerung). Ist dieser Zustand erreicht, verschmelzen Halluzinationen und Umweltfarbigkeit, Gefühlsentwicklung, körperliche Zustände und innere Einsichten zu einem neuen „Gesamtzustand“. Der ist nicht mehr allein charakterisiert durch die Qualität eines dieser vier genannten. Es ist ein neuer Zustand, der nur schwer zu benennen ist. Ich würde versuchsweise sagen: Es ist der Zustand des „Normalen“, demgegenüber ich den alte Zustand als den des „Unnormalen“ ansehen würde. In dieser Sitzung ist im Höhepunkt dieser „Normal“-Zustand teilweise/zeitweise erreicht. Die Halluzinationen, die Innenansichten, die Gefühlsentwicklungen, die Gedankengänge, die Körperzustände vereinigten sich zu dem schon genannten „Gesamtzustand“ und hatten innerhalb dieses Zustandes andere Qualitäten*.
Zu „Innenansichten“: ich hatte aufblitzend (sekundenweise?) immer mal wieder einen „hellen, gläsern-durchsichtigen“ Körper halluziniert, der identisch war mit mir selbst, die Innenstrukturen waren allerdings nur sehr entfernt den Organ- und Knochenstrukturen ähnlich. Diese Durchsichtigkeit erlebte ich als: "Ich bin durchsichtig, - einfach, - glasklar, habe einfache Bedürfnisse, bin ohne Falschheit oder Verstecken oder Tricksen".
____________________________
*Das erinnert mich an dieser Stelle an den von Karl Marx beschriebenen gesellschaftlichen Vorgang der Vereinigung von These und Antithese zur Synthese, wobei in der Synthese die sich vereinigenden, kontroversen gesellschaftlichen Elemente in gewisser Weise - mit veränderter Form und anderem Schwerpunkt - noch enthalten sind und auch wieder erkennbar gemacht werden können.)

Zur Erläuterung, wie die Bewegung in Richtung „Gesamtzustand“ sich darstellen kann, ein Beispiel-Ausschnitt aus dem Protokoll (kursiv) eines ersten starken Mescalin-Trips-1967/68 unter nicht-psychoanalytischem setting als pdf-Anhang; 800 mg genommen, mit Freund zusammen, er ebenfalls 800 mg (so viel würde ich heute nur noch zuhause nehmen, ich würde nicht rausgehen, wir waren beide unerfahren); [in eckigen Klammern: heutige Einfügungen]: siehe dazu pdf-Anhang.

Ab ca. der 3. Stunde der LSD-Sitzung erlebte ich teilweise diesen „Gesamtzustand“, nachdem ich den Höhepunkt schon hinter mich gebracht wähnte. Ich hatte klare Erkenntnisse über mich selbst, wobei die Elemente:
- (Pseudo-)Halluzination,
- Farbigkeit und wabernde Strukturen in der Umgebung,
- Gefühlszustände,
- Körperzustände,
- intellektuelles Erfassen
zusammenfanden; ihre individuellen Charakteristika waren zwar noch vorhanden, spielten aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Ich habe sie im Protokoll auch nicht weiter erwähnt, sondern habe, schon während der Sitzung also, meine Aufmerksamkeit stark der resultierenden „analytischen Erkenntnis“ gewidmet. Dass ich das so tat, war dem psychoanalytischen Setting geschuldet. Das Ziel und die Erwartungen, die mehr oder weniger bewusst vor Beginn der Sitzung mehr oder weniger festgeschrieben sind, gehören nach meiner Erfahrung stark zum Setting dazu. Ich denke, dass Erwartungshaltung und Zielausrichtung das Ergebnis mitbestimmen, nach dem Motto der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Immerhin hatte ich mich schon jahrelang vorher mit Psychoanalyse (hauptsächlich Richtung Freud, Jung, Adler) beschäftigt. Setting scheint mir daher mindestens so bestimmend für das was läuft, wie Set. Nicht umsonst stimmen sich User in den verschiedensten Kulturen vor Gebrauch der Halluzinogene ein auf bestimmte Gedanken, Stimmungen und Ziele.
Hier füge ich etwas aus heutiger Sicht vielleicht nicht Unwichtiges ein: Ich erinnere mich, dass ich nach Hilfe geschrien habe: „Hilfe, jetzt kommen die Halluzinationen“. X kam sofort ins Zimmer und meinte, ich solle leiser sein, die Nachbarn könnten mich hören. Worauf ich erwiderte: „ Oh, ich habe gar nicht bemerkt, dass ich so laut geworden bin“, und ich konnte ohne Schwierigkeiten meine Lautstärke dämpfen, ohne dass das der wieder einsetzenden Erlebnistiefe einen Abbruch getan hätte. Das bedeutete für mich, dass X über klare Worte selbst auf dem Höhepunkt mich intellektuell ansprechen konnte und ich mich auch lenken ließ.

