Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von 15)

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Psychoanalyse mit Psychodysleptika (Psycholysesitzungen)

Einleitung und Besprechung zur 2. von insgesamt 15 Sitzungen

Ich versuche hier, nach über 40 Jahren Abstand, die Hauptgedanken der anschließenden „Besprechung“, das, was ich lernen konnte, mir wieder bewusst zu machen, formulierbar zu machen und darzulegen. Vieles ist mir ja im Laufe meines weiteren Lebens zur „geheilten“ zweiten Natur geworden und mir durchaus gar nicht mehr routinemäßig bewusst!

X meinte zu Beginn, er habe schon damit gerechnet, dass in dieser 2. Sitzung ich verstärkt Widerstand leisten werde, nachdem ich in der 1. Sitzung sofort, nahezu ohne Widerstand, in meine Hauptproblematik [er meinte damit meine „Agressionshemmung“ und alle meine daraus resultierenden „Charakterschwierigkeiten“] „geworfen“ worden sei. Ich sei vom Mescalin geradezu überrascht („überrumpelt“) worden. Er habe damit gerechnet, dass nach diesem Erlebnis ich wohl stärker „auf der Hut sein werde“. Er habe deshalb etwas JB336 beigemischt zum Brechen des Widerstandes von der körperlichen Seite her.

Was gelaufen war:
Es war die vertiefte Fortführung meines Themas: die erste grundlegende Fehlentscheidung des Kleinkindes, nämlich das Hereinnehmen des „Böseseins“ ins „Ich“ und die Verdrängung dieses Vorgangs, und die Verdrängung dessen, dass ich das eigentlich gar nicht wollte. Mein „Duckmäusertum“, gründend auf dieser doppelten Verdrängung und dass das alles unbewusst gehalten werden musste. Daher meine Angst vor Konflikt, Auseinandersetzung, Aggression, die das alles, mein „Bösesein“ (so fürchtete ich - popanzhaft zur eigenen Abschreckung aufgeblasen - auch wieder unbewusst) zum Ausbruch bringen könnte.

X meinte dazu:
Kampfbereitschaft, „Bösesein“, Wütendwerden bis zum Explodieren und bis zur Geringschätzung des eigenen Lebens, seien durchaus auch wertvolle eigene Möglichkeiten, die unter gewissen extremen Lebenssituationen angebracht sein könnten. Einen Unterschied macht es nur, ob diese Möglichkeiten, popanzhaft in ihrer Schrecklichkeit übersteigert aufgeblasen, unbewusst (verdrängt) gehalten würden, oder man sich ihrer als eigene Möglichkeiten bewusst ist, und damit bewusst bei Bedarf auch einsetzen kann. In diesem zweiten Falle verfüge „Ich“ über diese Möglichkeiten und nicht umgekehrt. Werden diese „Schrecklichkeiten“ verdrängt gehalten, bestimmen sie einen (wobei zur Tarnung gerne die entgegengesetzte äußere Erscheinung – „Aggressions- Hemmung“ – aufrechterhalten wird). Die Angst vor der eigenen „Schrecklichkeit“ ist die Kraft und der Schutzwall, die diese Dinge unbewusst halten. (Ich erinnere mich, dass ich als Kind eine Zeitlang ganz fürchterlich gestottert hatte; heute weiß ich, dass das Stottern ein Ausdruck der Agressionsproblematik ist: der Stotterer will etwas sagen, hat aber Angst vor seiner eigenen Aggression und den Gefahren, die damit verbunden sind oder sein können, und will es daher gleichzeitig zurückhalten. Der Ausdruck dieses Konfliktes ist das Stottern, zumindest war es das bei mir.)
Als „Übung“ für „zu hause“ empfahl er mir, diesen „Schrecklichkeiten“ weiter nachzuspüren, phantasiemäßig, im Halbschlaf, und den seelischen Energien, die darin „versteinert“ gebunden liegen, eine Chance zu geben. Ich sollte versuchen, mir selbst diese Schrecklichkeiten zu verzeihen, die Trauer zuzulassen darüber, dass ich mich zu so „Schrecklichem“ (als Kleinkind „gezwungenermaßen“) entschieden hatte, aber auch mir klarzumachen, dass meine damalige Entscheidung damals wohl „notwendig“ war, aber „jetzt“ eben nicht mehr meiner realen Lebenssituation entspricht. „Nimm dich selbst als kleines Kind an die Hand, tröste Dich selbst, zeige dir die Welt wie sie jetzt ist, und lass den Schmerz zu, dass Du dich selbst so zerstümmelt hast (dich zerstümmeln musstest). Mit einer kurzen Formel gesagt: nimm dich selbst an! Hab´ keine Angst vor Deiner Angst, nimm deine Angst liebevoll an die Hand und tu die als richtig erkannten Dinge zusammen MIT deiner Angst, nicht gegen Deine Angst, Du bist auch die Angst, die Angst ist ein Teil von Dir, das Du nicht verwerfen solltest. Du wirst sehen, es geht. Die Formel lautet: Zusammen MIT der Angst die anstehenden Dinge tun, nicht gegen die Angst.“

