Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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Interessante neue Ansätze in der Angstforschung, Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen Angststörungen.
(...)
Verknüpfung mit dem Angstzentrum gelöscht

Warum die Angst aus der Erinnerung verschwindet, erklären die Wissenschaftler mit der Wirkung von Propranolol im Gehirn: Das Medikament senkt den Blutdruck und die Herzfrequenz, indem es in den Körperzellen bestimmte Rezeptoren für das Stresshormon Adrenalin blockiert. Solche Rezeptoren gibt es praktisch in allen Organen, auch in Herz, Lunge, Niere und Muskulatur. Man bezeichnet sie als Beta-Rezeptoren, weshalb entsprechende Medikamente auch als Betablocker bekannt sind. Der Betablocker Propranolol gelangt aber mit dem Blut auch ins Gehirn, wo es in der Region, die die Gefühle steuert, ebenfalls Beta-Rezeptoren gibt. Wenn sie von Propranolol besetzt werden, können Stressbotenstoffe wie Noradrenalin nicht andocken. Folge: Das Angstzentrum kann für einige Zeit nicht in Erregung versetzt werden. Passiert das, während eine Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist, verändert das ihren Inhalt: Die Erinnerung wird nun ohne Angst neu abgespeichert. Die alte Verknüpfung ist gelöscht.
Hoffnung für viele Patienten

"Propranolol bewirkt nicht, dass die Erinnerungen inhaltlich verändert werden, oder dass man nachher nicht mehr weiß, was geschehen ist. Aber das akute Gefühl, also die Angst, die vorher automatisch mit aufkommt, die wird gelöscht, dank der Neu-Bewertung der Erinnerung im Gedächtnis. Und das ist ein ganz natürlicher Mechanismus", so Merel Kindt, Leiterin der Forschungsgruppe: "Das Gedächtnis funktioniert von Natur aus so, dass es Erinnerungen immer wieder neu bewertet. Wir helfen nur dabei, belastende Anteile loszuwerden."
(...)
http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbei ... nerung.jsp
Staunen über die Fülle möglicher Erfahrungen auf diesem wunderbaren Planeten in diesem einzigartigen Leben.

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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die Darstellung des Themas in dem Link ist dem WDR jetzt nicht so prall gelungen :rofl:

ich finds interessant was die Dame da so forscht, und vor allem wie sie das macht. Das ist schon eine Bereicherung für den Behaviorismus. Dieses Medikament ist ja mehr Mittel zum Zweck für ihre Forschung (im Labor), als ein Allheilmittel gegen Angst. OMG WDR, berichtet doch einfach über Kornkreise in den Wissenschaftsshows. Bevor sich noch jemand Pharmakram bestellt und morgen tot wach wird.

http://www.scienceomega.com/article/827 ... radication
http://www.kindtmethod.com/wp-content/u ... C-2012.pdf

Da ausgerechnet dieses Medikament aber ein beliebtes Suizidmittel war (oder noch ist, k.a.), halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass es jemals außerhalb seines jetzigen Einsatzgebietes verordnet werden wird.
„Hupen Sie, wenn Sie bewaffnet sind!“ (R.A.W)

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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also anstatt benzos jetzt beta-blocker und alles wird jut? ^^
Gerade auch in anbetracht der tatsache, dass du angehender mediziner bist, kann man deinen kommentar eigentlich nur noch als ignorant - um nicht zu sagen: dümmlich bezeichnen. Sorry, aber is so.
Mag sein, dass der artikel nicht so toll gelungen ist; das ändert aber nichts an der tatsache, dass wir es hier mit einer bemerkenswerten neuentdeckung zu tun haben.
Es geht hier nicht darum, drogen zur angstunterdrückung zu nehmen, und alles wird gut. Viel mehr geht es darum, dass hier die nebenwirkung einer substanzgruppe entdeckt wurde, die eine grundlegende neubewertung alt eingefahrener prägungen ermöglicht - z.b. im rahmen einer desensibilisierenden exposition, wie sie in der kognitiven verhaltenstherapie sowieso durchgeführt wird. Unterstützt durch die nebenwirkung dieser betablocker erweitert sich diese zu einer tiefgreifenden umstrukturierung der erlernten angstmuster. Ähnlich wie bei EMDR ("Eye Movement Desensitization and Reprocessing") in der traumatherapie hat man hier eine art schlüssel zu den erinnerungen bzw. deren neubewertenden gefunden, der es ermöglicht, assoziationen zwischen bestimmten erinnerungen und schmerzhaften, pathologischen emotionsreaktionen dauerhaft zu schwächen / überschreiben.
Da ausgerechnet dieses Medikament aber ein beliebtes Suizidmittel war (oder noch ist, k.a.), halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass es jemals außerhalb seines jetzigen Einsatzgebietes verordnet werden wird.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in zukunft davon noch hören werden.