Auf dem Höhepunkt, nach den schon genannten ca. drei Stunden Sitzungsdauer, konnte ich das normale anspruchslose Leben endlich einmal fließen lassen und meinen Wasserkopf voll Ansprüchen an mich und an andere entleeren. Es war eine sehr erleichternde Prozedur, bei der ich viele Tempotücher total durchnässte. Die Erkenntnis meiner hypertrophierten Anspruchshaltung half mir im weiteren Lebensverlauf sehr, Entwertungstendenzen Mitmenschen (vor allem meiner jetzigen Frau) gegenüber zu erkennen und bewusst eine andere innere Haltung einzunehmen. Nachdem ich das nun schon jahrelang geübt habe, ist es mir gelungen, meine gnadenlosen Über-Ich-Ansprüche zu dämpfen und zu besänftigen. Ein ungeheurer Druck ist damit verringert, ebenso Anlässe für depressive Verstimmungen, die immer dann stark wurden, wenn ich Über-Ich-Ansprüchen nicht genügte (der strenge Kontrolleur/Polizist in meinem Kopf).

Das knüpfen psychosomatischer Zusammenhänge lief erst richtig deutlich zuhause, wo ich immer noch etwas „geladen“ war (afterglow). Ich nenne es hier mal „psychosomatisch“, da ich verschiedenen körperlichen Symptomen gefühlsmäßig nachspüren und ihr Zusammenwirken erkennen zu können glaubte. Im späteren Lebenslauf haben sich diese erkannten Zusammenhänge teilweise als überprüfbar korrekt ergeben, indem ich ihnen immer wieder gefühlsmäßig nachspüren und sie bewusst zum gesünderen beeinflussen konnte. „Psychosomatisch“, wie ich den Begriff hier gebrauche, stimmt wahrscheinlich nicht mit der medizinischen Definition überein, die mich bisher aber auch noch nicht viel beschäftigt hat.
Zuhause wurden mir also einige psychosomatische Zusammenhänge noch nachträglich klar. Das Bewusstsein über diese Zusammenhänge blieb mir auch in den folgenden Lebensjahren weitgehend erhalten. Es half mir immer wieder lindernde und entschärfende veränderte Einstellungen zu gewinnen. Das hier im Einzelnen darzulegen, würde den Rahmen sprengen, und ich müsste auch zu viel Erinnerungsarbeit hineinstecken; ist mir das „normale“, gesündere Sein über die verflossenen Jahre doch teilweise zur zweiten Natur geworden, sodass die Erinnerung an seine individuelle Geschichte verblasste oder kaum wieder auszugraben ist.

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (4.Psycholysesitzung von

2
Die Erkenntnis meiner hypertrophierten Anspruchshaltung half mir im weiteren Lebensverlauf sehr, Entwertungstendenzen Mitmenschen (vor allem meiner jetzigen Frau) gegenüber zu erkennen und bewusst eine andere innere Haltung einzunehmen.
wie herrlich!
stelle mir da gerade dieses szene vor:

frau meyer klagt: "hans, hör doch mal auf, das leben durch deine analytische brille zu betrachten..."
herr meyer erwidert sanft: "du hast ja recht, mein liebes..."
und denkt bei sich: "ich muss nachsichtig mit ihr sein. sie ist einfach noch nicht so weit zu begreifen...was mir aber kein grund und anlass seien sollte sie in irgend einer form zu entwerten. täte ich dies, liefe ich gefahr in gottlob überwundene muster zurück zu fallen :klug: ..."


Bild

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (4.Psycholysesitzung von

3
hiob hat geschrieben:
stelle mir da gerade dieses szene vor:
frau meyer klagt: "hans, hör doch mal auf, das leben durch deine analytische brille zu betrachten..."
herr meyer erwidert sanft: "du hast ja recht, mein liebes..."
und denkt bei sich: "ich muss nachsichtig mit ihr sein. sie ist einfach noch nicht so weit zu begreifen...was mir aber kein grund und anlass seien sollte sie in irgend einer form zu entwerten. täte ich dies, liefe ich gefahr in gottlob überwundene muster zurück zu fallen :klug: ..."
Bild
Da hast Du genau die drohende Selbstgerechtigkeit angesprochen! Wilhelm Busch war da ein sehr genauer Beobachter. Doch wer so denkt, merkt nicht, dass er schon wieder (immer noch) entwertet. So kann einer nur denken, der die Psychoanalyse als der Weisheit letzten Schluss ansieht. Sie kann sicher nützlich sein und seelisch Leidenden helfen, als bürgerliche (Geistes)-Wissenschaft ist sie jedoch selber erklärungsbedürftig. Es ist auch ein berechtigter Vorwurf der den Analytikern gemacht wird, dass sie Kritik oder auch Desinteresse gerne als "Erkenntniswiderstand" zurückweisen, und so aus ihrem "Dunstkreis" selber nicht hinauskommen. :denk:

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste

cron