Re: Determinismus durch freien Willen

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ich finde auch das wort "zufall" wird oft nicht richtig interpretiert...

schliesslich ist es ein wort das zusammen gesetzt ist aus "zu" und "fallen". d.h. etwas fällt einem zu...

von dem her fällt einem etwas zu, wenn man sich dementsprechend verhält. was vorraussetzt, dass es eben deterministisch ist, dass etwas zu fällt, aber der freie wille entscheidet darüber inwiefern oder wie es einem zu fällt :)
Hab Spaß am Leben! Denn wer nicht lebt ist selber schuld!

... eigentlich macht irgendwie den satz kaputt!

Re: Determinismus durch freien Willen

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Eulenspiegel hat geschrieben:
Erraphex hat geschrieben:Mich irritiert die Überschrift. Freier Wille durch Determinismus? Meinst du vielleicht freier Wille trotz Determinismus? Wie kann ein freier Wille dadurch entstehen?

Ich vermute ein 100% deterministisches Universum, die Nichtexistenz von Zufall, wie auch keinen freien Willen.
Ohne jetzt alles gelesen zu haben, möchte ich gerne eine Anmerkung zu diesem Quote machen, die letztlich auch auf eine LSD-Erfahrung zurück geht.

Könntest Du weit genug zurücktreten, würdest Du sehen das "Freier Wille" und "Determinismus" keine Gegensätze, sondern die beiden Seiten der selben Münze sind.
Dazu ein, zwei Anmerkungen. Zum einen war die erste Aussage im Thread durchaus provokativ formuliert. ;) Weiterhin glaube ich inzwischen mir recht sicher zu sein, dass es einen freien Willen gibt. ABER: Dieser freie Wille kommt viel, viel, viel seltener zu tragen als viele glauben dürften. ;)

Und ja, freier Wille und die Art von Determisnimus (eben nicht streng mechanistisch) die ich hier im Thread versucht habe zu beschreiben widersprechen sich tatsächlich nicht.
happiness is the absence of resistance

Re: Determinismus durch freien Willen

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DrSpaCe hat geschrieben:ich finde auch das wort "zufall" wird oft nicht richtig interpretiert...

schliesslich ist es ein wort das zusammen gesetzt ist aus "zu" und "fallen". d.h. etwas fällt einem zu...

von dem her fällt einem etwas zu, wenn man sich dementsprechend verhält. was vorraussetzt, dass es eben deterministisch ist, dass etwas zu fällt, aber der freie wille entscheidet darüber inwiefern oder wie es einem zu fällt :)
Schöne und treffende Bemerkung. :) Eigentlich erstaunlich wieviele Wörter, wenn man sie auseinander nimmt, unpassend verwendet werden.
happiness is the absence of resistance

Re: Determinismus durch freien Willen

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Erraphex hat geschrieben:... Und ja, freier Wille und die Art von Determisnimus (eben nicht streng mechanistisch) die ich hier im Thread versucht habe zu beschreiben widersprechen sich tatsächlich nicht.
Ich meinte das schon noch etwas anders: Wenn "Der freie Wille" vollkommen ist, d.h. in jeder Hinsicht vollkommen frei und wenn der Determinismus vollkommen ist, dann sind sie ein und das Selbe; halt die beiden Seiten der selben Münze.

Unser Problem ist die Perspektive. Gefangen im Innereren der Münze scheinen sich die Zwei zu unterscheiden, da sie rechts und links von uns sind oder auch vor und hinter uns oder wie auch immer.

Dualität ist ein Experiment an dem wir hier auf Erden teilnehmen, weshalb uns der Dualismus als natürlicher Zustand erscheint, aber das ist er nicht. Es ist, wie gesagt, nur ein Experiment.

Das ist so ähnlich wie mit einer Landesgrenze: Du findest sie in jedem Atlas und in den Köpfen der Menschen und im Falle der ehemanligen Grenze BRD/DDR konnstest Du sogar hinfahren und Dir den Stacheldrahtzaun und den Todesstreifen ansehen.

Ein Schwarm von Zugvögeln auf seinem Weg wird beim Überfliegen der "Grenze" jedoch keine Veränderung wahrnehmen, da diese - nochmal - ja nur in den Köpfen der Menschen existiert und letztlich keine Substanz hat.
And I'll spread my wings 'till sun and moon, singing the song of life, dancing the dance of life, becoming life itself, no longer knowing, that I am.

