Re: Finanzkrise

151
Je weiter sich die kapitalistische Systemkrise in die Gesellschaft und das Massenbewusstsein hineinfrisst, desto irrationaler gestaltet sich die öffentliche Rezeption des Krisengeschehens
So eine Crisis könnte auch ihre amüsanten Seiten haben. Wären die derzeitigen Zerfallsprozesse in der Europäischen Union nicht so brandgefährlich, dürfte man sich über das absurde Theater köstlich amüsieren, das Politik und Massenmedien mit zunehmender Krisenintensität aufführen. Wenn die eskalierenden nationalen Spannungen in der Europäischen Union mit persönlichen Lästereien des politischen Spitzenpersonals einhergehen, bei denen sich etwa Sarkozy über die mangelnde Disziplin Merkels bei ihrer Diät auslässt oder Berlusconi den "unpackbaren Hintern" der deutschen Bundeskanzlerin beschreibt, dann grenzt dass selbstverständlich an eine Satire, wie sie etwa von Spitting Image ausgebrütet worden sein könnte. Die Führer der "westlichen Welt" benehmen sich wie Schuljungen, die bei wechselseitigen Pöbeleien die Hackordnung auf dem Schulhof herzustellen versuchten.

[...]
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35813/1.html

Lesenswert.
happiness is the absence of resistance

Re: Finanzkrise

152
Dies ist ein herrliches und hilfreiches Buch. Der amerikanische, in England lebende Anthropologe David Graeber hat soeben eine fast fünfhundertseitige Studie veröffentlicht, die den lakonischen Titel „Debt“ (Schuld) und den unbescheidenen Untertitel „Die letzten 5000 Jahre" trägt. Es ist eine Anthropologie der Schuld und der Schulden und eine Rückeroberung: Endlich kommt einer und entwindet der technologischen Intelligenz der Ökonomie, die immer noch behauptet, die Dinge zu verstehen, einen existentiellen Begriff menschlichen Daseins.
Graeber, einer der führenden Köpfe seines Faches, nennt sich selber einen Anarchisten, was eher darauf zielt, dass er sich keiner Richtung und keiner Partei zuordnen lässt. Er ist, so jedenfalls vermutet die „Business Week", derjenige, der die amerikanische Occupy-Bewegung gerade zu einer intellektuell anspruchsvollen politischen Bewegung transformiert.
Graebers Text ist eine Offenbarung, weil er es schafft, dass man endlich nicht mehr gezwungen ist, im System der scheinbar ökonomischen Rationalität auf das System selber zu reagieren. Diese Tautologie hat in den letzten Monaten im Zentrum eines funktionsunfähigen Systems dazu geführt, dass praktisch alle Experten einander widersprechen und jeder dem anderen vorwirft, die Krise nicht zu verstehen. Diese enorme Entmündigung hat nichts mehr mit Rationalität, sondern mehr mit Intuition, nichts mehr mit Wissenschaft, sondern mit Theologie zu tun.
Käme Plato mit einer Zeitmaschine zu uns, so schreibt Graeber, er würde sich nicht wundern, Menschen zu sehen, die arbeiten müssen, nicht, um ihr Leben zu leben, sondern um eine Schuld zu bezahlen, für die ihr Leben gar nicht ausreicht. Zu seiner Zeit nannte man sie Sklaven.
Graebers Werk zeigt, dass Schulden, so sehr sie uns auch an Ratenzahlungen und den Otto-Versand erinnern mögen oder an die Abstraktion von Billionen Euro aus Brüssel, der revolutionäre Kern unaufhaltsamer gesellschaftlicher Veränderung sind. Es geht um viel mehr als überzogene Dispokredite. Das erste Wort für Freiheit in menschlicher Sprache überhaupt, zeigt Graeber, ist das sumerische „amargi", ein Wort für Schuldenfreiheit. Unsere Vorgänger, so Graeber, die Könige und Kaiser der alten Zeit, die Fürsten und Gouverneure, hatten am Ende nur drei Auswege. Sie taten nichts, dann ging es ihnen meistens an den Kragen. Sie entschuldeten sich und die Banken, dann entstand eine revolutionäre Lage, manchmal über Generationen hinweg. Oder sie entschuldeten alle.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/d ... 27296.html

Vom Herauseber der FAZ(!).
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Re: Finanzkrise

153
Der stille Putsch von Goldman Sachs

Die letzten durch die Finanzkrise ausgelösten Personalentwicklung auf den höchsten Ebenen Europas:

- Papademos ersetzt Papandreou als Premier in Griechenland. Er war Leiter der griechischen Zentralbank in der Zeit als Goldman Sachs half die Griechischen Finanzen zu manipulieren.
"Als im Jahr 2000/2001 der Beitritt des Landes zur Euro-Zone anstand, halfen die New Yorker ­Banker der Linksregierung von Konstantinos Simitis bei der erforderlichen Reduzie­rung des Haushaltsdefizits und organisierten nicht nur Kreditbuchungen in Höhe von 15 Milliarden Euro, ­son­dern ertüftelten auch die Tricks, um die Schul­denaufnahme gegenüber Brüssel zu vertuschen."
http://www.compact-magazin.com/index.ph ... :newsflash
http://www.europarl.europa.eu/sides/get ... XML+V0//DE