Jedenfalls ein äußerst interessantes forschungsgebiet.
Zuletzt geändert von ohn am 12. Mai 2013, 20:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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ohn hat geschrieben:Viel mehr geht es darum, dass hier die nebenwirkung einer substanzgruppe entdeckt wurde, die eine grundlegende neubewertung alt eingefahrener prägungen ermöglicht - z.b. im rahmen einer desensibilisierenden exposition, wie sie in der kognitiven verhaltenstherapie sowieso durchgeführt wird. Unterstützt durch die nebenwirkung dieser betablocker erweitert sich diese zu einer tiefgreifenden umstrukturierung der erlernten angstmuster. Ähnlich wie bei EMDR ("Eye Movement Desensitization and Reprocessing") in der traumatherapie hat man hier eine art schlüssel zu den erinnerungen bzw. deren neubewertenden gefunden, der es ermöglicht, assoziationen zwischen bestimmten erinnerungen und schmerzhaften, pathologischen emotionsreaktionen zu dauerhaft zu schwächen / überschreiben.
Danke.
Gehöre zwar selbst eher zu den psychopharmakologischen Skeptikern, stimme aber zu, dass das eine ziemliche Entdeckung ist. Ich kenne einige Menschen mit schweren Fällen von PTBS, die ständig auf Benzos und Antidepressiva, in Kliniken oder zumindest intensiver ambulanter Behandlung sind, und sehr reflektiert und bemüht, aber ihren Flashbacks und Dissos trotzdem völlig ausgeliefert. Ich weiß nicht, ob sich das jemand, der es noch nicht erlebt hat, vorstellen kann. Für manche geht es nicht darum, dass wieder "alles gut wird" und die Angst verschwindet, sondern zunächst einmal um das Überleben. An das charakteristische "sprachlose Entsetzen" kommt man nicht so einfach ran und wer glaubt, dass die Lösung zu jedem Zeitpunkt nur die direkte Konfrontation sein kann, unterschätzt die Risiken der Traumatherapie und die Verletzlichkeit der Traumatisierten. Und bagatellisiert ihr Leiden irgendwie, zumindest durch ein salopp dahergesagtes "Ach, wieder ein Medikament, das alles gut machen soll?" - da schwingt für mich sowas mit wie: "Ah, die bekommen es nicht auf die Reihe, sich ihren Dämonen zu stellen, und warten lieber auf die einfache Lösung".
So schön es auch wäre, könnten alle Menschen ihre Ängste ohne medikamentöse Hilfsmittel unter Kontrolle bringen/auflösen/mit ihnen umgehen lernen...ich glaube nicht (mehr) daran. Würde mich freuen, täte sich was in der Richtung, schon allein, weil es vielen Menschen mal wieder etwas Hoffnung geben würde.

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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man kann aber auch sachen in solche worte hineininterpretieren, die man selber so sehen will.
ich find behaviorismus. d.h. wenn von gehirnen und ihren wirkungen gesprochen wird, nur witzig - tut mir leid ^^

interessanterweise steht auf wikipedia, dass propanolol eben bei solchen fällen schon länger als off-label benutzt wird. denke mal daher kommt überhaupt diese idee das mal zu erforschen. von neu-entdeckung würde ich deshalb nicht sprechen. und den super durchbruch wird es eben nicht gewesen sein ;)
Don't worry, nothing is under control.

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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Natürlich ist es nicht ganz neu, der verlinkte artikel beispielsweise ist von 2010...
Hineininterpretiert wurde von mir hier nichts, beschäftige dich einfach mal außerhalb dieses einen artikels mit dem thema.
Ich sage ja nicht, es sei DER durchbruch, aber es ist definitiv ein forschungsfeld, was die zukunftige therapie wesentlich beeinflussen wird.
Wenn die tatsache, dass angst als erlerntes muster durch umlernen modulierbar ist, in deiner welt "nur witzig" ist, ist ja schön und gut für dich - disqualifiziert dich jedoch für jegliche diskussion bzgl. des themas. ^^
Zuletzt geändert von ohn am 12. Mai 2013, 22:18, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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ja die ganze Neurowisssenschaft ist sehr witzig :lol:
vor allem die Wörter "Verknüpfen", "Speichern", "bewerten" sind im Zusammenhang mit dem Gehirn schon recht amüsant, da man doch eigentlich absolut keinen Schimmer hat, wie das dort abläuft/ablaufen soll.
witzig ist auch, wenn die "Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist".
das erheitert echt mein gemüt :2daumen:
Don't worry, nothing is under control.