Re: Determinismus durch freien Willen

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Eulenspiegel hat geschrieben: Ich meinte das schon noch etwas anders: Wenn "Der freie Wille" vollkommen ist, d.h. in jeder Hinsicht vollkommen frei und wenn der Determinismus vollkommen ist, dann sind sie ein und das Selbe; halt die beiden Seiten der selben Münze.

Unser Problem ist die Perspektive. Gefangen im Innereren der Münze scheinen sich die Zwei zu unterscheiden, da sie rechts und links von uns sind oder auch vor und hinter uns oder wie auch immer.
Du hast in dem Seele Thread folgendes Bild dafür gefunden.
Eulenspiegel hat geschrieben: Auf der atomaren Ebene ist er jedoch auch VIELE. Und da das Eisen eines Meteors auch noch magnetisch ist, beeinflußen die sich auch noch gegenseitig.
Das trifft gut das Beispiel Bewusstsein/ Gesamt-Bewusstsein, nur habe ich Probleme diese Sichtweise auf die Determinismus/ Freier Wille Diskussion anzuwenden.

Ich versuche es mal mit einem Beispiel. Die Pfeife symbolisieren einen Energieaustausch mit dem System.

Determistische Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3

Freier Wille Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3
ODER
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 4

Wo ist das identisch?

Und ausserdem gibt es determinstische Zustandswechsel in diesem System die nichts mit dem freien Willen zu tun haben.

Beispiel: Regentropfen fällt und wird durch den Wind zu genau einer bestimmten Stelle getragen.

Wo ist hier die andere Seite, der freie Wille?
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Re: Determinismus durch freien Willen

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Erraphex hat geschrieben:....
Determistische Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3

Freier Wille Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3
ODER
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 4

Wo ist das identisch? ....
Du bewertest das "System" innerhalb des "Systems", was ich zum Ausdruck bringen wollte, als ich von der Münze sprach und das wir zwischen den Polen gefangen sind.

Stell Dir einen Rechner vor der echtes Multitasking beherscht, mit unendlicher Kapazität und einer Rechnergeschindigkeit bei der das Licht zur lahmen Schnecke wird. Der checkt das gesamte Universum von Anfang bis Ende und zwar für jedes einzelne Lebewesen und auch für jeden Regentropfen{auch die auf B.-Geuze}und dann beschließen wir, es durchzuziehen.
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Re: Determinismus durch freien Willen

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Eulenspiegel hat geschrieben:
Erraphex hat geschrieben:....
Determistische Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3

Freier Wille Variante:
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 3
ODER
Zustand 1 -> Zustand 2 -> Zustand 4

Wo ist das identisch? ....
Du bewertest das "System" innerhalb des "Systems", was ich zum Ausdruck bringen wollte, als ich von der Münze sprach und das wir zwischen den Polen gefangen sind.

Stell Dir einen Rechner vor der echtes Multitasking beherscht, mit unendlicher Kapazität und einer Rechnergeschindigkeit bei der das Licht zur lahmen Schnecke wird. Der checkt das gesamte Universum von Anfang bis Ende und zwar für jedes einzelne Lebewesen und auch für jeden Regentropfen{auch die auf B.-Geuze}und dann beschließen wir, es durchzuziehen.
Ich denke jetzt seit Tagen über diese Aussage nach und bin zum Schluss gekommen, dass du uns damit den freien Willen absprichst. ^^

Nach deiner Aussage können wir uns ja gar nicht anders entscheiden als es das System es uns vorgibt (Rechnerbild: alles ist bereits "berechnet"). Auch wenn wir glauben, dass wir es könnten (aka "beschließen" es durchzuziehen).

Habe ich deine Aussage jetzt richtig interpretiert?
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Re: Determinismus durch freien Willen

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und dann beschließen wir, es durchzuziehen.
ja sehr interessantes ding!
ist überhaupt eine aussage möglich was denn von eule intendiert ist?es steht eigentlich nichts definites da.
Die Frage ist, ob die Maschiene bemerk wenn "[img]es[/img]durchgezogen" wird oder nicht.
Und so wie der Text verfasst ist ("Stell Dir einen Rechner ... Regentropfen" bis soweit ist [als "werkimmanente Interpration", entschuldiggt :hurra: ] bis hierhin ist klar , dass ALLES von der Maschiene im vorraus zu "berechnen" ist), d.h. mit der kursivschrift (betonend?), dem unebkannten "es" (was mir als leser hier zum erstenmal begegnet und auch nicht weiter erklärt wird und was mir durch die Nichtnennung oder der Verheimlichung von dem was "es" ist auch suggeriert das die Maschiene davon nichts weiß), erscheint es mir so als sei eine definite aussage bewusst vermieden worden.