- Mario Drahgi ersetzt Trichet als Chef der EZB. Draghi war in einer Führungsposition bei GS.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Draghi

- Mario Monti ersetzt Berlusconi. Monti ist im internationalen Beratergremium von GS.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Monti

Keiner der drei wurde gewählt. Zumindest nicht von der Bevölkerung.. :pfeif:

Ed.: Kleine Korrektur: Der Wechsel an der EZB-Spitze war regulär. Allerdings war angedacht, dass Bundesbankchef a.D. Weber den Posten übernimmt. Das war dann aber aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr erwünscht, da er eine 'harte' finanzpolitische Linie gefahren wäre ( e.g. sich an das Mandat der EZB gehalten hätte ). ^^ Der hat dann das Handtuch geschmissen, wie auch zwei weitere führende deutsche Köpfe bei der EZB in den letzten paar Monaten. Statt dessen sitzt da jetzt Asmussen, über den irgendwo hier im Thread schon jemand einen sehr aufschlussreichen Artikel verlinkt hat.
Zuletzt geändert von Tau-f-risch am 14. November 2011, 17:22, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Finanzkrise

156
Da findet sich bestimmt noch ein Goldman Sachs Banker. :blacklol:
You cannot read the description of the personal stock trading allegedly conducted by Rep. Spencer Bachus and other members of Congress during the financial crisis and conclude anything other than the following:

Our government is completely corrupt.

Yes, this behavior may be technically legal, because of an absurd loophole that makes insider-trading rules not apply to Congress
http://www.businessinsider.com/the-cong ... ly-2011-11
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Re: Finanzkrise

157
Erraphex hat geschrieben:Da findet sich bestimmt noch ein Goldman Sachs Banker. :blacklol:
:D
Er hier hätte grade Zeit. Nachdem er bei Goldman war, hat er erst New Jersey ruiniert, so heißt es, und dann MF Global, einen mittelgroßen Primary Dealer, der vorletzte Woche Konkurs angemeldet hat, an die Wand gefahren. Dabei wurden klar illegalerweise mehrere 100Millionen $ Einlagen von Kundenaccounts veruntreut um das Investmentbanking zu retten - hat nix genutzt, Geld ist futsch. Nebenbei hat er sich fleißig als Spendensammler für Obama verdingt...Man sieht: die perfekte Besetzung für den Job! :nick:

Re: Finanzkrise

158
hrhr..
Der dramatische Anstieg der Zinsen für europäische Staatsanleihen am Dienstag ist die Folge einer fast panischen Kapitalflucht aus Europa. Außer Deutschland waren alle Staaten betroffen, auch solche, die bisher als sicher galten wie die Niederlande, Finnland oder Österreich. Es gebe keine „Erholung, keinen Umschwung der Gefühle“, sagte Jim Leaviss von M&G, einem der größten Vermögensverwalter Europas der FT: „Die Leute wollen ihr Positionen liquidieren, und keiner will kaufen. Es gibt keine Käufer mehr.“
http://www.deutsche-mittelstands-nachri ... /11/32231/
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Re: Finanzkrise

159
der Druck auf die EZB, Schrott-Staatsanleihen auf Teufel komm raus aufzukaufen, steigt exponentiell. Vermutlich wird sie das machen, die Aufkäufe sind im Vergleich zu letzter Woche schon gestiegen; der ESFS reicht aber nichtmal in der gehebelten Variante annähernd um die zukünftig notwendigen Aufkäufe zu finanzieren, da die Italien-Krise "nicht vorgesehen" war; und die Angriffe der Finanzmärkte dehnen sich seit 2 Tagen schon weiter aus: Niederlande, Belgien. Um weiterhin aufkaufen zu können, müsste die EZB bald mal anfangen massiv Euros nachzudrucken: das Inflationsrisiko steigt und steigt. Ich glaube das erklärt auch den steigenden Konsumindex: die Leute ziehen nötige Investitionen vor, solange die noch finanzierbar sind; vom Aufschwung am Arbeitsmarkt bekomm ich weit und breit nix mit, ganz im Gegenteil. Aber die staatliche Propagandamaschine bleibt bei ihrem alles-wird-besser-Mantra.

Kauder hat mit seinem Spruch "jetzt wird in Europa Deutsch gesprochen" http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 61,00.html den Vogel abgeschossen; solche Peinlichkeiten bringen nur unsere Politprofis. Aber vielleicht hat der England damit so auf die Palme gebracht, dass die als erste aus der EU austreten; schlecht wärs nicht, aus meiner Sicht für uns kein grosser Verlust, im Gegenteil: die vertreten doch eher USA als EU-Interessen; und ohne UK erhöht sich die Chance, dass doch eine Finanztransaktionssteuer eingeführt wird, die würde dann ca. 50% der jetzigen Steuermittel ausmachen, die für die jetzigen jährlichen Krisenbekämpfungsmaßnahmen verbrannt werden. Oder in Zahlen: Deutschlands Einnahmen aus dieser Steuer lägen dann bei 10-20 Mrd. EUR. http://europeansforfinancialreform.org/ ... ulantentum , es ist ein Unding, dass diese Steuer noch nicht durchgesetzt ist; aber mir die Tabaksteuer erhöhen, ich könnte :kotz: angesichts der aktuellen Ereignisse.