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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unverständliche aggressionen :verwirrt:

ich mache mich doch nur über diese "blackbox"-synonyme lustig, und dann wird mir empathielosigkeit vorgeworfen?
nochmal zum mitschreiben: dieser wirkungsmechanismus, der da so schön bio-mechanisch beschrieben wird, ist nichts anderes als eine theorie. sozusagen eine geschichte über das gehirn und sein körper, die ich einfach witzig finde. oder anders gesagt: eine blackbox in einer blackbox, in einer blackbox etc. dabei hat jede einen anderen namen und am ende denkt man, man hätte etwas erklärt, oder auch nur verstanden.
das problem ist, dass non-lokale phänomene, wie z.B. ein gedanke oder eine erinnerung plötzlich mit lokalen phänomenen, wie bspw. neurotransmitter assoziiert ist.
niemand weiß wie das geht, aber alle tun so, als ob sie es wüßten :joint:

ich mache mich weder über kranke lustig, noch bewerte ich die krankheit oder die therapie! :nixplan:
Don't worry, nothing is under control.

Re: Forscher verändern Erinnerungen mit Propranolol

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Gehöre zwar selbst eher zu den psychopharmakologischen Skeptikern, stimme aber zu, dass das eine ziemliche Entdeckung ist. Ich kenne einige Menschen mit schweren Fällen von PTBS, die ständig auf Benzos und Antidepressiva, in Kliniken oder zumindest intensiver ambulanter Behandlung sind, und sehr reflektiert und bemüht, aber ihren Flashbacks und Dissos trotzdem völlig ausgeliefert. Ich weiß nicht, ob sich das jemand, der es noch nicht erlebt hat, vorstellen kann. Für manche geht es nicht darum, dass wieder "alles gut wird" und die Angst verschwindet, sondern zunächst einmal um das Überleben. An das charakteristische "sprachlose Entsetzen" kommt man nicht so einfach ran und wer glaubt, dass die Lösung zu jedem Zeitpunkt nur die direkte Konfrontation sein kann, unterschätzt die Risiken der Traumatherapie und die Verletzlichkeit der Traumatisierten. Und bagatellisiert ihr Leiden irgendwie, zumindest durch ein salopp dahergesagtes "Ach, wieder ein Medikament, das alles gut machen soll?" - da schwingt für mich sowas mit wie: "Ah, die bekommen es nicht auf die Reihe, sich ihren Dämonen zu stellen, und warten lieber auf die einfache Lösung".
So schön es auch wäre, könnten alle Menschen ihre Ängste ohne medikamentöse Hilfsmittel unter Kontrolle bringen/auflösen/mit ihnen umgehen lernen...ich glaube nicht (mehr) daran. Würde mich freuen, täte sich was in der Richtung, schon allein, weil es vielen Menschen mal wieder etwas Hoffnung geben würde.
Word. Imho ist es wichtig das den Behandelnden (Ärzte, Therapeuten ..) der Therapieerfolg am wichtigsten ist und nicht der Glaube an das eigene Paradigma. Dementsprechend sollte man für alle Möglichkeiten offen sein und die Individualität des Ansprechens auf verschiedene Heilmethoden berücksichtigen. Ich glaube keiner nimmt gerne langfristig irgendwelche Pharmaka ein, aber für Heilung, Linderung, Verringerung von Leiden heiligt der Zweck die Mittel. Hab mir den Artebeitrag nicht angeschaut aber davon in ner Psychologievorlesung an der Uni gehört und soweit ich das in Erinnerung habe soll das Propranolol ja gerade nicht in Dauermedikation gegeben werden sondern als Unterstzützung zu einer Psychotherapie in dem dann das Angstgedächnis leichter "umprogrammiert/resetet" werden kann.

@geti: sehe auch keine Grund sich so aufzuregen, denn der werte Medizinstudent äußert nur ein paar Beobachtungen über die Sprache und die ganze Denkweise der Neurowissenschaft, die aus historischen Gründen stark von einem informatisch-kognitivistischen Denk-/Betrachtungsmodell geprägt ist und dadurch möglicherweise limitiert und in einer reduktionistischen Falle. Wer weiß ...^^ Auf jeden Fall kommt es mir so vor, dass, umso mehr ich mich mit dem ganzen Kram beschäftigt habe, ich merke, dass da auch nur mit Wasser gekocht wird wobei Menschen, die weniger Kontakt dazu haben oft mehr wissenschaftsgläubig ( die große Religion unserer Zeit ? ) sind als diejenigen, die im Betrieb stecken. Denn die erkennen (vlt) die Grenzen und das auf ganz vernünftigem Wege ...
Take pain as a game.

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