(nur "B.-Geuze" passt nicht so ganz rein. oder vielleicht irgendwie doch: "Geuze oder Gueuze ist eine belgische Bierspezialität."(wiki) in sofern passt es auch irgendwie VOLL rein ;))

Eigentlich hat das Ding durchaus literarische qualität (mindestens aber musste ich arg schmunzeln).


bin gespannt was es wirklich soll.
so hätte ich die analyse in der schule geführt :spinnst:

Re: Determinismus durch freien Willen

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Erraphex hat geschrieben:Ich denke jetzt seit Tagen über diese Aussage nach und bin zum Schluss gekommen, dass du uns damit den freien Willen absprichst. ^^ // Nach deiner Aussage können wir uns ja gar nicht anders entscheiden als es das System es uns vorgibt (Rechnerbild: alles ist bereits "berechnet"). Auch wenn wir glauben, dass wir es könnten (aka "beschließen" es durchzuziehen). // Habe ich deine Aussage jetzt richtig interpretiert?
Aaarrrggghhh!!! Das war als Gleichnis gedacht. Ich benutzte das Mittel der{Schrift-}Sprache, daß nur innerhalb des Systems existiert und zudem einer Syntax unterworfen ist, die das Weltbild des Benutzers manipuliert um etwas Unbeschreibliches zu beschreiben.
Damit der Thread "rein" bleibt, habe ich jetzt mal einen Neuen gemacht{auf den ich mich gelegentlich beziehen möchte}: Sprache
Nur wegen der Logick unzo. :ack:


Trotzdem beinhaltet Deine Schlußfolgerung unabhängig davon einen Schönheitsfehler. Du gehst von einem ES{das System}aus, von dem ich nie gesprochen habe. Ich sprach davon, das "wir" dann beschließen, es durchzuziehen.

Das selbe "wir" ist aber auch der Rechner und es ist dieses "wir", welches sich das Konstrukt der Zeit als Teil des Spiels ausgedacht hat. :freak:

See?!?

Auch hier muß ich leider für die nächsten drei Wochen aufhöhren. :wink:
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Re: Determinismus durch freien Willen

26
Ich habe grade dieses Buch http://www.amazon.de/Einmal-Unendlichke ... 271&sr=1-3
durchgelesen, es beschreibt genau das Problem mit
den Unendlichen Tasks in einer Endlichen Zeit.

Ich weiss nicht, ich finde diese Maschinistische
Art und Weise sich so etwas Vorzustellen nicht
grade Prickelnd. Klar ganz ausschliessen könnnen
wir es nicht das wir nur eine Simulation sind.

Für Gedankenspiele ist es sicherlich ein vereinfachtes
Abstraktionsmodell mit dem man sich leichter an etwas
Universelles herantasten kann da man mit weniger
Bedingungen auskommt die solch eine Systehmatisierte
herangehensweise überhaupt erst Erlaubt.

Bisschen gruselig wärs doch schon wenn Wir alle nur
Programme wären die abgearbeitet werden, es würde
evtl Sinn machen, die Systeme mit lebendigkeit (spiritueller)
energie zu füllen die als Variable mit Auftritt.

Entschuldigung, mangels besser Worte dafür habe ich
versucht das so zum umschreiben, es ist sicherlich offen
wie man Lebendigkeit definiert für etwas rein Geistiges.
Würde man einen Zufallsfaktor überall mithineinbringen,
würde es z.t. logische Probleme aufwerfen diese zu Integrieren.

Re: Determinismus durch freien Willen

27
Ein neues Forschungsprojekt zum Thema wann Entscheidungen bewusst gefällt werden:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28025/1.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Nicht das es weiterführende Erkenntnisse zu diesem Thema liefern würde - interessant ist es trotzdem. ;)

Ganz passend beschreibt es:
Aus neurowissenschaftlicher Perspektive ist die neue Studie von Chun Siong Soon, Marcel Brass, Hans-Jochen Heinze und John-Dylan Haynes sicher eine hochwertige und interessante Arbeit. Problematisch wird allerdings schon die Interpretation, es handle sich um "unbewusste Einflüsse" auf eine "freie Entscheidung." Rätselhaft bleibt vor allem, was diese Daten zu unserem Verständnis freien Willens und freier Entscheidungen beitragen. Ähnlich wie man schon Benjamin Libets Arbeiten bis heute einseitig und oberflächlich interpretiert hat, dürfte daher auch die neue Studie in zukünftigen Diskussionen um die Willensfreiheit ihren Spuk treiben. Man sollte von den entsprechenden Forschern aber erst einmal eine Beschreibung erwarten, was sie überhaupt unter einem freien Willen verstehen, bevor sie sich anschicken, ihn zu widerlegen.
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Re: Determinismus durch freien Willen

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Auch mal'n Quote:
P.M. Magazin 06/2008

Psychologie
Wie der Wille uns beherrscht - und wir ihn!