Heute kann ich sagen: es funktioniert, ich habe immer wieder erfahren, dass die Angst nur dann mich lähmte, wenn ich vor meiner Angst Angst hatte. Akzeptierte ich meine Angst und habe die Dinge MIT der Angst getan (nicht GEGEN sie, oder TROTZDEM), habe ich immer wieder festgestellt: es geht. Ich kann anstehende Dinge zusammen mit meiner Angst, sogar mit panikartiger Angst, tun, sie behindert mich nicht, wenn ich sie „an die Hand nehme“ und wir zusammen die „richtigen“ Dinge tun. Und etwas weiteres geschah: Ich merkte, wie in den „Schrecklichkeiten“, dem Schmerz, der Angst, positive Energien gebunden waren, die, mit immer geübterem Fortschreiten in diesen Übungen, zum Tragen kamen.
Etwas möchte ich jedoch gleich hier loswerden: In jeder Lebenssituation musste (und muss es noch, und es wird bis zum Ende meines Lebens nicht beendet sein) ich erneut mir meine Problematik bewusst machen und bewusst die neue, veränderte Entscheidung treffen. Wenn ich automatisch reagierte, war ich wieder im alten Gleis. Mit den Jahren wird das „Neue“ jedoch langsam neue Praxis und Routine, sodass es nicht mehr so viel „Bewusstmachung“ und damit Anstrengung erfordert.

X war der Meinung, dass Verhaltensänderung bei Erwachsenen nur über den Weg der „Bewusstmachung“ und der bewusst veränderten Entscheidung läuft. Das setzt jedoch auch Bewusstmachung von „Unbewusstem“ und „Verdrängtem“ voraus. Meine Erfahrung ist, dass er recht hatte und hat.

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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Grossartige Schilderung (und Deutung) des Kastrationskomplexes und des Ausbruchs der verdrängten Aggressionen! Es lief mir mehrmals den Rücken runter. :bow:
Wenn ich automatisch reagierte, war ich wieder im alten Gleis. Mit den Jahren wird das „Neue“ jedoch langsam neue Praxis und Routine, sodass es nicht mehr so viel „Bewusstmachung“ und damit Anstrengung erfordert.
Ein Freund gab mir hierfür ein sehr schönes Bild, ja Werkzeug, an die Hand. Jede Erfahrung, oder jeder Erfahrungskomplex (aufeinander aufbauende Erfahrungen) entspricht einer Aufnahme der damit verknüpften Gefühle und Emotionen in Form einer Schallplatte. Kommen wir jetzt in eine Situation, die der Situation entspricht, als die erste Erfahrung des Erfahrungskomplexes gemacht wurde, wird einfach wieder die Platte wieder aufgelegt, die alten Gefühle und Emotionen werden abgespielt und wir fühlen das, was wir damals gefühlt haben - wir sind wieder Kind. Die Wahrnehmung der Erfahrung entspricht aber nicht dem was hier und jetzt wirklich ist. Wir sind nicht mehr dieses Kind. Der Punkt ist, dass wir erkennen lernen, wann eine alte Platte aufgelegt wird, um uns dann, bewusst auf das Hier und Jetzt zu fokussieren und uns gegen die x-te Wiederholung der Platte zu entscheiden. Dafür müssen wir imho nicht einmal den Komplex, oder die Ursache des Komplexes vollkommen rational ergründet haben, es reicht die Wahrnehmung, dass wir dabei sind in ein altes Muster rutschen, um uns wieder auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, die Platte wieder in das Regal zurückzustellen und uns dann der Erfahrung (befreit) im Hier und Jetzt hinzugeben.
happiness is the absence of resistance

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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Imho genügt es nicht nur, die platte zu erkennen, um sie wieder ins regal stellen zu können. Ich persönlich bin während meiner schweren krise der letzten 2 monate vollkommen zurück gefallen und war wieder das hilflose, kleine, machtlose kind, was sich zwischen zwei parteien hin und her zerrissen fühlt und sich die schuld für das ganze drama auflastet. Das erkennen dieses gefühlskomplexes hat mir nicht dazu verholfen, ihn aufgeben zu können. Das ist langwierige arbeit, die man oft allein gar nicht schaffen kann, je nach traumatischer intensität des komplexes. Was mir dabei geholfen hat, ist (bei mir persönlich im kontex einer wachhypnose) das kleine kind in mir an die hand zu nehmen und auf der gefühlsebene wieder kontakt mit ihm aufzunehmen, ihm zu verzeihen, die schuld innerlich an die verursacher zurück zu geben. Dann verliert sich das opfertum allmählich.
Staunen über die Fülle möglicher Erfahrungen auf diesem wunderbaren Planeten in diesem einzigartigen Leben.

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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Hmm. Also, nicht jeder dieser Erfahrungskomplexe entspricht einem Traumata. Erfahrungskomplexe können z.B. ja auch "positiver" Natur sein. Und natürlich gibt es Muster dieser Art, die so mächtig sind, dass sie uns keine Chance lassen und uns mitreissen. Damit wir eines Tages in der Lage sind, ein solches Muster, bewusst nicht zu wählen, ist unendlich viel mehr Arbeit nötig.

