Psychedellische Drogen und buddhistische Meditation

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Da ich gerade einen langen Retreat gemacht habe hatte ich viel Zeit, über meine Drogenerfahrungen in der Vergangenheit nachzudenken und inwiefern diese mit meiner jetzigen Meditationspraxis verbunden sind.
Ich dachte ich fasse das mal in einem Beitrag zusammen, damit ich es für mich selbst sortieren kann und vielleicht interessiert es ja den ein oder anderen hier.

Wenn ich im folgenden das Wort 'Buddhismus' benutze, so meine ich damit den Buddhismus der Pali-Texte und nicht die späteren, auf Tantrismus basierenden Schulen.
Es gibt im Buddhismus die Vorstellung von 31 Ebenen der Existenz, die das Saṃsāra ausmachen. Durch Tod und Wiedergeburt wandern wir durch diese 31 Ebenen.
Man kann sie in drei Bereiche einteilen:
  • kāma-loka: Hier überwiegt die Wahrnehmung mit den fünf Sinnesorganen. Unsere menschliche Welt gehört dazu, genauso wie die devalokas (göttliche Ebenen) und die niedrigen Ebenen der Existenz (Wiedergeburt als Tier/in der Hölle).
  • rūpa-loka: Die 16 Welten der feinen Sinneswahrnehmung. Die Bewohner dieser Ebenen sind die Devas, und sie besitzen einen Körper aus Licht. Hier gibt es auch immernoch Sinneswahrnehmung, aber auf andere Weise als in den kāma-lokas.
  • arūpa-loka: die imateriellen Welten. Hier gibt es keine Sinneswahrnehmung in der klassischen Bedeutung des Wortes mehr. Die Bewohner dieser Ebenen bestehen nurnoch aus Geist und haben keinen physischen Körper mehr. Es gibt insgesamt vier Ebenen.
Die Frage, wo man nun wiedergeboren wird, wird entschieden durch den Zustand des Geistes im Augenblick des Todes.
Hier kommen die acht Versenkungszustände (Jhānas/Dhyānas) ins Spiel.
  • 1. angenehme Empfindung
  • 2. Freude
  • 3. Zufriedenheit
  • 4. tiefer Frieden
  • 5. unendliche Weite
  • 6. unendliches Bewusstsein
  • 7. Leere
  • 8. Weder Wahrnehmung noch Nicht-Wahrnehmung
Die ersten vier Jhānas sind die formhaften Jhānas, die letzten 4 die nicht-formhaften.
Wenn man sich in einem der ersten vier Jhānas zum Zeitpunkt des Todes befindet, so wird man in eine der rūpa-brahmaloka wiedergeboren. Befindet man sich in einem der nicht-formhaften Jhānas, so bedeutet das Wiedergeburt in eine der arūpa-brahmaloka.

Wie verhält sich diese Vorstellung nun zu den psychedellischen Drogen?
DMT
Wenn man sich die DMT (N,N-DMT um genau zu sein) -Erfahrung anschaut, so habe ich den Eindruck, dass es sich um eine Art "simulierte" Nahtoderfahrung handelt, die uns kurzzeitig in die Lage versetzt, eine Wiedergeburt in eine der Welten zu erfahren, die uns nach dem Tod bevorstehen, wenn wir genau jetzt in diesem Augenblick mit unseren aktuellen Empfindungen sterben würden. Diese Erfahrung findet allerdings an einer Art Bungee-Seil statt, die uns nach kurzer Zeit (bei Ayahuasca kann es auch schonmal eine Weile dauern ^^) wieder zurück in unsere Welt holt.
Mir persönlich ist es auf N,N-DMT einige Male gelungen, in angenehme Devalokas vorzudringen, und ich glaube auch einmal in die rūpa-brahmaloka (da habe ich nach einer langen Meditationssitzung auf Ayahuasca zusätzlich 'auf Befehl' irgendeiner Gottheit 40mg DMT geraucht und dann war ich wirklich nochmal woanders. Die Beschreibung, dass die Wesen der rūpa-Brahmaloka mitunter tausende Kilometer groß sind und über unvorstellbare lange Zeit existieren passt mit der Erfahrung, die ich damals gemacht habe).
Dissoziativa
Dissoziativa sind in meinen Augen auf besondere Weise mit den vier formlosen Jhānas und somit mit den arūpa-brahmalokas verbunden.
Eine mittlere Dosis DXM etwa erzeugt bei vollkommener Dunkelheit und geschlossenen Augen die Erfahrung des endlosen Himmels, die im fünften Jhāna auf uns wartet. Das unendliche Bewusstsein wird bei höheren Dosierungen zugänglich. Die Zustände von vollkommener Leere und weder Wahrnehmung noch Nicht-Wahrnehmung korrespondieren in meinen Augen mit der Erfahrung des K-Holes auf hohen Dosen Ketamin.