Jeder kennt die Situation. Wir naschen, obwohl wir fasten wollen. Wir rauchen, obwohl es uns umbringt. Wir denken »Nein« und sagen »Ja«. Warum tun wir oft, was wir gar nicht wollen? Haben Wissenschaftler recht, die uns als Sklaven unseres Gehirns sehen?

So viel ist gewiss: Suresh Joachim hat Ausdauer und Willensstärke. Er zeigte sie, als er 76 Stunden auf einem Bein stand und die aufsteigenden Schmerzen ignorierte. Er bekräftigte sie, als er in jeder von 1000 aufeinanderfolgenden Stunden ein Stück rannte – Tag und Nacht, sechs Wochen lang, über fast 4000 Kilometer. Er bewies sie abermals, als er einen 4,5 Kilogramm schweren Stein 130 Kilometer weit im Kreis trug. Der inzwischen 39-jährige Tamile aus Sri Lanka ist an Hartnäckigkeit kaum zu überbieten: Er will Geld sammeln für sein privates Kinderhilfswerk – und um Interesse dafür zu wecken, möchte er 150 Eintragungen in das Guinness-Buch der Weltrekorde erreichen. Mit purer Willensstärke hat er es geschafft, aus einer aussichtslosen Startposition heraus weltweite Aufmerksamkeit zu erregen. Auch anderen Menschen gelingt mit Willensstärke Erstaunliches: Alexander der Große eroberte mit einer vergleichsweise winzigen Streitmacht Asien, Mahatma Gandhi vertrieb mit der Macht seines Willens die Engländer aus Indien. Mutter Teresa spann mit Beharrlichkeit aus dem Nichts ein globales Hilfswerk. Unbeugsamer Wille lässt Beinamputierte zu Sprintern werden, ermöglicht Bergsteigern, aus der Todeszone wiederzukehren, peitscht Tour-de-France-Fahrer über die höchsten Pässe. Mit Willenskraft pumpt sich Arnold Schwarzenegger zum Mister Universum auf, schafft der Tellerwäscher den Weg zum Millionär und schlägt sich auch der mittelmäßige Boxer Rocky, gespielt von Sylvester Stallone, bis ganz nach oben durch. Solche Geschichten faszinieren uns, denn sie versprechen: Auch wir könnten es schaffen – wenn wir nur wollen. Doch so simpel ist die Lage nicht. Die Helden wären keine Helden, wenn ihre Aufgabe so einfach wäre. Im Alltag machen nämlich viele eine ernüchternde Erfahrung: Der Wille ist da, aber er schwächelt schon auf den ersten Metern. Viele, die zu Silvester der Zigarette abschwören, beginnen schon zu Neujahr wieder zu rauchen. Wie kommt das? Wieso kann der Wille des einen Berge versetzen, während der Wille des anderen nicht mal reicht, den Glimmstängel liegen zu lassen? Je mehr man sich mit dem Willen beschäftigt, desto unübersichtlicher wird das scheinbar einfache Phänomen. Der Wille begleitet uns ein Leben lang: vom ersten Schrei des Neugeborenen bis zum letzten Willen auf dem Sterbebett. Doch sind wir nur begrenzt Herr im eigenen Haus. Schon der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer hat erkannt: »Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.«