Wichtig ist auch die Erfahrung, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben unsere Realität auf diese Art und Weise zu gestalten. Das kann u.U. im Rahmen einer psychedelischen Erfahrung geschehen und kann gleichzeitig nicht mehr als ein erster Schritt sein. Die Herausforderung ist, diese Erfahrung richtig zu interpretieren (da kann eine Reflektion im Rahmen einer psycholytischen Therapie sicher mehr als hilfreich sein) um dann, langsam zu lernen, es zum richtigen Zeitpunkt auch anzuwenden. Den richtigen Zeitpunkt können wir aber nur erkennen, wenn wir unsere Erfahrungen im alltäglichen Leben entsprechend reflektieren, um den auslösenden Effekt für einen Plattenwechsel als solchen auch zu erkennen...
happiness is the absence of resistance

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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IMO ist der bemerkenswerte Unterschied, wenn eine Platte zum letzten Mal läuft, dass man dieses Mal erstmals völlig offen und aufmerksam zuhört - vom ersten, bis zum letzten Ton - und sie damit (vielleicht) auf eine gewisse Art verinnerlicht, so dass man, kommt man mal wieder in diese Situation, selbst den Ton angeben kann.
Zuletzt geändert von anima am 17. Oktober 2010, 14:48, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Rechtschreibung
My bubble -- my rules

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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anima hat geschrieben:IMO ist der bemerkenswerte Unterschied, wenn eine Platte zum letzten Mal läuft, dass man dieses Mal erstmals völlig offen und aufmerksam zuhört - vom ersten, bis zum letzten Ton - und sie damit (vielleicht) auf eine gewisse Art verinnerlicht, so dass man, kommt man mal wieder in diese Situation, selbst den Ton angeben kann.
Anmerkung 1: Sie wird nie zum letzten Mal laufen. Also, jedenfalls für Nicht-"Buddha/Krishnamurti/Almaas" Menschen. ;)
Anmerkung 2: Das Problem ist ja gerade, dass wir diese Platte so sehr verinnerlicht haben, dass wir uns für diese Platte halten. :) Aber ja, es ist wichtig, dass wir uns dem Inhalt der Platte so bewusst wie möglich werden und dafür ist es natürlich hilfreich ganz genau hinzuhören. :)
Anmerkung 3: Ohne Platte geben wir nicht den Ton an. Der Ton ist das, was ist.
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Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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Bin beeindruckt über das treffende Bild von der aufgelegten Schallplatte und den Triggern. Die Trigger gilt es nach meinen Erfahrungen zu erkennen und dann die Platte nicht ablaufen zu lassen, selbst wenn sie aufgelegt wird. Für mich ist das das innere "Leerwerden". Dieser Weg erfordert "Wachheit", Erkennen, Dürchlässigkeit der eigenen Gefühlslage...es ist schwer, sich verständlich zu machen. Danke für eure treffenden Bilder!

Re: Psychoanalyse mit Psycholytika (2. Psycholysesitzung von

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ohn hat geschrieben:Imho genügt es nicht nur, die platte zu erkennen, um sie wieder ins regal stellen zu können. Ich persönlich bin während meiner schweren krise der letzten 2 monate vollkommen zurück gefallen und war wieder das hilflose, kleine, machtlose kind, was sich zwischen zwei parteien hin und her zerrissen fühlt und sich die schuld für das ganze drama auflastet. Das erkennen dieses gefühlskomplexes hat mir nicht dazu verholfen, ihn aufgeben zu können. Das ist langwierige arbeit, die man oft allein gar nicht schaffen kann, je nach traumatischer intensität des komplexes. Was mir dabei geholfen hat, ist (bei mir persönlich im kontex einer wachhypnose) das kleine kind in mir an die hand zu nehmen und auf der gefühlsebene wieder kontakt mit ihm aufzunehmen, ihm zu verzeihen, die schuld innerlich an die verursacher zurück zu geben. Dann verliert sich das opfertum allmählich.
Hallo ohn!
Nach langer Zeit mal wieder die alten Kommentare gelesen. Möchte Dir hier nochmal danken für Deine privaten Mittelungen. Gerade der innerliche Vorgang ist hilfreich:
"das kleine kind in mir an die hand zu nehmen und auf der gefühlsebene wieder kontakt mit ihm aufzunehmen, ihm zu verzeihen, die schuld innerlich an die verursacher zurück zu geben. Dann verliert sich das opfertum allmählich".
Aus eigener Erfahrung möchte ich genau dazu ergänzen:
"Das kleine Kind in mir an die Hand nehmen, die (vermeintliche) Schuld zu verzeihen, aufzulösen, und dem an die Hand genommenen Kind liebevoll die jetzige Welt zeigen." Dieses "Gefühls- und Imaginationsbild" hat mir immer wieder geholfen. Auch die Einsicht, dass die "Schuldverursacher" selber "Opfer" waren. LG Hans :)

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