Re: Ich- Auflösung

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Du erkennst dein eigenes wahres Antlitz im Spiegel des Kosmos selbst: Deine Identität ist wahrhaftig das Weltall, und du bist nicht mehr Teil dieses Stroms, du bist dieser Strom in einem Weltall, das sich nicht um dich, sondern in dir entfaltet. Die Sterne leuchten nicht mehr irgendwo dort draußen, sondern hier im Inneren. Supernovae flammen in deinem Herzen auf, und die Sonne scheint in deinem Gewahrsein. Weil du alles transzendierst, schließt du alles in dir ein. Es gibt hier kein endgültiges Ganzes mehr, nur einen endlosen Prozess, und du bist die Öffnung, die Lichtung oder die reine Leerheit, in der sich der ganze Prozess entfaltet – endlos, wunderbar, unaufhörlich, leicht.

Das ganze Spiel ist ausgelöscht, dieser Alptraum der Evolution, und du bist genau da, wo du vor Beginn dieser ganzen Show warst. Im Schock der plötzlichen Erkenntnis des ganz Offensichtlichen siehst du dein eigenes ursprüngliches Antlitz, das Antlitz, das du vor dem Urknall hattest, das Antlitz der äußersten Leerheit, die als die ganze Schöpfung lächelt und als der ganze Kosmos singt – und all dies ist in diesem Urerkennen ausgelöscht, und es bleibt nichts zurück als das Lächeln und die Spiegelung des Mondes auf einem stillen Teich, tief in einer kristallklaren Nacht.
(Quelle: Eine kurze Geschichte des Kosmos v. Ken Wilber)

Hab bisher kaum eine treffendere Beschreibung für den zeitlosen Augenblick der Auflösung gefunden.

Re: Ich- Auflösung

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Für mich geht es beim Egotod um den Akt des Loslassens ? Das Loslassen zu lernen bzw. wiederzuerlernen.

Loslassen - vom Körperbild, von Konzepten des Selbst über das Selbst, Andere und die Welt, vom Selbst selbst.

Im Englischen werden oft die Wörter "surrender" oder "letting go" verwendet. Alle drei Wörter heben einen bestimmte Aspekt ein und desselben hervor, dienen ihrer Natur als Wörter entsprechend als Fingerzeig.

Viele Dinge, die unsere Leben als spirituelle Wesen betreffen sind nur sehr schwer verbal zu kommunizieren.... gleichwohl betreffen sie jeden einzelnen von uns.


Schönen Abend


Mao
Take pain as a game.

Re: Ich- Auflösung

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Ist das (irdische) Leben nicht notwendig mit allerlei Assoziationen behaftet? Wenn ja, wie kann es dann unnötig sein? Unnötig aus einer enthobenen Beobachterperspektive ja - unheilvoll wahrscheinlich, aber was ist das nicht :nixplan: - aber sobald man fühlt, ist es doch unumgänglich, dass man die von dir aufgeführte Eigenschaft kennenlernt ... nun, wenn dem so ist, kann es imo auf keinsten unnötig sein?
Der Mensch wäre bar jeder derartigen Eigenschaft nicht mehr Mensch, so ungeschickt uns (hier) jene manchmal erscheinen mag ;)
My bubble -- my rules

Re: Ich- Auflösung

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anima hat geschrieben: aber sobald man fühlt, ist es doch unumgänglich, dass man die von dir aufgeführte Eigenschaft kennenlernt ... nun, wenn dem so ist, kann es imo auf keinsten unnötig sein?
Ja, um herauszufinden, was Loslassen bedeutet muss man es erstmal vergessen haben. Das Eine ist Voraussetzung für das Andere.
anima hat geschrieben:Der Mensch wäre bar jeder derartigen Eigenschaft nicht mehr Mensch, so ungeschickt uns (hier) jene manchmal erscheinen mag ;)
Ich denke die Fähigkeit zu assoziieren ist etwas ganz wundervolles. In ihr offenbart sich natürliche Kreativität und unser schöpferisches Wesen - wenn es die eigenen Assoziationen sind, die sich in einem entfalten. Mir geht es vor allem darum, dass Wörter oft durch ihre Vergangenheit eine gewisse, nennen wir es mal Behaftung, oder Gewichtung haben, die eine Kommunikation über das, was das Wort ausdrücken möchte, erschwert, eben das, worauf das Wort verweisen möchte. Man könnte es das Karma des Wortes nennen. ;)

Ein Beispiel wäre das Wort Gott. Ein jeder Mensch hat eine andere Geschichte und einen anderen Hintergrund. Mir in meinem Falle fällt es auf jeden Fall schwer bei dem Wort Gott nicht automatisch an eine antropomorphe, männliche, von außerhalb/überhalb/jenseits des Kosmos agierende Gewalt zu denken. ^^

Ähnlich verhält es sich mit Spiritualität, da man damit halt alles Mögliche verbindet was es imho nicht ist.

Peace

Mao
Take pain as a game.