Allein die Existenz von Werbung beweist, wie erfolgreich der Wille des Menschen von außen gelenkt wird. Zudem entsteht der größte Teil unseres Willens unkontrollierbar im Unterbewussten. Unsere Organe funktionieren autonom; müssten wir sie per Willenskraft auf Kurs halten, wären wir bald am Ende. Selbst beim Sprechen kontrolliert unser Wille nur den ungefähren Inhalt des Gesagten. Wie sich dieser in korrekte Wortfolgen und in die richtigen Zungenbewegungen übersetzt, entscheiden Mechanismen, die sich unserem Bewusstsein entziehen. So bruchstückhaft der Wille unser Handeln kontrolliert, so wichtig ist er für unser Gefühl von individueller Autonomie: Nur wenn wir unserem eigenen Willen folgen können, gewinnen wir den Eindruck, frei zu sein. Andersherum brauchen wir den Willen, um mit Freiheit umgehen zu können: Müssen wir in einer offenen Situation Entscheidungen fällen, weist uns allein der Wille den Weg. Jedoch werden Wille und Freiheit zu Gegensätzen, sobald sich Willensstärke ins Extrem steigert: Jeder, der seinem Ziel gänzlich unbeirrt folgt, wird zum Sklaven seines Willens. In seinen vorhersagbaren Handlungen gleicht er einem Roboter und ist unfreier als jeder Gefangene. Doch einen gemeinsamen Nenner scheint es zu geben: Alle Menschen haben den Eindruck, in ihren Willensentscheidungen frei zu sein. Wenn wir zwischen Glühwein und Würstchen, zwischen Tatort und Sportschau wählen, dann sind wir zugleich sicher, dass wir immer auch hätten anders entscheiden können. So überzeugt sind wir von dieser Freiheit, dass wir uns sogar über vergangene Fehlentscheidungen grämen. Doch gerade diese zentrale Überzeugung wird jetzt von Hirnforschern angezweifelt. Sie behaupten: Unser freier Wille ist eine Illusion, in Wirklichkeit werden ALLE unsere Entscheidungen vom Gehirn selbstständig gefällt. Erst im Nachhinein deklariert unser Bewusstsein einige dieser Entscheidungen als freie Willensentscheidungen – einfach damit wir uns besser fühlen. »Freier Wille beseitigt den Erklärungsnotstand, warum wir etwas getan haben. Es ist eine nachträglich aufgesetzte Illusion, um unser Handeln zu legitimieren, das auf einer Zwangsläufi gkeit der stammesgeschichtlichen und individualgeschichtlichen Faktoren beruht«, behauptet der Biologe Franz Wuketits. Sein Kollege, der Bremer Neurologe Gerhard Roth, fasst es kürzer zusammen: »Sprache dient in erster Linie der Rechtfertigung des eigenen Verhaltens.« Was die Wissenschaftler damit meinen, erkennt man plakativ an Versuchen mit posthypnotischer Suggestion. Dabei erteilt der Versuchsleiter den Probanden unter Hypnose Aufträge, die sie nach dem Aufwachen ausführen sollen: etwa auf ein Fingerschnipsen des Versuchsleiters hin die Tür öffnen. Nach der Rückkehr zum Normalbewusstsein fühlen sich die Versuchspersonen entspannt und können sich nicht an Aufträge erinnern. Mitten im lockeren Geplauder schnipst dann der Versuchsleiter mit dem Finger. Unverzüglich steht die Versuchsperson auf, öffnet die Tür und schaut hinaus. Fragt man sie nach den Gründen, folgen abenteuerliche Konstrukte: »Ich hatte ein Geräusch gehört «, »Mir war warm« oder »Ich wollte kontrollieren, ob die Tür quietscht«. Der Mensch, so scheint es, hat keine Schwierigkeiten, sich nachträglich einen Willen herbeizulügen.