Die Wegräumung der Occupy Bewegung in NY http://www.youtube.com/watch?v=tpq-moDIkl8 interessiert in der Öffentlichkeit auch niemanden mehr so richtig.
„Hupen Sie, wenn Sie bewaffnet sind!“ (R.A.W)

Re: Finanzkrise

160
n19 hat geschrieben: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 61,00.html
"In den vergangenen Wochen haben sie immer wieder die Euro-Zone dafür verantwortlich gemacht, dass die britische Wirtschaft nicht wächst."
Die bekloppten Inselheinis. London ist die Wurzel dieses Übels. Im UK verdient doch außer der Finanzbranche keiner mehr was.
"Der Dienstleistungssektor hingegen wuchs ständig an und hat nun einen Anteil von 73 % am BIP.[12] Dominiert wird der Dienstleistungssektor von den Finanzdienstleistungen, insbesondere Banken und Versicherungen. London ist der größte Finanzplatz der Welt; die Stadt ist Sitz der London Stock Exchange, von Lloyd’s of London, der Bank of England und zahlreichen Banken wie HSBC, Citigroup und Barclays. Außerdem hat London die größte Konzentration von ausländischen Bankniederlassungen in der Welt." http://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte ... Wirtschaft

Re: Finanzkrise

161
Ein Artikel zu den Goldman Sachs Aktivitäten:
Wurde mit dem neuen italienischen Premierminister Mario Monti nun der Bock zum Gärtner gemacht? Schließlich ist er Berater der US-Investmentbank Goldman Sachs. Die hat bekanntlich eine unrühmliche Rolle in der Finanzkrise gespielt und mit Monti ist der zweite Goldman-Vertraute in europäische Führungspositionen aufgerückt. Auch auf den neuen italienischen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) fällt der lange Schatten von Goldman Sachs. Unklar ist, ob Monti überhaupt die nötige Unterstützung im Parlament erhält. Die Lage an den Finanzmärkten ist weiter angespannt und mit dem Chaos in Italien sind nun auch Spaniens Zinsen auf eine Höhe gestiegen, die es zum Rettungskandidaten machen.

[...]
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35890/1.html
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Re: Finanzkrise

163
The German bank, however, is thinly capitalized. Its total equity at the end of the third quarter was only 51.9 billion euros, implying a leverage ratio (total assets divided by equity) of almost 44. This is up from the second quarter, when leverage was about 36 (assets were 1.849 trillion euros and capital was 51.678 euros.)
Even by modern standards, this is very high leverage. JPMorgan Chase & Co. has a balance sheet about 20 percent smaller than Deutsche Bank’s, but more than twice as much Tier 1 capital, an important indicator of a bank’s financial strength. Bank of America Corp., whose weakness is a serious worry in the U.S. today, has twice Deutsche’s capital. (These comparisons use The Banker’s ranking of the top 25 banks.)
http://www.bloomberg.com/news/2011-11-2 ... agion.html

Könnte teuer werden wenn diese sysmterelevante Bank gestützt werden müsste...
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Re: Finanzkrise

164
Die Bundesregierung ist mit dem Versuch gescheitert, sechs Milliarden Euro an Kredit aufzunehmen. Die Anleger boten nicht einmal 3,9 Milliarden Euro, so dass für 35 Prozent des angebotenen Volumens die Nachfrage fehlte. Regierung und Europäische Zentralbank (EZB) bemühten sich, Zweifel an der Fähigkeit Deutschlands zu zerstreuen, sich ausreichend Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen. "Das Ergebnis der heutigen Auktion spiegelt das äußerst nervöse Marktumfeld wider", sagte ein Sprecher der für das Schuldenmanagement des Bundes zuständigen Finanzagentur.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/deu ... en100.html

Dumdidum...
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Re: Finanzkrise

165
http://www.ftd.de/finanzen/:ramschnivea ... 33636.html
Die Ratingagentur Fitch hat Portugal auf Ramschniveau herabgestuft. Die Agentur bewertet das Land nun mit der Note "BB+" nach bislang "BBB-". Der Ausblick sei negativ, Portugal kein Investment-Grade-Land mehr. Die Ratingagentur begründete ihren Schritt mit den großen Ungleichgewichten im Haushalt, der hohen Verschuldung über alle Sektoren hinweg sowie einem ungünstigen konjunkturellen Ausblick. Fitch rechnet damit, dass die portugiesische Wirtschaft im kommenden Jahr um drei Prozent schrumpft.
damit sind Eurobonds wohl entgültig alternativlos, haha, und wie praktisch, das Portugal den ehrwürdigen EU-Kommissionspräsident Barroso stellt.

Komm Merkel, hau die letzten Eur endlich raus und dann machen wirs Licht in D auch aus.
„Hupen Sie, wenn Sie bewaffnet sind!“ (R.A.W)

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