Die Kernfrage sollte allerdings lauten, inwiefern diese Erfahrungen nun mit der buddhistischen Lehre an sich in Verbindung stehen.
Und hier wird es nun haarig. Die Erfahrung der meditativen Jhānas an sich, ohne das Erleben von Tod und Wiedergeburt, ist bereits problematisch, wenn man kein ausreichendes Verständnis von der Unbestaendigkeit (anicca) besitzt. Sie führen dazu, dass wir das Ziel der Erleuchtung aus den Augen verlieren und uns in angenehmen Wahrnehmungen verlaufen. Wenn wir dann sterben, so gibt es eventuell eine Wiedergeburt auf einer angenehmen Ebene. Das Verlangen, in diesen Welten ernsthaft zu meditieren, ist allerdings kaum gegeben, da man allen Komfort hat und kaum Lust darauf haben wird, zu arbeiten.
Am schlimmsten sind die formlosen arūpa-brahmalokas, da hier nicht einmal mehr die Sinnesorgane vorhanden sind, die uns die Arbeit überhaupt möglich machen. Eine Wiedergeburt hier muss in die Hölle führen, wenn das gute Kamma erst einmal aufgebraucht ist.

Das ist das Dilemma, wenn wir ohne Drogen versuchen, den buddhistischen Pfad zu gehen.
Kommen nun die Drogenerfahrungen hinzu, so wird an diesen Prozess ein Multiplikator angeschlossen. Während Verlangen, Gier und Mangel an Weisheit bei herkömmlicher Meditation bereits ein Riesenproblem darstellen, so sind sie bei den krassen Erfahrungen wie DMT oder Ketamin in meinen Augen nicht zu überkommen. In diesen Zuständen ist man vollkommen von angenehmen Empfindungen überwältigt und vergisst unter Garantie alles, was mit Anicca zusammenhängt. Aus meiner eigenen Erfahrung halte ich es nicht für möglich, DMT mit einem tiefen Verständnis von Anicca zu konsumieren, ohne dieses Verständnis schon voher entwickelt zu haben.
Aus diesem Grund halte ich DMT und andere psychedellische Drogen auf dem Weg der ernsthaften Meditation für ein ernsthaftes Hindernis. Nicht weil wir dadurch zu schlechten Taten verleitet werden wie bei Alkohol, oder weil wir faul und unsensibel werden wir bei Cannabis, sondern weil wir gierig und hungrig nach spirituellen Erfahrungen werden und weil wir diese Erfahrung nicht mehr auf unsere Meditation, sondern auf diese externe Substanz projezieren. Bei Dissoziativa ist es noch ausgeprägter, weil sie uns gleich in den unfassbar angenehmen, unbeschreiblich schönen Zustand der formlosen Jhānas entführen, die mit herkömmlicher Meditation nur äußerst schwer zu erreichen sind. diese Jhānas sind schon sehr beeindruckend und stellen Gift fuer einen Meditator dar, der noch keine Stabilität im Begreifen von Anicca entwickelt hat. Um wieviel mehr muss das für eine Droge gültig sein, die diese Erfahrung nur simuliert?
Ich will damit nicht sagen, dass diese Drogen wertlos sind für die Meditation. Sicherlich sind sie, besonders in der Anfangsphase, ein guter Motivator, um sich tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen. Ultimativ sind sie allerdings, wie ich denke, süßer, klebriger Honig, an dem wir nur zu gerne hängen bleiben. Wenn McKenna diese Substanzen als 'food of the gods' beschreiben, dann liegt er damit sicherlich nicht falsch. Denn es ist uns möglich, mithilfe von diesen Substanzen die angenehmen Zustände der göttlichen Ebenen zu erfahren und eine Zeit lang als Opfer für die Götter aufzulösen.