Die Frage ist nun: Tun wir das auch in Alltagssituationen? Fällen sich Entscheidungen ohne unser bewusstes Zutun, und wir erfi nden anschließend einen passenden Willen dazu? Genau so ist es, meinen die Hirnforscher! Sie beziehen sich dabei auf ein bahnbrechendes Experiment, das der amerikanische Psychologe Benjamin Libet Anfang der 1980er Jahre startete. Seine Versuchspersonen sollten darin eine Taste betätigen – zu einem von ihnen selbst frei gewählten Zeitpunkt. Zugleich sollten sie sich merken, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Handlungsentschluss gefällt hatten. Um diesen Zeitpunkt präzise feststellen zu können, stand den Versuchspersonen eine schnell laufende Uhr zur Verfügung, deren Zeiger in 2,56 Sekunden eine volle Umdrehung machte. Das erste Teilergebnis der Versuche entsprach den Erwartungen: Der Willensentschluss geht der Fingerbewegung voraus, und zwar um etwa 200 Millisekunden. Umso erstaunlicher das zweite Teilergebnis: Noch vor dem bewussten Entschluss gibt es eine elektrische Welle, die durch das Gehirn läuft! 350 Millisekunden ehe wir etwas entscheiden, hat das Gehirn bereits die Signale losgeschickt, die zur Fingerbewegung führen. Für Professor Wolf Singer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt, ist die Bedeutung dieser Versuche eindeutig: »Bei der Erforschung von Gehirnen fi ndet man nirgendwo einen freien Willen oder eine eigene Verantwortung. Wir sollten aufhören, von Freiheit zu reden.« Nach seiner Auffassung sind wir durch unser Gehirn determinierte Maschinen. Gezielt stellt er unser Rechtssystem infrage: Wie soll man von Schuld sprechen, wenn wir keine freien Willensentscheidungen fällen? Kann man einen Mörder bestrafen, der nie eine Alternative hatte, als das zu tun, was er schließlich getan hat? Sehr wohl solle man den Mörder bestrafen, meint hingegen Benjamin Libet. Er sieht durch seine Messungen den freien Willen des Menschen keineswegs widerlegt. Vielmehr hat er beobachtet, dass die elektrische Welle, die sich schon vor dem Willensentschluss im Gehirn zeigt, nicht notwendig zu einer Handlung führt. Daraus schloss er, dass unser freier Wille eine bereits angelaufene Handlung durchaus unterbinden kann, wenn sie uns nicht passt. Der Wille wäre danach so etwas wie ein Aufpasser: Das Unterbewusste generiert zahllose Handlungsvorlagen, und unser Wille lässt nur diejenigen durch, die uns als angemessen erscheinen. Deshalb, so Libet, seien auch die Zehn Gebote des Christentums als Verbote formuliert: »Du sollst nicht ...« Demnach wusste schon die Bibel von der Vetomacht des Willens.

Die Schwierigkeiten mit dem Willen reichen noch tiefer: Niemand kann seine Auffassung des Willens beweisen. Die Deterministen nicht, und auch nicht diejenigen, die an den freien Willen glauben. Die Deterministen bringen zwar plausible Argumente, warum der Wille des Menschen unfrei ist, aber wenn es zum Schwur kommt, müssen auch sie passen: Keiner hat je TATSÄCHLICH die Entscheidungen eines x-beliebigen Menschen vorhergesagt. Erst das wäre der Beweis, dass Willensfreiheit nicht existiert. Auch die Befürworter des freien Willens bleiben den Beweis schuldig. Noch nie konnte jemand belegen, dass seine Willensentscheidung frei war – einfach, weil sich noch nie eine Situation exakt wiederholt hat. Im Universum ist jeder Moment einzigartig, und der Glaube, wir könnten uns auch anders entscheiden, ist ebenso unbewiesen wie sein Gegenteil. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Die meisten Hirnforscher, die den Willen erkunden, untersuchen einfachste Wahlentscheidungen. So sollen Versuchspersonen zwischen rechtem und linkem Schalter wählen oder, wie bei Libet, nur den Zeitpunkt bestimmen, zu dem sie eine geplante Handlung ausführen. Zugrunde liegende Idee ist, dass sich komplexe Willenentscheidungen aus vielen solcher kleinen Entscheidungen zusammensetzen. Ob das wirklich so ist, bleibt zweifelhaft. Schwierigere Willensentscheidungen können sich schließlich über Wochen, gar Jahre hinstrecken. Seinen Willen zu verfolgen ist eine unübersichtliche Angelegenheit: »Willen ist eine Konfi guration komplexer psychischer Prozesse, die die Umsetzung einer Absicht auch angesichts von Zielkonflikten, externen Versuchungen oder anderen Schwierigkeiten unterstützen«, erklärt die Psychologin Johanna Hartung von der Universität Düsseldorf. Insbesondere muss das zu verfolgende Ziel von konkurrierenden Handlungen abgeschirmt werden: durch penible Kontrolle der Aufmerksamkeit, der Emotionen und der Motivation. Welche Gehirnprozesse da hineinspielen, ist heute noch nicht zu überblicken. Wie fragil der Wille des Menschen ist, zeigt sich an einem Unfallpatienten aus dem 19. Jahrhundert. Der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage verunglückte am 13. September 1848, als er mit einer Eisenstange eine Sprengladung festklopfen wollte. Der Sprengstoff detonierte vorzeitig, die Eisenstange schoss unter seinem linken Auge in den Kopf, durchstieß den vorderen Teil des Gehirns und durchbrach von unten die Schädeldecke. Dennoch, Gage kam nach wenigen Minuten wieder zu Bewusstsein, überlebte eine 45-minütige Fahrt zum Arzt, genas erstaunlich schnell und behielt anscheinend keine gravierenden Schäden zurück – abgesehen vom zerstörten linken Auge. Erst nach und nach wurde deutlich, dass die Persönlichkeit des Arbeiters durch den Unfall schwer gelitten hatte. Galt er vorher als zuverlässiger und besonnener Kamerad, so erschien er nun wie ausgewechselt: Er entwickelte keine brauchbaren Zukunftspläne, hielt sich nicht an gesellschaftliche Regeln und war nicht länger in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es war, als wäre mit dem Unfall die Basis seiner Willensentscheidungen zerstört worden. Was diese Basis war, begriff der portugiesische Psychiater Antonio R. Damasio, als er einem Patienten mit ganz ähnlichen Symptomen begegnete. »Elliot«, wie er ihn nannte, war an einem Hirntumor erkrankt und hatte von der Operation eine Schädigung des Frontalhirns zurückbehalten – an derselben Stelle, an der auch das Gehirn von Phineas Gage durch die Eisenstange zerstört worden war. Auffallenderweise entwickelte Elliot ganz ähnliche Symptome wie Gage.