Re: Ich- Auflösung

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Mao hat geschrieben:Das Eine ist Voraussetzung für das Andere.
Fraglos. Und auf soo viele Dinge übertragbar :nick: Kausalität, Vernetzung, Zusammen-Sein :herzen:
Mao hat geschrieben:Ein Beispiel wäre das Wort Gott. Ein jeder Mensch hat eine andere Geschichte und einen anderen Hintergrund. Mir in meinem Falle fällt es auf jeden Fall schwer bei dem Wort Gott nicht automatisch an eine antropomorphe, männliche, von außerhalb/überhalb/jenseits des Kosmos agierende Gewalt zu denken.
Jo. Das klassische Beispiel ... mir geht's da nicht anders; es mit eigenem Sinn zu füllen und den adaptierten zu ersetzen, ist sicher zentraler Bestandteil dessen, was wir (hier) innere Arbeit nennen.
Mao hat geschrieben:Ähnlich verhält es sich mit Spiritualität, da man damit halt alles Mögliche verbindet was es imho nicht ist.
Ist denn Spiritualität ein Ding, also etwas starres und universales? Imo nein, weshalb ich versuche davon Abstand zu gewinnen, mir weiterhin zu allem möglichen ein Bild zu formen, von welchem aus dann wieder Überzeugung (siehe Sig.) und 'schubladisierende' Werterei ausgeht. Da ist mir das bunte treiben der Assoziation doch ein deutlich spannenderes Schauspiel ;)
My bubble -- my rules

Re: Ich- Auflösung

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Mao hat geschrieben:Letzlich ist das Wort "spirituell" auch wieder nur ein doofes Wort, mit der unheilvollen Eigenschaft unnötige Assoziationen zu wecken.
Lieber Mao,
wäre es O.K. jetzt C.C. zu zitieren? :verwirrt:
Das ist ja der Fehler an den Worten. Sie zwingen uns stets, uns aufgeklärt zu fühlen, aber kaum drehen wir uns um und betrachten die Welt, wie sie ist, lassen sie uns im Stich, und wir betrachten die Welt schließlich, wie wir es immer taten, ohne jede Aufklärung.
Aus diesem Grund ist ein Zauberer bestrebt, lieber zu handeln, statt zu sprechen, und zu diesem Zweck übernimmt er eine neue Beschreibung der Welt - eine neue Beschreibung, wo Reden nicht so wichtig ist und wo neue Taten neue Reflexion nach sich ziehen.
Verstehen ist imho untrennbar mit Begeifen verbunden - zumindest für uns Affen.*
Einem Delfin{z.B.}ist das Konzept des Begeifens völlig fremd; er hat nun mal Flossen, die dafür nicht gemacht sind. Im Ausgleich{?}kann er sich problemlos tragen/treiben lassen, going with the flow, ect. ...
Ich hab' mich mal mit begeifen/innewerden beschäftigt und möchte das an einem Glas Wasser veranschaulichen.

Bild
ist zwar kein Wasser, aber solange der das so weitermacht{mit dem Begreifen}, bleibt seine Kehle trocken.

Bild
das ist Innewerden - ich denke da erübrigt sich jedes weitere Wort.
And I'll spread my wings 'till sun and moon, singing the song of life, dancing the dance of life, becoming life itself, no longer knowing, that I am.

Re: Ich- Auflösung

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Bin allen Beteiligten sehr dankbar für diesen Thread (bzw. für die Threads "Loslassen" und "Erleuchtungswahn"), woraus ich viele Anregungen ziehen konnte, um gewisse Erlebnisse zumindest annähernd zu verstehen.
Knuspere nun schon seit ca. 1 Jahr an einem Beitrag hierzu, bin aber noch nicht soweit, zumal neue Einsichten zu modifizierten Ansichten führen... Schwierig auszudrücken und Gedanken überwerfen sich und landen meist bei einem Punkt, wo eigentlich jedes Wort obsolet wäre...

Von daher möchte ich als Ergänzung lediglich ein Zitat aus einem Essay über Meister Eckhart beisteuern, das mit geposteten Beiträgen korrespondiert, wenngleich christlich-theologische Chiffren benutzt werden (es besteht allerdings eine starke Analogie zu anderen spirituellen Schulen, abgesehen vielleicht von dem Trinitätsgedanken(?)).
Einen Aspekt finde ich wichtig: Meister Eckhart spricht zwar auch von Überwinden, Auslöschen und Sterben - des Ich - welches allerdings konsequenterweise zu einem Entstehen führt - der "Gottesgeburt in der menschlichen Seele".


<<Der Seelenfunken liegt zunächst verdeckt und verschüttet unter den aufgetragenen Schichten des mit tausend Fasern in der Selbstsucht und in der Kreaturgebundenheit hängenden und gefangenen Ich. Wenn es dem Menschen aber gelingt, sich durch das mystische Sterben, durch das mystische "Entwerden" von der Bindung an die Zeit und den Raum, an den Kerker des eigenen Leibes, an die Ichsucht, an das "Mittel" und das "Warum" zweckgebundener Beziehungen zu den "Zufällen" der Kreaturen in ihrer zerstreuenden und hindernden "Mannigfaltigkeit" zu lösen, sich und die Welt zu "lassen" und das zu erreichen, was die Mystik in ihrer eigenen sprachlichen Prägung als den Zustand der "Gelassenheit", der "Abgeschiedenheit" bezeichnet, dann wird die oberste Vernunft, der göttliche Funke in der Tiefe des menschlichen Seelengrundes wieder "ledic und vrî und ungebunden", dann erfährt die oberste Vernunft in ihrer "einicheit" und "glîcheit" mit dem göttlichen "intelligere" in der unio mystica den "învluz", den "îndruc", die "îngeberunge" des göttlichen Vernunftseins, es vollzieht sich die Geburt des Wortes oder des Sohnes in der Seele, und zwar "âne allen underscheit" genau so, wie diese Geburt im innertrinitarischen Prozeß im "ewigen Nun" geschieht. Soll also diese Geburt des Wortes in der Seele Ereignis werden, so gilt es zunächst, die den Seelengrund verdeckenden Schichten abzutragen.>>

[von Josef Quint aus der Einleitung zu "Meister Eckhart - Deutsche Predigten und Traktate" (wenn ich ein passendes Original-Zitat finde, trag ich es nach, allerdings schreibt Meister Eckhart ziemlich vertrackt und es gibt diverse Predigten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, weshalb ich diese Zusammenfassung von Quint als sehr brauchbar betrachte, um die Gedanken verständlich darzustellen)]
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