Weitere Beobachtungen
Es gibt so ein paar Punkte, die ich persönlich noch anmerken möchte:
  • Ayahuasca hat ein nicht zu leugnendes schamanistisches Potenzial und ermöglicht die Kommunikation mit Geistwesen und anderen Dingen, die uns eventuell das Leben schwer oder einfach machen. Ich habe praktisch keine schamanistische Erfahrung und kann deswegen nichts sinnvolles dazu sagen. Aber es spricht in meinen Augen nichts dagegen, Ayahuasca zu nutzen um schamanistische Probleme zu lösen, während man zur Erlösung auf die Lehre des Buddhas zurückgreift. Wenn man Ayahuasca wirklich als Medizin nimmt und nicht mit der Intention, spirituelle Zustände zu erlangen, so sehe ich keinen Konflikt mit der buddhsitischen Lehre.
  • Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich allerdings, dass bei mir Ayahuasca und Changa die Meditation total verhageln. Ich bin nach diesen Erfahrungen früher immer voll von angenehmen Empfindungen gewesen und hatte in der Meditation kaum ernsthafte Empfindungen. Ich konnte stundenlang sitzen, ohne mich zu ärgern. Interessanterweise war ich dann aber im Alltag unwarscheinlich schnell abgelenkt, leicht reizbar und manchmal unruhig. Ich streite mich eigentlich sehr selten, aber im Changa-Afterglow habe ich mich zweimal sehr heftig gestritten. Ich glaube das ist so eine subtile Unzufriedenheit gewesen mit der Tatsache, dass ich angenehme Emfpindungen gehabt habe, ohne wirklich etwas dafür 'getan' zu haben.
  • 5-Meo-DMT orientiert sich von der Erfahrung her etwas dichter an den Dissoziativa. Auch hier haben wir das Problem einer simulierten Erfahrung. Ich habe eine zeit lang exzessiv meditiert und 5-Meo geraucht (jeden Tag 1-10mg) und das war spirituell eine sehr sehr unschöne Zeit. Ich habe weniger geschlafen, war unruhiger. In Gesellschaft war ich nervöser, ich habe wenig gegessen und viel an Gewicht verloren. Meditation ohne 5-Meo fand ich eher langweilig. Ich hab immer das Gefühl gehabt, meine 'Rakete' zünden zu müssen, damit es 'abgeht'. Konzentrationsfähigkeit und die Motivation, an einfachen Projekten zu arbeiten, hat mit zunehmender Zeit auch stark abgenommen. Ich will 5-Meo-DMT damit nicht verteufeln, es hat mir in einer gewissen Phase viel gezeigt und geholfen. Aber es kann eben auch negative Auswirkungen haben, wenn man es übertreibt, wie ich es in dieser Phase damals gemacht habe.
Fazit
Letzlich muss man die Frage, ob man die Drogen und den buddhistischen Weg gleichzeitig beschreiten möchte, für sich selbst beantworten. Eine pauschale Antwort möchte ich nicht geben, das hängt zu sehr vom individuellen Entwicklungsstand der Person ab. Aber die Gefahren, wenn man beide Wege gleichzeit geht sind hoch, und das Potenzial, zu scheitern, ist immens. In meinen Augen macht man sich das Leben und die Meditation einfacher, wenn man auf die Drogenerfahrungen verzichtet, oder sie zumindest in einem vernünftigen Maß betreibt. Drogenerfahrung sind eindrucksvoll. Aber die Gefahr, dass man zu einem Hund wird, der seinen eigenen Schwanz jagt, ist hoch.

Oder, wie es Ajahn Chah sagt:
Drugs can bring about meaningful experiences, but the one who takes a drug has not made causes for such effects. He has just temporarily altered nature, like injecting a monkey with hormones that send him shooting up a tree to pick coconuts. Such experiences may be true but not good or good but not true, whereas Dharma is always both good and true.
In dem Sinne: :)
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"

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