War Elliot vorher ein erfolgreicher Geschäftsmann mit stabilem Familienleben, so zerfi el sein Leben nach der Operation. Äußerlich schien es Elliot an nichts zu fehlen: Er besaß einen gesunden Körper, Verstand und Sinnesorgane funktionierten, in Intelligenztests erreichte er nach wie vor die volle Punktzahl. Dennoch fehlte etwas Wesentliches: Er war unfähig, die einfachsten Entscheidungen zu treffen. Morgens schon musste seine Frau ihn aus dem Haus scheuchen; sollte er Unterlagen sortieren, verlor er sich in das Lesen einzelner Schriftstücke, an einfachen Entscheidungen blieb er hängen. Einmal verbrachte er einen ganzen Nachmittag mit der Frage, ob er seine Unterlagen nach Ort oder nach Datum sortieren solle. Bald hatte er seinen Job verloren, kurz darauf zerbrach seine Ehe. Im Gespräch mit dem Patienten fi el Damasio auf, dass Elliot keine Gefühlsregungen zeigte. Elliot selbst berichtete, dass ihn Dinge kaltließen, die ihn früher emotional intensiv berührt hätten. Offensichtlich hat die Fähigkeit, Emotionen zu empfi nden, etwas mit unserer Fähigkeit zu tun, Willensentscheidungen zu fällen. Bei allem, was uns zustößt, erkannte Damasio, speichert unser Körper eine positive oder eine negative Erinnerung ab. Diese gespeicherten Körperreaktionen nannte er »somatische Marker«. Stehen wir vor einer vergleichbaren Entscheidung, ruft unser Körper die gespeicherten Marker ab und gibt uns eine Orientierung, wie die Situation zu bewerten ist – ob wir sie suchen oder meiden sollen. Fällt die Wahrnehmung der somatischen Marker aus, werden wir orientierungslos wie Gage und Elliot. »Emotionen sind kein Luxus«, so Damasio, »sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf.« Das erklärt, warum so viele Menschen gegen ihren erklärten Willen handeln. Auf der Verstandesebene haben sie einen klaren Willen (»Ich will abnehmen«), aber die Marker signalisieren: »Schokolade! Lecker! Supergefühl!« Aus demselben Grunde können sich viele Menschen schlecht von anderen abgrenzen. Die »Abgrenzung« ist negativ besetzt, sie erzeugt ein Gefühl des Alleinseins, des Ausgeschlossenseins. Deshalb ist es kein Wunder, wenn der bewusste Entschluss, sich in Zukunft besser abzugrenzen, fehlschlägt. Es gibt aber Möglichkeiten, die eigene Willensstärke zu verbessern. So lassen sich die Marker, die man aufruft, absichtlich verändern: Konzentriert man sich beim Versuch, sich besser abzugrenzen, nicht auf die emotional negative »Abgrenzung «, sondern auf die positiv besetzte »Freiheit«, die man erreichen möchte, so ist alles viel einfacher. Der Zusammenhang zwischen unserem Willen und den im Körper gespeicherten Erinnerungen ist auch die Grundlage von Meditationstechniken wie Vipassana. Diese 2500 Jahre alte buddhististische Technik geht davon aus, dass menschliches Leiden untrennbar mit dem Wollen verknüpft ist: Wir leiden entweder, weil wir nicht bekommen, was wir wollen, oder weil wir ertragen müssen, was wir verabscheuen. Um das Leiden zu überwinden, so die Lehre, taugt es nicht, am Außen zu arbeiten – denn wenn man das eine Problem überwunden hat, steht gleich das nächste vor der Tür.

Was wirklich hilft, ist zu lernen, wie sich das Wollen manifestiert: als Körpersignal nämlich, als somatischer Marker. Je genauer man diese Signale wahrzunehmen lernt, desto durchsichtiger werden die Entscheidungen, die man fällt. Erfreuliche Dinge rufen nämlich ein sehr angenehmes Körpergefühl hervor, Unerfreuliche ein abstoßendes. Um sich davon zu lösen, trainieren die Vipassana-Schüler, die somatischen Marker wahrzunehmen, ohne auf sie zu reagieren. Nach einiger Zeit der Übung öffnet sich dann der Weg zum befreiten Handeln: Der Übende kommt in die Lage, unabhängig von seinen inneren Markern tätig zu werden. Der Weg zur wirklichen Freiheit des Willens ist offen. Wie diese Freiheit aussehen kann, zeigt das Beispiel eines Mannes, der mit Buddhismus nichts zu tun hatte. Der jüdische Psychiater Viktor Frankl kam durch die Nazis ins KZ. »Dort verlor ich alles«, erinnerte sich Frankl später, »außer der letzten der menschlichen Freiheiten: der Freiheit, unter allen äußeren Bedingungen seinen eigenen Weg auszuwählen.« Frankl wurde seiner Menschenwürde beraubt, gefoltert und musste erleben, wie fast seine ganze Familie in den Gaskammern umkam. Eines Tages, als er nackt und allein in einem Raum war, begriff er, was seine letzte Freiheit war, die ihm auch die Nazis nicht nehmen konnten: Er konnte sich selbst entscheiden, wie sich all das auf ihn auswirken würde. Zwischen dem, was ihm widerfuhr, dem Reiz, und seiner Reaktion darauf lag seine Freiheit! Frankl hatte so etwas wie den Wesenskern des Willens erblickt. Inmitten des Lagerlebens projizierte Frankl sich von nun an in andere Umgebungen. So imaginierte er zum Beispiel, wie er nach seiner Befreiung Studenten unterrichten würde. Geistig versetzte er sich in den Hörsaal und vermittelte ihnen genau jene Lektionen, die er während seiner KZ-Haft gelernt hatte. Schließlich gewann Frankl mehr innere Freiheit als seine Aufseher. Er wurde zu einer Inspiration für die Menschen, selbst für einige der Wärter. Er half anderen, Würde in ihrem Gefangensein zu fi nden. Mitten im Vernichtungslager verwirklichte Frankl einen fundamentalen Grundsatz: Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Willensfreiheit des Menschen. Wir, denen solche Bedingungen zum Glück erspart bleiben, können von ihm eines lernen: Unser Wille ist viel freier, als wir es uns je vorstellen können.

Autor(in): Nicolai Schirawski
Zu dem Herrn Frankl fällt mir jetzt so einiges von C.C. ein :king:, aber da ich mal wieder keine Zeit habe..... :nene:
And I'll spread my wings 'till sun and moon, singing the song of life, dancing the dance of life, becoming life itself, no longer knowing, that I am.

Re: Determinismus durch freien Willen

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THx Eulenspiegel

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Ich schließ mich mal an :

http://www.kgsberlin.de/archiv/display_entry/art47648/" onclick="window.open(this.href);return false;
Freier Wille – eine Illusion? (Ausgabe Juli 2006)
...
Nun sind wir frei und haben am Ende doch wieder einen freien Willen?

Die Freiheit, selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können, ist eine Illusion. Spirituelle Freiheit bedeutet eine offene Haltung, in der nichts vermieden und nichts festgehalten werden muss. Diese Freiheit führt hinaus über Trennung und Leiden. Sie ist vollkommen unabhängig von äußeren Umständen oder inneren Befindlichkeiten. Die Neuronen können verrückt spielen – wir sind jenseits davon. Wir sind das stille Gewahrsein, das allem zugrunde liegt. Das ist die wahre Freiheit, und sie ist grenzenlos.
LG
https://t.me/pump_upp

Re: Determinismus durch freien Willen

30
Sehr interessantes Interview Falconer, thx! Auch Eulenspiegels Auszug bietet einige interessante Punkte.

Schöner Input! :herzen:

Letzterer fand Worte für etwas was ich gefühlt habe aber nicht beschreiben konnte und hat damit wohl geholfen (als weiterer Stein in der Mauer) den Widerspruch (weil beides existiert) zwischen Determinismus und freien Willen für mich zu lösen.
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